Foto: Anton Potche |
Zum 33. Mal ging am vergangenen Wochenende im Klenzepark
Ingolstadt das Open Flair Festival über die Bühne. Angepriesen wurde es auch
diesmal als ein „außergewöhnliches Alternativ-Kultur-Festival“, das „Literatur,
Musik, Tanz und Theater sowie gestaltende Kunst und liebevolles Handwerk mit
selbstverständlicher Leichtigkeit verwebt“.
So nachzulesen im Grußwort des OBs Dr. Christian Lösel in der Programmbroschüre. Die Literatur fand auch
diesmal ihren Darstellungshort im Literaturzelt unter dem schon bewährten Motto
Wort im Wald. Drei Tage lang fanden
hier verschiedene Literaturveranstaltungen (Lesungen, Poetry Slam,
Improvisationstheater) statt. Am Sonntag um 11:00 hatte der Ingolstädter
Kulturmanager Harald Kneitz wieder
zum schon traditionellen Literaturfrühschoppen geladen. Gefolgt waren seiner
Einladung (auf dem Foto v. l.) Donald
Berkenhoff (Chefdramaturg am Theater Ingolstadt), Michael Kleinherne (Autor, Journalist, Dozent an der Katholischen
Universität Eichstätt), Sabine Lurtz
Herting (Kulturmanagerin, Absolventin des Literaturinstituts Leipzig) und Kristof Magnusson (Kirchenmusiker, Autor,
Absolvent des Literaturinstituts Leipzig und ab dem Wintersemester 2015/16
Poetikdozent an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden) sowie 17 Interessenten,
zu denen sich im Laufe der gut einstündigen Podiumsdiskussion ein weiteres
Dutzend Zuhörer gesellte.
Das angekündigte Diskussionsthema lautete: „Ausbildungsberuf
Schriftsteller? – Was vermitteln Schreibinstitute?“ Der
Kulturveranstaltungsprofi Kneitz –
er war selber mal Deutschlehrer an einem Ingolstädter Gymnasium und mein Sohn
hat ihn auch als solchen in guter Erinnerung – hatte die Protagonisten dieser
Diskussionsrunde in zwei Meinungslager aufgeteilt: rechts von ihm die Fraktion
der Skeptiker und links die der Schreibinstitutsbefürworter. Dabei gab es wie
bei solchen Veranstaltungen üblich keine gerade Trennungslinie. Schon darum
nicht, weil der Hochschullehrer Kleinherne
sich betont neutral verhielt und die Kulturmanagerin Lurtz Herting den in Leipzig erlernten Beruf nicht ausübt.
Umso deutlicher positionierte sich der Theaterfachmann Berkenhoff. Er ist eindeutig kein Freund
von Literaturinstituten. Viele Autoren aus diesen universitären Einrichtungen
würden ähnliche Texte vorlegen, argumentierte er und wurde mit Aussagen wie
„man wird geeicht auf das, was der Markt gerade braucht“ sehr deutlich. Er
findet Autoren wie Jelinek oder Bernhard da viel origineller.
Kleinherne hält selber
auch Schreibworkshops ab und blieb in der Diskussion wesentlich zurückhaltender
in Blick auf die Literaturinstitute. Er arbeite auch berufsbedingt mit
zukünftigen Lehrern, die natürlich eine ganz andere Zielgruppe sind als
angehende Autoren. Daher spricht er lieber von einem „Handwerk des Schreibens“,
das schon von dem Schwerpunkt Kreativität, wie er es bei Literaturinstituten
vermutet, abweicht. Aber es wird auch in seinen Kursen immer erst interessant,
wenn gewisse „Muster aufgebrochen werden“. Also da lag der Hochschulmensch
schon sehr nahe beim Theatermensch.
Magnusson hielt
dem entgegen, dass Handwerk zwar vermittelt werden kann, aber nicht so auch das
Talent. Und auf Letzterem bauen Literaturinstitute nun mal ihre Arbeit auf. Man
könne den Grund für Mediokrität „nicht in Schreibschulen suchen“. Es stellt ja
auch niemand die Schauspielschulen infrage, „nur weil es sehr viele
mittelmäßige Schauspieler gibt“. Er selber versuche als Dozent, das
Literaturhandwerk den Leuten so zu vermitteln, „dass sie nachher wissen, welche
Regeln sie bewusst brechen müssen, damit es wirklich interessant wird, damit es
Literatur wird“. Das klang schon nach Zugeständnis an die zwei Herren auf der
Gegenseite, sollte aber nicht als Zweifel an der Daseinsberechtigung der Institute
verstanden werden, denn immerhin kommen etwa aus dem Leipziger Institut Autoren
wie Clemens Meyer oder Juli Zeh oder Saša Stanišić, und „die schreiben nun ja wirklich grade nicht nach
Schema F“. Außerdem kann man sich in einem Literaturinstitut eine gewisse
„Sprechfähigkeit über Literatur aneignen“. Auch daraus resultiert ein „gutes
Studium bei der Beschäftigung mit Literatur“.
Nicht gerade als Verfechterin der Literaturinstitute zeigte
sich Sabine Lurtz Herting, ohne sie allerdings als ehemalige
Studentin entschieden abzulehnen. Man
stehe wie viele Geisteswissenschaftler nach erfolgreichem Abschluss erst mal da
und werde mit der Härte einer Jobsuche konfrontiert. Das sei wesentlich
schwerer als bei Technik- oder Wirtschaftsberufen. Es waren dann auch
Sicherheitsaspekte, die sie dazu bewogen haben, nicht den Autorenweg
einzuschlagen, sondern es in einem anderen Kulturbereich zu versuchen, was sich
letztendlich als sehr hürdenreiche Geschichte – auch mit für die Protagonistin mehr
oder weniger interessanten Anekdoten – herausstellen sollte. Der Beruf des
Autors, findet sie, sei auch mit sehr vielen „Klischees“ belastet. Der Leser
will gerne das „Heroische“ in oder an einem Autor sehen – „den, der zum
Beispiel sein Hotelzimmer verwüstet“ - und weniger die „sorgfältige Arbeit“ an
seinem Werk. Trotzdem haben von 20 Kommilitonen Lurtz Hertings „mehr als die Hälfte“ den Weg der Schriftstellerei eingeschlagen. Die Frage, „kann man
davon leben, kann man ausschließlich davon leben“, ist natürlich eine andere.
So flogen die Bälle frohgemut hin und her, und Moderator Harald
Kneitz sorgte in bekannter Manier dafür, dass keine Verlegenheitspausen entstanden.
Dazu bemühte er sogar Adolf Hitler,
als die Diskussion dahin ging, dass viele Künstler stur an ihrer Schreib- oder
Malobsession festhalten, obwohl sie bereits aus mehreren Akademien geflogen
sind. Er meinte dazu, „dass uns viel Ärger erspart geblieben wäre“, wenn Hitler nach seinem Rauswurf aus der
Kunstakademie aus Trotz beim Malen geblieben wäre. Kristof Magnusson erwiderte darauf, „dass es im Umkehrschluss
bedeutet, dass Fassbinder nicht Fassbinder geworden wäre, wenn es die Akademie
nicht zumindest gegeben hätte“.
Literaturzelt auf dem Open Flair
Foto: Anton Potche
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Natürlich war die Frage nach dem Sinn der Literaturinstitute
beim Schlusswort des Moderators genauso sperrangelweit offen wie zu Beginn der
Podiumsdiskussion. Ja, es sind sogar zusätzliche Fragen in den Raum geworfen worden,
die zeigen, dass der Gesprächsstoff für weitere Wort[e] im Wald nie ausgehen wird. Und für die Zuhörer war es auch
diesmal eine rundum informative und unterhaltsame Veranstaltung.
Anton Potche
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