Toni Erdmann und Ines in Bukarest
Foto: SWR / Patrick Orth
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Das
tut er ab einem gewissen Zeitpunkt allerdings nicht als Winfried, sondern als
Toni Erdmann, ein kauziger Typ, mit schwarzer Perücke und überstehender
Zahnprothese. Natürlich hat die immer gestresste und unter dauerndem
Erfolgsdruck stehende Ines ihren Vater sofort erkannt. Er könnte ihrer Karriere
abträglich werden. Sie schickt ihn zwar weg, jagt ihn aber nicht davon. Dazu
ist die Tochter-Vater-Bande eben zu fest, ja sie entpuppt sich als
unzerreißbar. Aus dieser Unfähigkeit zur Trennung entwickelt sich ein
fesselndes Spiel mit vielen komischen Situationen, die es auch ermöglichen,
Einblicke in die Bukarester Geschäftswelt zu werfen. Die Betonung liegt aber
eher auf dem Innenleben der Managerwelt als auf Bukarest. Was sich dort so
zuträgt, kann überall in der Welt vorkommen. Das hat jedoch nichts mit
filmischer Belanglosigkeit zu tun, sondern eher mit Filmkunst. Und die liegt in
diesem Fall in der Schauspielkunst hoher Schule, die hier von den zwei
Hauptdarstellern geboten wird.
Ines
(Sandra Hüller) ist total verärgert.
Ihre Blicke in die Runde, ihr unaufhaltsames Spähen, kommt er, kommt er nicht,
was fällt ihm nicht noch alles ein, erzählen Bände. Man muss dieses Ertragen
als Darstellerin erst einmal glaubwürdig hinkriegen. Die verzwickten und höchst
komischen Situationen im Salon, die Nacktszenen, die den Zuschauer wohl an
Ines’ Verstand zweifeln lassen, und nicht zuletzt die so zauberhaft gespielte
Unfähigkeit zum Zürnen werden sehr überzeugend von Sandra Hüller gemeistert. Es dreht sich in diesem Streifen um ein psychologisches Spiel und nicht um eine Aneinanderreihung lustiger Szenen,
aber auch nicht um ein Tränen generierendes Drama. Und schon längst nicht um
Gut und Böse und zum Schluss um Sieg und Niederlage.
Es
geht eigentlich mehr um ein großes Rätsel: Warum macht Winfried, alias Toni
Erdmann, das alles? Dieses Geheimnis dem Zuschauer mit auf den Heimweg zu
geben, ist die schwere Aufgabe des grandiosen Peter Simonischek. Sein Toni Erdmann ist eine lästige und gleichsam
liebenswerte Figur. Man kann ihm trotz aller Schrullen nicht böse sein. Simonischek demonstriert hier die Kunst
des intensiven Spiels mit kargen Worten und zurückhaltender Gestik.
Maren Ade hat bei diesem
berührenden Filmepos Regie geführt. Und sie ist auch hinausgegangen aufs Land,
dort wo das Leben der meisten Rumänen sich abspielt. Es sind keine
dokumentarischen Aufnahmen, die sie uns gemeinsam mit Kameramann Patrick Orth zeigt, und auch keine
moralisierenden. Sie lässt ihren unterschwelligen Humor spielen und
zeigt uns unter anderem auch, wie sich ein Mensch in Notdurftbedrängnis in
einem fremden Kulturraum verhält. Und vor allem wie die Dorfmenschen auf das
linkische, unsichere Auftreten Toni Erdmanns reagieren. Solche kleinen
Nebensächlichkeiten entwickeln sich zu Höhepunkten des Handlungsstranges. Das
lässt den Zuschauer nicht ermüden. Er merkt kaum, dass der Film seinem Ende
zurollt, und wünscht sich dass es weitergeht, auch dann noch, als Ines und ihr
Vater längst wieder zurück in Deutschland sind.
Toni Erdmann; D 2016; mit Peter Simonischek, Sandra
Hüller, Michael Wittenborn u.a.; Regie und Buch: Maren Ade; Kamera: Patrick
Orth; 162 Minuten.
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