Montag, 16. Juli 2018

Kein Vergleich und trotzdem …


Natürlich gibt es gar keinen Vergleich zwischen der 1821 in Jahrmarkt / Banat / Rumänien errichteten Wälter-Orgel und der 1986 von Georg Jann erbauten Orgel in der Ingolstädter Kirche Maria de Victoria. Und trotzdem fiel mir Erstere ein, als ich kürzlich einem Händel-Konzert auf der Jann-Orgel beiwohnte. Und diese Erinnerung war besonders ausgeprägt als drei der Eight Pieces for a Musical Clock sowie das Orgelsolo Largo e staccato – Adagio aus Concerto F-Dur für Orgel und Orchester HWV 295 von der Empore der Ingolstädter Asamkirche erklangen.

Es war die Klarheit dieser nicht von Harmonien überlasteten Melodien, die mich an den Klang der Jahrmarkter Orgel denken ließ … und alles was damit an reichen Erinnerungen, die einem ja bekanntlich niemand mehr nehmen kann, zusammenhängt. Dabei dachte ich nicht an die Orgelmusik, die ich als Kind und Jugendlicher sporadisch – ich war nie ein standfester Christ – in einem Gottesdienst oder einer Hochzeit hörte, sondern an die CD-Einspielung, die der verdienstvolle Organist und Musikwissenschaftler Dr. Franz Metz im Jahre 1990, als die letzten Deutschen und damit die fast letzten Katholiken (es gibt noch wenige rumänische und ungarische katholische Seelen) auf gepackten Koffern saßen, um ihr Heil in Deutschland zu suchen, vorgenommen hat.

Auch da sind einfache Melodien zu hören … und der Klang von anno dazumal. Auch er bleibt neben dem Klang der Blasmusik für mich Erinnerung. Und so wie es mir beim Besuch eines Live-Kirchenkonzertes geht, könnte es vielen meiner Banater Landsleute gehen: Sie könnten sich an den auf CD verewigten Klang ihrer Kirchenorgel erinnern und mehr noch, sich ihre Töne wieder anhören. Auf der Doppel-CD Banater Orgeln hat Dr. Franz Metz den Klang der Kirchenorgeln aus Kirchen folgender Ortschaften festgehalten: Jahrmarkt, Orzydorf, Alexanderhausen, Perjamosch-Altdorf, Perjamosch-Haulik, Großsanktnikolaus, Altbeschenowa Großsanktnikolaus / Ratzsanktpeter, Orawitza, Reschitza, Arad – Synagoge und Temeswar - Notre Dame (CD 1) sowie Gertjanosch, Lenauheim, Lovrin, Billed, Guttenbrunn, Fibisch, Lippa, Neudorf und Traunau (CD 2).

Dr. Franz Metz wäre nicht der akribische Wissenschaftler und Forscher, für den man ihn hält, würde nicht auch dieser Produktion ein informatives und sehr ansehnlich gestaltetes Booklet beigefügt sein. Farbfotos der hier erklingenden Orgeln bereichern die Vitas der Instrumente, die auch unsere Lebensläufe im Banat von der sprichwörtlichen „Wiege bis zur Bahre“ begleitet haben.

Auf der Orgel in Jahrmarkt hat Dr. Franz Metz vier kurze Stücke vom Deutschböhmen Johann Baptist Peyer (um 1678 – 1733) eingespielt. Mit den Händel-Miniaturen, die ich im eingangs erwähnten Konzert gehört habe, haben diese Peyer-Kompositionen die Kürze gemeinsam. Ob die zwei Komponisten von der Existenz des jeweils anderen wussten, ist mir nicht bekannt. Möglich ist es allerdings, denn Georg Friedrich Händel (1685 – 1759) war mit seinem Engagement in England schon zu Lebzeiten eine Berühmtheit. Also wäre es nicht ganz von der Hand zu weisen, dass zumindest Peyer von Händel oder vielleicht sogar etwas von seiner Musik gehört hatte.

Sicher ist allerdings, dass die Aufnahmen aus der Jahrmarkter und so manchen anderen Kirchen aus dem Banat, zu Recht als historisch betrachtet werden können, während die sonntäglichen Orgel- und Orchesterkonzerte in Ingolstadt reale Gegenwart und hoffentlich auch Zukunft sind. Und wenn sie den einen oder anderen Konzertbesucher zu musikalischen Erinnerungen in stillen Hirn- und Herzkämmerchen anregen, werden sie auch weiterhin ihren Zweck erfüllen, ebenso wie die Doppel-CD von Dr. Franz Metz, die man zum Preis von 16,50 € plus Versand über die Homepage http://www.edition-musik-suedost.de/ erwerben kann.

Anton Potche

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