Mittwoch, 27. Juni 2018

Auch die Donau fließt immer weiter


Was der Fußball uns gibt, ist mehr als die Spannung, das Unvorhergesehene, das Mitfiebern, der Rausch und der Schmerz. Er ist auch ein Abbild unserer Gesellschaft. Und das meine ich in globalem Maßstab. Man muss nur hineinhorchen in die Aussagen der statistikfesten Kommentatoren von Radio- und Fernsehsendern und man bekommt ein Bild von der Aussagekraft einer Sportart, eines Spiels mit dem Namen Fußball.

Ich habe mich seit beginn der WM 2018 vor die Flimmerkiste gesetzt und mir die eine oder andere Aussage von Kommentatoren in Stichworten notiert. Auf meinem Zettel sieht das bisher etwa so aus:
01.) Tormann vom Iran = in einer Nomadenfamilie groß geworden, den Stamm verlassen & in die Hauptstadt gegangen, als Autowäscher gearbeitet, um bei einem Fußballverein Fuß zu fassen.
02.) Tormann von Ägypten – vom Dorf vier Stunden Busfahrt, um zum Training zu kommen.
03.) Stürmer vom Iran in Schweden geboren und dort aktiv  - zweimal in der schwedischen Nationalmannschaft gespielt.
04.) Der Jüngste bei den Australiern ist im Iran geboren.
05.) Der Vater eines isländischen Spielers ist als Fernsehkommentator vor Ort.
06.) In Belo Horizonte war ein ganzer Krankenhausflügel für die Operation Neymars reserviert.
07.)Der Torhüter von Panama = Torhüter von Dinamo Bukarest.
08.) Einer der belgischen Spieler ist in Italien verpflichtet und verteilte auf Heimaturlaub Essen & Getränke an Obdachlose = ganz unauffällig. Fans haben ihn gesehen + Nachricht verbreitet.
09.) Bei den Senegalesen spielt ein gebürtiger Brasilianer.
10.) Der Trainer von Argentinien = von Beruf Bankkassierer.
11.) In der Mannschaft Nigerias = ein gebürtiger Russe und ein gebürtiger Berliner.
12.) Bei der Schweiz spielen gebürtige Cosovo-Albaner, Mazedonier, Bosnier = ausgepfiffen von serbischen Fans.
13.) Alle Engländer spielen in England.
14.) Trainer von Senegal hat viele Familienangehörige in einem Feuer verloren.
15.) Senegal = nur ein Spieler spielt auf dem afrikanischen Kontinent – in Guinea.
16.) Maradona tanzt siegestrunken mit einer Dame in der VIP-Loge und der Fernsehkommentator meint lakonisch zu diesen im wahrsten sinne des Wortes bewegten Bildern: Hoffentlich geht es ihm gut!
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Public Viewing in Ingolstadt
Deutschland – Südkorea 0:2
Ja, man könnte ewig fortfahren, um den globalen Aspekt dieser faszinierenden Sportart zu begreifen. Ich hatte mir vorgenommen, solange mitzunotieren, wie unsere deutsche Mannschaft im Turnier bleibt. Jetzt ist sie ausgeschieden. Nicht weil sie schlecht gespielt haben, unsere Jungs. Nein, nein. Weil der Fußball längst ein Weltphänomen geworden ist, in dem unzählige Akteure auf hohem und sehr hohem Niveau agieren. Und weil es das Spektakulärste und Faszinierendste an jeder Sportart ist, dass auch Weltmeister verlieren können. Und vor allem, dass man nie weiß, wann und wie. Der Fußball wird auch nach dem heutigen Tag weiter leben, so wie auch die Donau immer weiter fließen wird.

Anton Potche

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