Umso erstaunter war ich dann, als ich feststellen musste,
dass seit der Uraufführung von Achtundsechzig
– Eine musikalische Gemengenlage, staunend belauscht von Tobias Hofmann am
6. Dezember 2018 schnell fünf Aufführungen (der Saal hat nur etwas über 100
Sitzplätze) ausverkauft waren. Das muss wohl so etwas wie ein Bunter Abend sein, wie wir ihn vom
Deutschen Staatstheater Temeswar kannten. Auch das waren in den 1970er und
1980er stets gut besuchte Aufführungen. Als es dann der Rechtfertigungen zur
Genüge reichte, um so einem Bunten Abend
am Ingolstädter Haus beizuwohnen, waren wie erwähnt alle Karten weg. Doch dann
tauchte auf der Homepage des Theaters unerwartet eine Zusatzvorstellung am 20.
Dezember auf und ich bestellte sofort zwei Karten. (Der Ingolstädter Intendant Knut Weber sagte kürzlich in einem
Zeitungsinterview: „Mehr können wir nicht spielen.“)
Das muss ich jetzt wohl nicht mehr erwähnen: Der Abend war
natürlich ausverkauft. Und das erweckte meine ersten Erinnerungen an meine Zeit
im Banat schon beim Betreten des Kleinen Hauses. Schlangestehen. Die
Eintrittskarten enthielten den Hinweis auf freie Platzwahl. Wer zuerst kommt …
Sie wissen schon. Obwohl wir uns zeitig auf den Weg gemacht hatten, waren
bereits ca. 50 Besucher vor uns. Also standen wir ungefähr 20 Minuten in der
Theaterbesucherschlange, bis dann die Tür zum Einlass geöffnet wurde. Aber
alles gut. Wir fanden einen guten Platz. Schon in der Schlange dachte ich mir,
was wollen diese Leute alle hier? Die wissen doch, wie es damals war. Darauf
deutete das geschätzte Alter der großen Mehrheit hin. Wir aber, meine
Angetraute und ich, lebten 1968 in unserem beschaulichen Jahrmarkt: meine Frau
noch als kleines, zartes Schulmädchen in Uniform und ich als Pubertierender auf
dem Sprung in die große, fremde Kreishauptstadt Temeswar.
Danach begann sich Leben hinter dem langsam zur Seite gleitenden Vorhang zu rühren. Und wie. Einer der zwei singenden Chronisten hatte auf eine der links stehenden Schultafel mit weißer Kreide Rock ’n Roll geschrieben. Auf einer improvisierten Bühne - man sah noch die Räder des Anhängers – rockten zwei Gittaristen, ein Kayboarder und ein Schlagzeuger. Und die Gammler tanzten dazu. Lange Haare, Aufmüpfigkeit ausstrahlend und immer frecher, sich bis zur Kommunennacktheit im Rausch des Rock ’n Roll, der dann irgendwann in reinen Rock mündete, steigernd. Musik, die ohne Drogen nur schwer auskommt. Bilder, die nach Vergleichen lechzten. Also ganz hinter dem Mond lebten wir doch nicht. Wir ließen uns doch damals im Banat auch die Haare etwas länger wachsen – Malagambafrisuren nannten wir das, dachte ich, aber meine Frau widersprach, Malagamba nannte man die glattgestriegelten Scheitelfrisuren in den ’50gern, behauptet sie - und die Mädchen trugen Minijup (aus dem rumänischen „minijupă“). Und sammelten Nick und Martin in der Hinteren Reihe nicht schon damals LPs mit englischer Musik und kannten sich aus in den ausländischen Hitlisten?
So ging das 90 Minuten lang vorwärts in eine neue Zeit. Bis
sogar der am Anfang so missmutige Spießersohn mitmachte. Es gab öfter
Szenenapplaus - nicht verwunderlich bei hervorragenden schauspielerischen und
musikalischen Leistungen. Die Darsteller agierten auf hohem stimmlichem Niveau.
Ausgedacht hat sich dieses kurzweilige Singspiel Tobias Hofmann. Er
zeichnet auch für die Regie und die musikalische Leitung und spielt selbst am Schlagzeug. Als
Darsteller werden im Programmheft Andrea
Frohn, Renate Knollmann, Jan Gebauer, Ralf Lichtenberg, Peter
Reisser und Richard Putzinger genannt.
Sekundiert wird Tobias Hofmann von Dieter Holesch (Gitarre), Ludwig Leininger (Bass) und Josef Reißle (Keyboard).
Das Bühnenbild und die Kostümation (Katrin Busching) hätten für ein Foto zu einer Besprechung dieser
Aufführung schon einiges hergegeben. Aber leider ist es auch hier wie immer
öfter in unserem Alltag: „Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und/oder
Bildaufnahmen unserer Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt
untersagt sind. Zuwiderhandlungen sind nach dem Urheberrechtsgesetz strafbar!“
(Programmblatt). Was sagte doch Theaterregisseur Claus Peymann über die in allen Lebensbereichen grassierende
Einschränkungs- und Zwangsauflagenwelle: „Alles wird verboten in diesem neuen,
modernen Biedermeier.“ Da lob ich mir doch die Achtundsechziger!
Anton Potche
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