Matthias Kehle
ist ein im deutschen Literaturbetrieb gut vernetzter Schriftsteller. Er wurde
1967 in Karlsruhe geboren und studierte an der Universität Heidelberg Germanistik
und Soziologie. Bei Wikipedia sind 18 Werke von ihm (Autor & Mitautor)
gelistet. Das letzte ist ein zweisprachiger Gedichtband Fundus / Stoc. Den Originals sind in dieser Publikation die rumänischen Übersetzungen
gegenübergestellt. Der Herausgeber, Schriftsteller und Übersetzer Traian Pop Traian zeichnet für die
rumänische Version von Kehles Gedichten. Das Vorwort des 86 Seiten starken Büchleins (ISBN:
978-3-86356-149-9, 14,00 €) wurde von Cătălin
Dorian Florescu verfasst.
Die Septemberausgabe der Temeswarer Literaturzeitschrift
ORIZONT kündigt für den Herbst das Erscheinen „einer Anthologie“ mit Gedichten
von Matthias Kehle an, von denen
einige in der rumänischen Variante auf der gleichen Seite (23) den Lesern
präsentiert werden. Ich nehme an, dass die rumänischen Redakteure von ORIZONT
mit der angekündigten Anthologie den im POP-Verlag erschienenen Gedichtband Fundus / Stoc meinen, der schon auf dem
Markt ist.
Das allein erklärt noch nicht, warum ORIZONT von dieser
Neuerscheinung (wenn auch leicht irritierend – es sei denn, es erblüht wirklich
auch noch eine Blumenlese in diesem Herbst mit Gedichten von Kehle) berichtet. Näher kommen wir
einer Erklärung aber schon, wenn wir berücksichtigen, dass Traian Pop Traian ein gebürtiger Kronstädter (Brașov) mit Studienzeit in Temeswar ist und Cătălin Dorian Florescu in Temeswar (Timișoara) geboren wurde. Dazu
sollte man sagen, dass Traian Pop Traian
im Jahre 2002 den Preis des Rumänischen Schriftstellerverbandes der Filiale
Temeswar, die auch ORIZONT herausbringt, erhielt. Und Florescus schriftstellerischer Werdegang im deutschsprachigen Raum
wird seit Jahren wohlwollend in Rumänien und besonders in Temeswar verfolgt.
Dass Pop sich seit vielen Jahren als
Verleger bemüht, rumänische Literatur deutschen Lesern schmackhaft zu machen,
ist keine Neuigkeit. Umso erfreulicher ist es, jetzt feststellen zu können,
dass man auch versucht, den umgekehrten Weg zu gehen – also vom Deutschen ins
Rumänische. Die Netzwerke in die alte Heimat scheinen noch intakt zu sein. Und
das ist gut so, sonst wäre der Name Matthias
Kehle nie und nimmer in einer rumänischen Literaturzeitschrift anzutreffen.
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Die im Zweiwochenrhythmus in
München erscheinende Wochenzeitung BANATER POST hat am 20. August einen Nachruf
von Halrun Reinholz „zum Tode des
Filmregisseurs Răzvan Georgescu“, der „nur 51 Jahre alt geworden“ ist,
veröffentlicht. Er lebte als Lenau-Schüler und danach als Erwachsener ein
„Dasein als (rumänische) Minderheit in der (rumäniendeutschen) Minderheit“.
Die Leser der BANATER POST konnten
dann in der Doppelnummer vom 15. September das Redemanuskript eines Vortrages
lesen, den Răzvan Georgescu beim Lenau-Schultreffen
2011 in Neusäß gehalten hat. Der Text trägt in der Zeitung die Überschrift Ein Escu unter Deutschen – ewig Fremder oder
überall zuhause? So und nicht anders wird man vom Kind rumänischer Eltern
zum deutschen Intellektuellen. Ich könnte mir vorstellen, nicht der Einzige zu
sein, der diesen Essay zweimal gelesen hat. Sprachwitz gepaart mit einer gut
meinenden Beobachtungsgabe ermöglichen einen Lesegenuss, der stark mit dem
Veröffentlichungsgrund dieses Textes kontrastiert. Dabei hat man nie den
Eindruck, dass sein Autor sich, bei aller Sympathie für die deutsche Sprache
und Kultur, von seiner nationalen Identität, also dem Rumänischen, entfernt.
Und wie dieses angeborene
Rumänischsein sich im Alltag Răzvan Georgescus manifestierte, kann
man in der oben erwähnten Nummer der Literaturzeitschrift ORIZONT auf Seite 24
in einem berührenden Nachruf von Cătălin
Dorian Florescu nachlesen. Dort erfährt der Leser schon im ersten
Absatz, wie mächtig Sprache und insbesondere die Muttersprache auf offene
Gemüter wirkt: „Ich habe Răzvan Georgescu vor mehr als 10 Jahren kennengelernt,
in Amsterdam. Wir waren drei Freunde und Schulkollegen aus Temeswar und
unterhielten uns, auf der Suche nach einem Restaurant, laut auf der Straße. Răzvan,
der dort an einem Dokumentarfilmfestival teilnahm, hat uns gehört,
überquerte die Straße und schloss sich uns an.“
So entstehen dauernde
Bekanntschaften und sogar Freundschaften. Und wenn die Protagonisten dann auch in
der gleichen Mehrsprachigkeit beheimatet sind, und das sogar noch im literarischen
und kulturellen Spektrum, dann sind Nachwirkungen über den Tod hinaus keine
Seltenheit. Răzvan Georgescu und Cătălin Dorian Florescu gehör(t)en zu
diesen kreativen Wanderern zwischen den Sprachen.
Anton Potche
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