Montag, 19. September 2016

Manuel Junginger - Ein Poet und seine Welt

Manuel Junginger: Zu Füßen Edens – Die Chroniken (Gedichtsammlung); Engelsdorfer Verlag, 2010, ISBN 978-3-86268-044-3; 141 Seiten, 10,-- EUR0 (D); (auch online bestellbar)

Wer liebt, wird lyrisch, titelte die Kulturseite des Ingolstädter DONAUKURIER zum Welttag der Poesie (2015). Das mag so sein. Und wohl dem, der seine hoffentlich auch erwiderte Liebe so ausdrücken kann, aber besonders auch dem, der seinem Liebeskummer mit Hilfe der Lyrik alle oder wenigstens einige Ventile öffnen kann.

Wenn die Seele rebelliert, sich gegen die Last des Alltags stemmt, kann Literatur entstehen, vorwiegend Lyrik. Dann sprießt jene Poesie der schwermütigen Innerlichkeit, mit der uns schon Novalis in seinen Hymnen an die Nacht mehr oder weniger beglückte.

Das war in der Frühromantik so, als August Wilhelm Schlegel und sein Bruder Friedrich die Richtung für eine Aufhebung der Spannungen zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit zu markieren versuchten, und ist bis heute so geblieben. Der Mensch hat seine geheimen Rückzugswinkel in seinem Ich, in denen sich jene Gefühlswallungen austoben, die in der gängigen Kommunikation mit Mitmenschen, und seien sie einem noch so nah, nicht ans Tageslicht kommen. Aber in der Schrift und besonders im Gedicht brechen sie aus. Der Leser kann dann den Grund dieser Gefühlswallungen nur erahnen, er kann sie deuten und entsprechend dem eigenen Gemütszustand umdeuten. Und er hat es in diesem Moment bereits mit einem aus den Gefühlswallungen auferstandenen Kunstwerk zu tun – nämlich mit einem Gedicht.

Vor sechs Jahren erschien im Engelsdorf Verlag ein Gedichtband, der diesem Entstehungsprozess von poetischer Kunst sehr gut nachvollziehbar Rechnung trägt. Zu Füßen Edens ist eine Gedichtsammlung, die in vier Chroniken aufgeteilt ist und mit zwei Widmungen (James Douglas Morrison und An den Nazarener) endet. Der Autor dieser Gedichte, Manuel Junginger, ist ein junger Mann, 1981 im rumänischen Timişoara / Temeswar geboren und in Landshut zu Hause. Was er da gedichtet hat, ist reine Poesie der Auseinandersetzung  mit dem Schicksal.

Der Poet sitzt schon im ersten Gedicht Zu Füßen Edens und lässt uns rätseln, ob er am Ufer des Flusses Eden (als Sorgenhalde) mit seinem Schicksal oder vielleicht sogar mit dem biblischen Wonne-Garten Eden hadert: „Zu Füßen Edens will ich einkehren, / Wenn der Abschied kommt im schwarzen Gewand.“

Wie auch immer, der Ausdruck der Gefühle muss ja schlussendlich zu etwas führen, und wenn’s nur die Unsterblichkeit ist. Im Poetenduktus: „Um zu bleiben für die Ewigkeit.“ (Botschaft an den Dichter). Die Ewigkeit hat leider auch immer etwas mit Endzeitstimmung zu tun. Und daran mangelt es Manuel Jungingers Lyrik wahrlich nicht. Das ist zwar nicht besonders erbaulich für den Leser, aber auch nicht deprimierend. Und Letzteres könnte an der Form der Gedichte liegen, die zurück in die Zeit der deutschen Klassik und Romantik weist. Junginger bleibt dem Kreuz- und Paarreim treu und bedient sich sogar in einem Sonett der Strophenform des 16. Jahrhunderts, um seine ambivalente Gefühlswelt – Hoffnung in den Quartetten und Enttäuschung in den Terzetten – in Poesie zu gießen. Mit Der müde Priester ist Junginger hier ein Meisterstück der Dichtkunst gelungen. Dabei bleibt er in der Quartett-Strophe Petrarca und Shakespeare treu (abab, cdcd), wählt in den zwei Terzetten aber dann die Reimform cde, cde und nicht efef, gg.

Die Gedichte in diesem Band haben die Gabe, auch wenn viele sehr düster klingen, Bilder im Kopf des Lesers zu generieren, was dazu führt, dass sie nicht vor übermäßiger Introvertiertheit ins Unverständliche gleiten. Dieser Gefahr hat Manuel Junginger bewusst entgegengewirkt, weil er erkannt hat, dass „Es ist als, als könnten Worte malen, / Sie bringen dich an jeden fernen Ort.“ (Weit weg von allem).

Obwohl für einen noch jungen Dichter da schon ziemlich viel Hoffnungslosigkeit durch die Verse mäandert, gibt es auch bei ihm ein Licht am Ende des Tunnels. Dabei wird es niemand wundern, dass dieser Schein zuerst mal gewaltig irrlichtert, bevor er so etwas wie ein Herantasten an Gegenwart und Zukunft, sogar im Imperativ, spüren lässt: „Die Ahnen flüstern im Morast der Zeit, / Fürchterliche Dinge haben sie uns zu sagen. / [...] / Wir sollten leben, lasst uns endlich leben, / Uns sollte bewusst werden, dass wir existieren.“ (Im Morast der Zeit). Vielleicht hilft es dem Leser, wenn hier erwähnt wird, dass die Eltern des Autors aus den ehemals deutsch geprägten Dörfern des Banats Bruckenau / Pişchia (Mutter) und Jahrmarkt / Giarmata (Vater) stammen.

Verzweifelt hier ein Dichter an seiner Welt? Nein. Er ist nur ehrlich. Zumindest so kommt seine Lyrik rüber. Und zum Schluss erklingen sogar sozialkritische Töne. Natürlich wäre Junginger ein schlechter Dichter, könnte er nicht überhöhen – auch in seinen dunkelsten, von Sarkasmus geprägten Visionen: „Es wird Frieden sein auf Erden, / Weder Hass noch Lüge werden flüstern; / es wird eine neue Erde werden, / Nur vom Menschen wird sie nichts mehr wissen.“ (Es wird Frieden sein).

Das ist aber eine verdammt schöne Vorahnung. Auch wenn wir Menschen nichts mehr von ihrer (eventuellen) Verwirklichung haben werden. Deswegen dem Dichter zu zürnen, wäre trotzdem grundfalsch; sich hingegen seiner Fantasiewelt mit Dämonen, Tod, Gefangenschaft, Misstrauen, Todessehnsucht, aber auch mit Demut vor der Natur und Liebe zu nähern, kann durchaus eine erbauliche Angelegenheit sein.

„Ich bin nur ein Poet, doch du bist Poesie - / Leben, ohne dich fänd' ich diese Worte nie.“ (Dem Leben).
Anton Potche

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