Vor einer Woche habe ich dem Bürgermeister von Sibiu /
Hermannstadt, Klaus Johannis, von
dieser Stelle geraten: „Du hast keine Chance, nutze sie!“ Das hat der daheim
gebliebene Siebenbürger Sachse auch in überzeugender, für viele politische
Beobachter in verblüffender Art und Weise getan. Die Rumänen haben ihn zu ihrem
neuen Präsidenten erkoren. Das Ergebnis wurde im Laufe des Wahlabends immer
deutlicher und lautete zum Schluss: 54,43% zu 45,56% für Johannis. (Zahlen vom Zentralen Wahlbüro - BEC).
Die Wahlbeteiligung war auf 64,10% angestiegen. Dazu kamen
über 378.000 abgegebene Stimmen im Ausland. (Das Wahlergebnis aus der Diaspora
wurde bis jetzt von BEC noch nicht veröffentlicht.) Das deutet auf ein stark
gestiegenes Interesse gegenüber dem ersten Wahlgang hin. Die ausschlaggebenden
Faktoren für den für viele überraschenden Sieg des Hermannstädter
Bürgermeisters – besonders in dieser Deutlichkeit – lassen sich aus den
Wahlergebnissen der Verwaltungskreise herauslesen.
01.
Constanța: Victor Ponta – 42,93%; Klaus Johannis – 57,07%
02. Tulcea:
Victor Ponta – 47,37%; Klaus Johannis – 52,63%
03.
Călărași: Victor Ponta – 55,18%; Klaus Johannis – 44,82%
04.
Ialomița: Victor Ponta – 61,40%; Klaus Johannis – 38,60%
05. Brăila : Victor Ponta – 57,94%; Klaus Johannis – 42,05%
06. Galați:
Victor Ponta – 54,03%; Klaus Johannis – 45,97%
07. Vaslui:
Victor Ponta – 59,70%; Klaus Johannis – 40,30%
08. Iași: Victor Ponta – 49,33%; Klaus Johannis – 50,67%
09.
Botoșani: Victor Ponta – 62,72%; Klaus Johannis – 37,28%
10.
Suceava: Victor Ponta – 48,50%; Klaus Johannis – 51,50%
11. Neamț: Victor Ponta – 54,95%; Klaus Johannis – 45,05%
12. Bacău : Victor Ponta – 53,55%; Klaus Johannis – 46,45%
13.
Vrancea: Victor Ponta – 53,77%; Klaus Johannis – 46,23%
14. Buzău : Victor Ponta – 60,00%; Klaus Johannis – 70,00%
15. Giurgiu : Victor Ponta –
68,38%; Klaus Johannis –
31,62%
16. Ilvov: Victor Ponta – 48,18%; Klaus Johannis – 51,82%
17.
București: Victor Ponta – 45,00%; Klaus Johannis – 55,00%
18. Dâmbovița:
Victor Ponta – 58,08%; Klaus Johannis – 41,92%
19.
Prahova: Victor Ponta – 47,53%; Klaus Johannis – 52,47%
20.
Covasna: Victor Ponta – 22,05%; Klaus Johannis – 77,95%
21. Brașov:
Victor Ponta – 36,91%; Klaus Johannis – 63,09%
22.
Harghita: Victor Ponta – 20,22%; Klaus
Johannis – 79,78%
23.
Bistrița-Năsăud: Victor Ponta –
37,73%; Klaus Johannis – 62,26%
24. Mureș: Victor Ponta – 31,36%; Klaus Johannis – 68,64%
25. Sibiu : Victor Ponta – 20,52%; Klaus Johannis – 79,48%
26. Argeș: Victor Ponta – 59,27%; Klaus Johannis – 40,73%
27.
Teleorman: Victor Ponta – 63,42%; Klaus Johannis – 36,58%
28. Olt: Victor Ponta – 64,77%; Klaus Johannis – 35,23%
29. Vâlcea:
Victor Ponta – 50,71%; Klaus Johannis – 49,29%
30. Dolj: Victor Ponta – 60,60%; Klaus Johannis – 39,40%
31. Gorj: Victor Ponta – 58,30%; Klaus Johannis – 41,70%
32.
Hunedoara: Victor Ponta – 50,37%; Klaus Johannis – 49,63%
33. Alba: Victor Ponta – 30,40%; Klaus Johannis – 69,60%
34. Cluj: Victor Ponta – 26,18%; Klaus Johannis – 73,82%
35. Sălaj: Victor Ponta – 37,06%; Klaus Johannis – 62,94%
36.
Maramureș: Victor Ponta – 39,73%; Klaus Johannis – 60,27%
37.
Satu Mare: Victor Ponta – 34,80%; Klaus
Johannis – 65,20%
38. Bihor: Victor Ponta – 36,52%; Klaus Johannis – 63,48%
39. Arad : Victor Ponta – 34,12%; Klaus
Johannis – 65,88%
40. Timiș: Victor Ponta – 33,26%; Klaus Johannis – 66,74%
41.
Caraș-Severin: Victor Ponta – 51,93%;
Klaus Johannis – 48,07%
42.
Mehedinți: Victor Ponta – 63,26%; Klaus Johannis – 36,74%
43. Rumänen im Ausland: Victor
Ponta – ?; Klaus Johannis – ?
Vergleicht man diese Resultate mit den Ergebnissen des ersten
Wahlgangs vom 2. November, so kann man, ohne zu übertreiben, von einem
Erdrutsch für Victor Ponta reden.
Das wird besonders dann deutlich, wenn man die Zugewinne der zwei Kontrahenten
zu ihren ersten Wahlergebnissen betrachtet. Es gab sogar Kreise in denen Johannis seinen Konkurrenten überholt
hat, obwohl der in der ersten Wahlrunde klar in Führung lag. Das krasseste
Beispiel ist der Verwaltungskreis Tulcea im Donaudelta. Dort lag nach dem
ersten Wahlgang Ponta vor Johannis mit 42,76% zu 29,41% der
gültigen Stimmen. In der Stichwahl konnte Johannis
den Kreis für sich mit 52,63% zu 47,37% entscheiden. Während Victor Ponta gerade mal 4,61% an Boden
gut machen konnte, hat Klaus Johannis
mit einem Plus von 23,22% gepunktet. So sah es eigentlich in mehr oder weniger
ausgeprägter Form im ganzen Land aus.
Es ist eindeutig, dass viele Ungarn in der Stichwahl ihre
Stimme Johannis gegeben haben. Im
Kreis Harghita, wo Kelemen Hunor in
der ersten Runde die zwei Favoriten klar hinter sich gelassen hatte, hat jetzt
der Bürgermeister den Premier um 59,56% überholt. Auch in den von Ponta gewonnenen Kreisen hat Johannis überdurchschnittlich zulegen
können. Um nur ein Beispiel von vielen herauszugreifen: In Ialomița lag Ponta
beim ersten Urnengang mit 53,61% zu 18,99% vorne; ein beruhigender
Vorsprung von 34,62% sollte man meinen. Der ist dann bei der Stichwahl auf
22,80% geschrumpft. Hier, in einem seiner besten Verwaltungskreise, konnte Ponta nur 7,79% zulegen, während Johannis zu seinem ersten Wahlergebnis
ein Plus von 19,61% einfahren konnte. Das alles deutet auf eine starke
Wechselstimmung im ganzen Land hin. Da haben auch patriotische Appelle – der
Stadionauftritt Pontas hat doch
stark an die Lichtjahre Ceaușescus
erinnert - und schmutzige Angriffe auf die Person Johannis nichts mehr geholfen.
Auch in den großen urbanen Zentren des Landes mit ihren
Universitäten konnte Johannis entscheidend
für sich punkten. Sowohl in der Hauptstadt als auch in deren Umland lag er vor Ponta. Das zeigt, dass die Jugend, die
Intellektualität und die Zivilgesellschaft mit ihren
Nichtregierungsorganisationen hinter dem neuen Präsidenten stehen werden – mit
der immer berechtigten Frage, wie lange.
Zudem muss man dem Siebenbürger Sachsen und seinem Wahlteam
zugestehen, dass sie den richtigen Riecher hatten, als sie in den zwei Wochen
vor der entscheidenden Stichwahl die schlechte Organisation der Wahl in der
Diaspora beim ersten Wahlgang zu ihrem Hauptwahlkampfthema auserkoren. Die
Mobilisation der Auslandsrumänen hat so manchen westlichen Beobachter in
Staunen versetzt und Victor Ponta
ein demütigendes Ergebnis beschert.
So wird also Rumänien ab dem 22. Dezember 2014 (Amtseinführung)
voraussichtlich für die nächsten fünf Jahre einen neuen Staatspräsidenten
haben. Was sich auf absehbare Zeit nicht ändern wird, sind die vielen Probleme,
die das Land hat. Besonders die politischen könnten eine Wende zum Guten lange
verzögern oder sogar vereiteln. Klaus
Johannis kann nach Verfassungsprärogativen als Präsident ja nicht regieren,
wie er es so erfolgreich als Bürgermeister über viele Jahre getan hat. Er kann
nur versuchen, positiv auf die Regierung einzuwirken. Die aber wird nach wie
vor von Victor Ponta geführt und hat
ihre eigenen Vorstellungen mit einer satten Mehrheit in Parlament und Senat –
zumindest bis jetzt.
Dem gegenüber steht eine enorme Erwartungshaltung der
Rumänen. Das war schon beim Sturz der Diktatur vor 25 Jahren so, dass das Land
in einen Euphorietaumel verfiel, aus dem es dann mit einem riesigen Kater
erwacht ist. Bei Mircea Cărtărescu
klingt das so: „Wir hatten drei Tage des Glücks und
25 Jahre Unglück. Das ist in aller Kürze die Geschichte Rumäniens im
Postkommunismus.“ Die über 3
Millionen im Ausland lebenden Rumänen sind das beste Beispiel für diese labile
kollektive Geisteshaltung. Klaus
Johannis hat zwar immer wieder vor übertriebenen Erwartungen gewarnt und
von einem Zeitraum von 10 Jahren gesprochen, den man benötigt, um das Land
wirtschaftlich, sozial und politisch gründlich reformieren zu können. Aber ob
das Volk diese realitätsnahe Rhetorik auch verstanden hat, darf man ruhig
anzweifeln.
Die deutsche Presse hat dieser rumänischen Wahl viele
Spalten gewidmet. Einen der schönsten Artikel fand ich in der Tageszeitung DIE
WELT. Dort stellt Dirk Schümer den
Wahlsieger Klaus Johannis ans Ende
einer Reihe aus Rumänien stammender Persönlichkeiten wie Jonny Weismüller, Peter
Maffay, Richard Wagner, Herta Müller, William Totok, Stefan Hell,
Roland Kirsch, Rolf Bossert und Hansi
Schmidt. (Natürlich könnte man diese Liste ohne große Mühe fortsetzen.) Der
kleine, aber feine Unterschied zu Klaus
Johannis besteht bei all diesen Persönlichkeiten in der Tatsache– mit
Ausnahme von Roland Kirsch -, dass
ihre rumäniendeutsche Abstammung sich im Laufe ihres Lebens zu einem
bundesdeutschen Migrationshintergrund entwickelt hat.
Doch jetzt geht es erst mal um einen gelungenen Start in das
höchste Staatsamt (mit all seinen Einschränkungen). Dazu und für die kommenden
Jahre kann man dem Präsidenten Rumäniens, Klaus
Johannis, nur alles Gute wünschen. Auch der Europäischen Union würde ein
politisch stabiles und wirtschaftlich prosperierendes Rumänien gut tun.
Anton Potche
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