Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. So weiß es
der Volksmund. Das hat den dreiundvierzig Jahre alten und dem Alkohohl nicht
abgeneigten Journalisten Gerold Plassek aber nicht davon abgehalten, nach
anfänglicher Gleichgültigkeit nach einem mysteriösen Geldspender zu suchen. Wer
nun erwartet, hier etwas über einen spannenden Krimi zu erfahren, den muss ich
enttäuschen.
So schreibt man also Bestseller. Wie Daniel Glattauer es mit Geschenkt
lehrbuchmäßig vormacht. Man findet eine wahre Begebenheit – hier eine Geschichte,
die sich 2011 in Braunschweig zugetragen hat - und stellt auf ihr mit Hilfe
eigener Lebens- und Berufserfahrungen das Gerüst eines Romans auf. Dann baut
man mit einer vor zum Schmunzeln anregenden Wortspielen („Es ist eben nicht
immer alles so, wie es aussieht, selbst wenn es verdammt danach aussieht.“) und
Sprachvariationen („Schon der Gedanke an einen Gedanken daran war
denkunmöglich.“) nur so strotzenden Sprache am Romanhaus, und zwar so lange,
bis man einfach den Spaß an der Arbeit verliert. Ob mit oder ohne Dach scheint Daniel Glattauer zumindest bei diesem
Romanbau nicht interessiert zu haben.
Geschenkt ist
unfertig. Er, der Romancier, hört irgendwann auf zu erzählen, ohne nur einen
einzigen der vielen Handlungsstränge fertig zu flechten, geschweige denn sie zu
verknoten. Er könnte eigentlich sofort einen Fortsetzungsroman anhängen. Mit
einem so liebenswürdigen Chaoten wie diesem Gerold, genannt Geri, der lange gar
nicht wusste, dass er neben einer Tochter aus einer geschiedenen Ehe auch noch
einen Sohn aus einer anderen geschiedenen Ehe hatte, würde das bestimmt
gelingen.
Was dem Leser von Geschenkt
nicht oder nur sehr schwer gelingen wird, ist eine dezidierte Parteinahme. Eine
Differenzierung in Gut und Böse ist nicht möglich. Wenngleich die Protagonisten
des Romans aus ganz verschiedenen Gesellschaftsschichten kommen. „Zoltans Bar
in der Schlachtgasse, die quasi“ Geris „verlängertes Wohnzimmer war, was
zugegebenermaßen kein gutes Licht auf [seine] Wohnverhältnisse warf“, kann man
sich leicht im Erdgeschoss eines Hauses vorstellen, ebenso wie man „diese
Teufelspraxis in der Margaretenstraße“, wo die ledige Zahnärztin „mit den
blonden kurzen Haaren und dem entzückenden […] Achzig-Grad-Übergang von der
entzückenden Kinnkante zum entzückenden Halsansatz“ praktizierte, problemlos in
einem lichtdurchfluteten Obergeschoss vermuten darf.
Vorstellen kann man sich bei dieser Glattauer-Schöpfung
viel. Auch, dass der bisher über 100.000 Mal verkaufte Roman ein Kinoerfolg
wird. Der für Das finstere Tal hoch
gelobte Regisseur Andreas Prochaska
hat sich angeblich der Verfilmung von Geschenkt
angenommen, schrieb der DONAUKURIER am 17. September 2015. Das könnte auch ein
Grund sein, mal wieder ins Kino zu gehen - falls es den Film gibt. Näheres dazu
konnte ich leider nicht ausfindig machen. Seine Existenz scheint so rätselhaft
wie der anonyme Spender in Geschenkt
zu sein.
Anton Potche
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