Mittwoch, 27. Mai 2015

Der Tag in Rumänien und jeweils eine seiner vielen sich sehr ähnelnden Schlagzeilen

ROMÂNIA LIBERĂ, Freitag, 15. Mai 2015: 
„Liviu Dragnea zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt, im Dossier ‚Das Referendum‘“.
In dem Anklagedossier „Das Referendum“ werden 74 Personen beschuldigt, sich im Jahre 2012 an Manipulationen bei der Volksbefragung zur Amtsenthebung des damaligen Präsidenten Traian Băsescu beteiligt zu haben. Liviu Dragnea ist Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei (PSD) und Minister für Regionalentwicklung und Öffentliche Verwaltung. Vor drei Jahren war er Generalsekretär der PSD. Diese Vorfälle sind schon länger ein Fall für die rumänischen Gesetzeshüter. Es wurden bereits einige der Beschuldigten verurteilt. Liviu Dragnea hat noch am Freitag (15.05.’15) seine Ämter in Regierung und Partei niedergelegt.

GÂNDUL, Samstag, 16. Mai 2015: 
„98.000 Lei und drei Kilogramm Gold des Anwalts Doru Boştină, beschlagnahmt im Hinterziehungsdossier von mehr als einer Million Euro“.
Es handelt sich um Steuerhinterziehungen im IT-und Beratungsbereich. Mit dem im Titel zitierten Anwalt Doru Boştină wurden zwei weitere Verdächtige verhaftet und ein dritter unter Hausarrest gestellt. Es fanden auch 18 Hausdurchsuchungen in Bukarest sowie in den Kreisen Ilfov und Ialomiţa in Anwesen von 16 Personen statt.

HOTNEWS.RO, Sonntag, 17. Mai 2015:
„Laura Codruţa Cövesi: Ich glaube die Untersuchungen haben Unruhen in den Reihen der politischen Klasse ausgelöst. / Ich glaube nicht, dass verdeckte Offiziere in der Nationalen Antikoruptionsdirektion (DNA) sind, aber man soll überprüfen. / Ich habe über die strafrechtlichen Dossiers weder mit dem gewesenen noch mit dem jetzigen Präsidenten gesprochen.
Seit 2013 leitet die Staatsanwältin Laura Codruţa Cövesi die Nationale Antikoruptionsdirektion. Die obigen als Titel veröffentlichten Sätze der rumänischen Gesetzeshüterin entstammen einem Interview des TV-Senders ProTV. Sie machen die Brisanz deutlich, die das Vorgehen der Staatsanwälte gegen die immer noch grassierende Korruption in Rumänien hat.

RENAŞTEREA BĂNĂŢEANĂ, Montag, 18. Mai 2015: 
„Umfangreiche Durchsuchungen bei Medien. Hausdurchsuchungen in 35 Firmen des Unternehmens Mediafax Group.“ 
Auch diese Schlagzeile wird kaum noch jemand erstaunt haben. Der rumänische Pressetrust Mediafax steht schon seit vergangenem Jahr im Visier der Steuerfahnder. Besonders der Medienzar Adrian Sârbu spielt in diesem Fall eine unrühmliche Rolle. Er saß schon im Februar dieses Jahres für 30 Tage in Untersuchungshaft. Auch der Journalis Sorin Roşca Stănescu soll fleißig mitgemischt haben. Der dem Staat zugefügte Schaden liegt angeblich bei 3,5 Millionen Euro.

COTIDEANUL, Dienstag, 19. Mai 2015: 
„DNA weitet die Ermittlungen auf den Schwiegersohn Băsescus aus .“ 
Der Mann heißt Radu Pricop und ist verheiratet mit der Tochter Ioana des ehemaligen Präsidenten Rumäniens, Traian Băsescu. Die Nationale Antikoruptionsdirektion (DNA) ermittelt gegen den Expräsidentenschwiegersohn wegen Falschaussage und Verleitung zur Falschaussage. Pricop hat aber bereits ein anderes Verfahren am Hals. Dort geht es um Erpressung. Von 4 Millionen Euro berichten die Zeitungen. Es gibt auch einen prominenten Mitangeklagten namens Sergiu Lucinschi. Sein Vater war mal Präsident Moldawiens.

EVENUMENTUL ZILEI, Mittwoch, 20. Mai 2015: 
„Das Verfassungsgericht klagt den Senat der Illoyalität an.“ 
Der Streit dreht sich um die Person des Senators Dan Şova. (Rumänien hat ein parlamentarisches Zwei-Kammern-System.) Der PSD-Politiker müsste nach den Ermittlungen der Antikorruptionsbehörde DNA längst wegen Korruption hinter schwedischen Gardinen sitzen. Der Senat hat aber einer Immunitätsaufhebung mehrheitlich nicht zugestimmt. Mehr noch, die Senatoren haben sogar das entsprechende Gesetz betreffend den Status der Abgeordneten und Senatoren geändert. Die Richter des Verfassungsgerichts (CCR) beklagen einen Loyalitätsverlust in der „Zusammenarbeit der staatlichen Institutionen“ und einen Mangel an Respekt „gegenüber den Prinzipien und Werten der Verfassung“.

AGERPRES, Donnerstag, 21. Mai 2015: 
„Vasile Blaga denunziert von Darius Vâlcov bei der DNA.“
Die Personen: Vasile Blaga ist Vorsitzender der PNL (Nationalliberale Partei)Klaus Johannis war 1. Stellvertretender Vorsitzender dieser Partei, als er ins Präsidentenamt gewählt wurde,  – und Darius Vâlcov (PSD), Senator, von Dezember 2014 bis März 2015 Finanzminister. Es geht um Einflussnahme bei der Ausschreibung eines großen Tiefbauprojekts im Munizipium Slatina (Kreis Olt) im Jahre 2009.

Man kann die rumänischen Zeitungen weit zurück verfolgen und wird nie Schwierigkeiten haben, ähnliche Schlagzeilen wie die obigen zu finden. Die EU fordert seit Jahren eine schärfere Korruptionsbekämpfung in Rumänien. Wer die Medien dieses Landes verfolgt, wird zugeben müssen, dass die Gesetzeshüter sich alle Mühe geben. Leider sind die Korruptionsstrukturen so verfestigt, dass die Staatsanwaltschaften Mühe haben, die Masse an Dossiers abzuarbeiten. Die DNA hat nur 86 Staatsanwälte im Einsatz. Das ist bei 2200 neuen Fällen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres viel zu wenig, sagt Laura Codruţa Cövesi.

Die Anklagen richten sich meist gegen Politiker aller Coulleur. Und die wollen ihre Pfründe nicht kampflos aufgeben. Die oberste Staatsanwältin beklagt, dass ihre Behörde sich alle zwei Wochen mit neuen Gesetzen und Verordnungen herumplagen muss. Das ist nicht verwunderlich, hat die DNA doch die Aufgabe, sich nur um Korruptionsfälle auf hohem und mittlerem Niveau zu kümmern. Davon sind auch die Mitglieder der zwei Legislativkammern (Senat und Parlament) gemeint. Von Mai 2013 bis Mai 2014 wurden vier Minister, ein Europaabgeordneter, vier Parlamentarier, ein Senator, 11 Bürgermeister fünf Richter und drei Staatsanwälte verurteilt. Wie man sieht, macht die Korruption selbst vor den Türen der Gesetzeshüter nicht halt.

Und wer schon mal in diesem Land gelebt hat, der wird sich mitnichten ob dieser Situation wundern. Ich kenne Menschen mittleren Alters, die heute noch, dreißig und mehr Jahre nach ihrer Aussiedlung aus Rumänien, beim kleinsten Problem zuerst die Frage stellen „Kennst net jemmand?“, statt sich nach einem Handwerker oder einer Autowerkstatt umzusehen. Geschweige denn bei Behördenbesuchen: „Na selle merr net wennichstens e Tafel Tschokolad mitholle?“, heißt es da. Und das für eine oft banale Legalisierung eines bereits ausgefüllten Vordruckes.

Dass dieses schon in Kinderjahren anerzogene Anbietungsverhalten (oft auch Anbiederung) – Kinder höhren ja mit und registrieren sehr gut, wenn Erwachsene sich unterhalten – nicht von einer Generation auf die andere auszumerzen ist, zeigen die in meinem Umfeld existierenden und nicht in DNA-Zuständigkeiten fallenden Beispiele genauso wie die „avalanşa“, Flut (Cövesi) der „hohen“ Korruptionsfälle im Rumänien dieser Tage. Aber man bemüht sich, hier wie dort. Hier spricht man von Integration, dort von Antikorruption.
                                                        Anton Potche

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