Mittwoch, 7. März 2018

Die Katze ist da

Das Haus verliert nichts, weiß der Volksmund. Und er hat Recht. Ja, man kann seine Klugheit sogar ausweiten: Das Stadtviertel verliert nichts, die Stadt verliert nichts etc. Vor einem guten Jahr hatte ich mich auf die Suche nach einer von der vielseitigen Künstlerin Sieglinde Bottesch gestalteten Plastik begeben. Eine farbige Katze wollte ich fotografieren. Ein grandios gescheiterter Versuch. Die Katze ließ sich nicht blicken. Obzwar sie da war, wo sie heute noch steht. Und ich bildete mir immer ein, auf meinem alten, treuen Drahtesel auch den verborgensten Winkel meiner Heimatstadt schon erkundet zu haben.

Weit gefehlt. Frau Bottesch persönlich hat mir in einem zufälligen und sehr angenehmen Gespräch erklärt, wo ihre von mir so sehnsüchtig gesuchte Katze seit Jahren Wind und Wetter trotzt: an der Kreuzung der Straßen Rossini und Pfitzner. Zwei Komponisten also. Kunst und Musik finden sich öfter als gedacht. Musik war in meinen Ohren auch, was die Multikünstlerin Sieglinde Bottesch zu diesen in ihrem Viertel seit Jahren stehenden farbenfrohen Tierskulpturen erzählt hat.

Musik auch mit Dissonanzen, wie man sie in unseren Gegenwartskompositionen schon mal zu hören (oder verspüren?) bekommt. 30 Tiere waren es 2005, die das Stadtviertel im wahrsten Sinne des Wortes bunt machten. Sieben haben bis heute überlebt, der Rest fiel Vandalen zum Opfer. Dissonanzen eben in einem Komponistenviertel.

Und die angenehmen Töne? Sie lagen für mich in Frau Botteschs Worten. Sie sei gar nicht die Gestalterin der freundlichen Tiere aus Holz. Nur die Idee wäre die ihre gewesen. Und nur beim Ausmahlen hätte sie den kleinen Künstlern aus der Schule an der Ungernederstraße mit Rat zur Seite gestanden. Also handelt es sich hier um ein Gemeinschaftswerk der Schüler aus dem Norden Ingolstadts. Sie sind die Hauptverantwortlichen für die Form. Es sind die von Kindern entworfene Konturen, die mich, und nicht nur mich, so faszinieren. Heißt das nicht, dass wir wieder durch Kinderaugen blicken können, und das weit jenseits der Sechzig?

Was sich nicht wandelt und in stetem Weiterentwickeln ist, kann auch keine echte Kunst sein. So auch das selbst zu Kunst gewordene Konzept (Kunstkonzept) der in Siebenbürgen geborenen Konzeptkünstlerin Sieglinde Bottesch. Es wird sich in den kommenden Jahren viel, sehr viel tun in diesem Ingolstädter Stadtteil mit den Hochhäusern und den Schluchten zwischen ihnen. Gleich in der Nachbarschaft wird die Landesgartenschau 2020 stattfinden. Was kann dazu besser passen als farbenprächtige Tiere, erträumt, gesehen und gestaltet von Kinderaugen und –händen. Die sieben noch lebenden Kunsttiere im Nordviertel sollen Gesellschaft bekommen. Und kein Geringerer als Audi will sich bei Frau Botteschs Konzept engagieren. Die neuen Tiergesellen sollen aus Metall sein. Und die Kinder werden ihre volle Freude am Ausmahlen haben.

Und die gesuchte Katze? Natürlich haben wir, meine Frau und ich, sie gefunden, fotografiert und dabei über das Kunstverständnis der so vielseitigen Künstlerin 
Sieglinde Bottesch 
philosophiert. Wie kann man ein solches Engagement im öffentlichen Raum wohl nennen? Kunstaltruismus kommt hier der Wahrheit bestimmt sehr nahe.

Anton Potche

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen