Es ist schön kühl im
Bahnhofscafé an diesem heißen Sommertag.
- Du siehst müde aus.
- War ja auch ein langer Abend.
- Warst du aus?
- Ja, aber zu Hause.
- Wie soll ich das verstehen.
- Ich war im Stadtrat.
- Zu Hause?
- Klar. Im Livestream.
- Und so lange, dass man es dir heute noch ansieht?
- Klar. Von 15:00 bis 22:17 Uhr ist ’ne schöne Zeit. Und der
OB hat mich sogar begrüßt.
- Wie bitte?
- Klar. Um 21.45 Uhr und in der 74. Minute des Fußballspiels
Hertha BSC gegen Bröndby IF hat er, der OB der freien Kreisstadt und jüngsten
Großstadt Bayerns und der am schnellsten wachsenden Stadt Deutschlands …
- Ja, ja, ist ja gut. Was hat der gesagt oder gemacht, der
Lösel?
- Er hat mich gegrüßt?
- Sag mal, warst du heute schon lange in der Sonne? Mit
deiner Glatze, meine ich.
- Das glaubst du nicht, was? Er hat gesagt, es sind zu
dieser vorgerückten Stunde noch „29 Zuhörer draußen an den Computern“ und dass
er die „alle schön grüßt“.
- Und Fußball hast du auch dabei geguckt?
- Klar. Auf Sport 1. Ohne Ton. Die Kommentare sind eh
meistens schrecklich.
- Greisliger als die Diskussionen im Stadtrat?
- Klar. Im Stadtrat war es lustig. Es hat sogar zweimal
Schnaps gegeben.
- Im Stadtrat ...
- Ja, einmal für den Frank – so glaube ich heißt der Mann –
und einmal für den Genosko. Der Frank ist ein Stadtminister – Referenten heißen
die, wenn mich nicht alles trügt – und der Genosko Fraktionschef der CSU. Und
der will nicht mehr Chef sein. Darum haben ihn alle gefeiert. Auch mit einer
Flasche Schnaps.
- Und haben die in der Sitzung getrunken?
- Weiß ich nicht. Der Livestream ist ja nur Radio, nicht
Fernsehen. Aber der OB hat zum Schluss gesagt, und das war genau 17 Minuten
nach 10: „Damit sind wir am Ende der öffentlichen Sitzung und treten die
nichtöffentliche an.“ Ich denk mal, da haben die den Schnaps verdrückt.
- Ich denke, wir sollten uns jetzt auch einen bestellen.
- Oh ja, das wär’ nicht verkehrt.
- Bedienung, zwei Schnäpse bitte!
Welch ein herrlich tiefbewölkter
Sommertag!
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