Johannes Mario
Simmel: Der Stoff aus dem die Träume sind, Roman; Bertelsmann, Reinhard Mohn
OHG, Gütersloh (ohne Jahreszahl); 768 Seiten, Hardcover; (bei Internetanbietern
erhältlich)
Der Simmel-Band, den ich soeben zugeschlagen habe, stammt
aus der Ingolstädter Stadtbücherei und landete nach einer
Bücher-nach-Kilogramm-Aktion (1 kg = 1 Euro) in meinem Bücherregal. Jetzt habe
ich die 768 Seiten geschafft und bin selber geschafft.
Johannes Mario Simmel
(1924 – 2009) hat den Roman Der Stoff aus
dem die Träume sind 1971 geschrieben. Inspiriert hat er sich dabei aus
einer wahren Begebenheit, aber die Handlung so verschlüsselt, dass es
„unmöglich“ ist, „auch nur einem einzigen Menschen zu schaden“, wie es in einer
kurzen Einleitung heißt.
Durch sieben Kapitel zieht sich die Handlung des Romans
dahin, mal hurtigen Fußes, mal träge und für den Leser recht mühsam. Es sei
denn, man findet an abstrakten, unlogischen, ins Reich der Fantasie
verfrachtete Geschichten seine Freude.
Der Roman würde auch ohne Luise Gottschalk sehr gut
funktionieren. Nicht aber ohne zwei andere Gestalten. Der 36 Jahre alte Journalist bei BLITZ (Simmel hat jahrelang für
die Münchner Illustrierte QUICK gearbeitet), Walter Roland, und sein Kollege
Bert Engelhardt, Fotograf, fahren in ein Flüchtlingslager in der Nähe von
Bremen, eine sumpfige Gegend, um für eine Sozialreportage zu recherchieren. Man
schreibt das Jahr 1968 und nicht nur in Deutschland, sondern auch hinter dem
Eisernen Vorhang, besonders in der Tschechoslowakischen Sozialistischen
Republik (ČSSR) ist einiges los. Die Zeit ist also wie geschaffen, um aus einem
normalen Journalistenunterfangen, eine Spionagegeschichte mit allen Zutaten,
oft auch unappetitlichen, entstehen zu lassen. Zur Unterhaltung der Leser, was die voll goutierten und auch heute noch schätzen. Simmels 35 Romane haben bis 2016 eine Auflage von ca. 73 Millionen verkauften Exemplaren erreicht.
Als epische Großform bietet auch dieser Roman Spielräume für
verschiedene Abläufe, deren Verortungen Einblicke in unterschiedliche Milieus
ermöglichen. Da wäre zum einen die Redaktion von BLITZ mit ihrer Arbeitsweise
und vorgegebener Politik (von wegen unabhängiger Journalismus), das Leben in
einem Flüchtlingslager für Kinder und Jugendliche aus dem Ostblock, das Hausen
in einem Fünf-Sterne-Hotel und nicht zuletzt das Privatleben der Protagonisten.
(Wenn ich so viel gesoffen hätte wie Roland, wäre ich schon längst unter der
Erde.)
In der Spionagegeschichte sind die Hauptakteure des kalten
Krieges, Russen und Amerikaner, die Strippenzieher im Hintergrund. Die
Drecksarbeit, inklusive Messer in der Brust, machen Handlanger des gewaltsamen
Todes.
Versucht man, diesen Stoff
aus dem die Träume sind nach den Substanzschichten Handlung, Figur und Raum
zu beurteilen, so schwankt man zwischen Handlung und Figur als wertsteigerndes
Element. Ich würde schlussendlich leicht für die Figur tendieren, denn dieser
Journalist und Säufer Roland gibt als literarische Person schon etwas her, was
aber nicht heißt, dass man ihn gleich in eine Reihe mit Don Quijote (de Cervantes), Werther (Goethe)oder gar Hyperion (Hölderlin) stellen muss. Dieser
Simmel-Roman ist ja auch nur Unterhaltungsliteratur. Aber gute.
Anton Potche
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