Darf ich als Deutscher für einen deutschen Offizier des
Dritten Reiches Sympathien entwickeln, ja noch schlimmer, zu ihnen stehen und
sich offen vor aller Welt zu ihnen bekennen. Zumal es sich auch noch um einen
U-Boot-Kommandanten handelt, der mit einem einzigen Angriff mehr als Tausend Männer, Frauen und Kinder
auf dem Gewissen hat?
Nun steh’ ich da und kann nicht anders. Ich habe den Film Laconia gesehen – eine deutsch-englische
Produktion aus dem Jahre 2011 – und bin ergriffen. Und das noch einige Wochen
danach. Diese schrecklichen und dann doch wieder so menschlichen Bilder wollen
mir nicht aus dem Kopf. Und die Gesichter der Hauptprotagonisten, sie haben
sich mir eingeprägt: der britische Offizier Thomas Mortimer (Andrew Buchan), die von der Deutschen Hildergard Schmidt zur Engländerin Hilda
Shmith (Franka Potente) mutierte und
zwischen die Fronten geratene Schwester eines Münchner Widerstandskämpfers, und
besonders Kommandant Werner Hartenstein (Ken
Duken). Drei Torbedos hat U 156 auf
die Laconia auf seinen Befehl abgefeuert.
Mit Erfolg. Ein Erfolg des Grauens - selbst für hartgesottene Seekrieger wie
Hartenstein und seine Männer.
Das ist großes Kino, wie hier der Gewissenskampf des
deutschen Marineoffiziers festgehalten wird. Nahaufnahmen der Gesichtszüge eines
Menschen, der vor einer Entscheidung steht, die für viele Menschen – Zivilisten
und italienische Kriegsgefangene – Tod oder Leben bedeuten kann. Was
Hartenstein dann tat, ist nicht ohne Grund in die Geschichte eingegangen. Er
hat alle, Feind wie Freund, die die sinkende Laconia noch verlassen konnten auf sein U-Boot oder in Schlepptau
genommen. Ja, noch viel mehr: Er hat seine Position – 600 Seemeilen von der
westafrikanischen Küste entfernt – auch den Amis, Engländern und Franzosen
bekannt gegeben, um die Menschen in Sicherheit zu bringen.
Aber es war Krieg und die Fratze dieses scheußlichen
Gemetzels zeigte sich auch in diesem Akt seltener Humanität. (Es muss zur
Ehrenrettung anderer Kapitäne, unabhängig der Nationalität, erwähnt werden,
dass noch ähnliche Fälle bekannt sind.) Sie, die Fratze, saß in einem
amerikanischen Bomber, der das U-Boot und seine angehängten Rettungsboote mehr
zum Spaß als aus strategischer Notwendigkeit bombardierte, was noch mal einige Opfer brachte.
Man lebt ja mit. Und denkt voraus. Ich habe mich während des
Films gefragt, was wohl mit Hartenstein passieren werde, wenn er aus dieser
Mission zurück in seinen Heimathafen kommen wird. Schließlich waren wir im
Jahre 1942 und Hitler auf der Spitze seiner Macht. Wird die Gestapo ihn
erwarten? Nein! Er wurde von Admiral Karl Dönitz (Thomas Kretschmann) ausgezeichnet und fuhr weiter zur See. Aber
auch in diesem, für mich zumindest, überraschend positiven Ausgang steckt ein
Keim des Bösen, ein Keim des nazistischen Vernichtungswahns. Dönitz hat
Hartenstein zwar dekoriert, aber auch als Folge dieses ungewöhnlichen
Kriegsvorfalls den sogenannten Laconia-Befehl erlassen, der solche
Rettungsaktionen in Zukunft untersagte.
Liest man sich noch ein bisschen in die Materie ein, so wird
man feststellen, dass Uwe Janson
(Regie) und Alan Bleasdale (Buch)
nicht nur sehr gewissenhaft recherchiert haben, sondern auch den realen
Begebenheiten so nahe wie nur möglich geblieben sind. Dass ihnen dabei mehr,
viel mehr als ein informativer Spielfilm gelungen ist, liegt wohl an der Entscheidung,
einen Streifen zu drehen, der sowohl an Titanic
als auch an Das Boot erinnert und
doch nichts Epigonenhaftes in seinem Ablauf enthält.
Mit solchen Filmen wird die ARD ihrem Bildungsauftrag eines
öffentlich rechtlichen Fernsehsenders im wahrsten Sinne des Wortes gerecht. Sie
hat Laconia am Samstagabend, dem 7.
Februar um 20:15 Uhr zur besten Sendezeit wieder gezeigt (Erstausstrahlung: 2.
November 2011). Es geht also auch ohne billiges Gejodel und Gedudel – zumindest
ab und zu.
Ich habe an jenem Abend ehrliche Sympathiegefühle für
einen Marineoffizier des Dritten Reichs entwickelt, und sogar ohne mich dabei zu
fragen, ob das nun der Political Correctness entspricht oder nicht. Denn eins
ist klar, hätte es mehr dieser Sorte deutscher Offiziere gegeben, wäre uns der
2. Weltkrieg wahrscheinlich nicht erspart geblieben, aber er hätte bestimmt
nicht so lange gedauert.
Laconia, D & GB,
2011, Regie: Uwe Janson, Darsteller: Franka Potente, Ken Duken, Andrew Buchan
u.a., 180 Minuten
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