Montag, 23. August 2021

Mit Nutzen gelesen

Johann Böhm: Die Deutschen in Rumänien und die Weimarer Republik 1919 – 1933 – Mit einem Literaturbeitrag von Dr. Wolfgang Knopp; Verlag des Arbeitskreises für Geschichte und Kultur der deutschen Siedlungsgebiete im Südosten Europas e.V., Ippesheim, 1993; ISBN 3-928389–02-5; 299 Seiten; 32,50 DM (Mit Glück findet man noch Exemplare im Internet.)

Zum Ende des Ersten Weltkrieges (1918) setzte Rumänien sich aus den Gebieten des alten Königreichs Rumänien zusammen: Oltenien, Muntenien, Moldau und Dobrudscha. In diesen Provinzen ohne verwaltungstechnische Bedeutung, auch Altreich oder Regat genannt, lebten (laut Monitorul Oficial vom 7. Oktober 1925) über 7.200.000 Menschen. Dieses eher kleine Land an der Grenze zwischen Orient und Okzident wurde durch die Ereignisse von 1918/1919 zu einem großen Land mit erheblichem Gebiets- und Menschenzuwachs. Großrumänien (România Mare) war aus einem politisch klug gesteuerten Volkswille entstanden. Plötzlich verwaltete man von Bukarest aus ehemalige ungarische (Siebenbürgen, Banat, Marmarosch-Gegend), österreichische (Bukowina), russische (Bessarabien) und bulgarische (Neu-Dobrudscha) Gebiete. Darin lebten annähernd 16 Millionen Menschen, also doppelt so viele wie vor dem Krieg. Und die gehörten verschiedenen Nationalitäten an: Rumänen, Ungarn, Deutsche, Ruthenen, Ukrainer, Russen, Juden, Bulgaren, Türken, Tataren, Zigeuner, Serben, Kroaten, Slowaken, Tschechen, Polen und andere kleine Volksgruppen.

Der Historiker Dr. phil Johann Böhm (*1929) hat sich in diesem Buch vor allem seinen deutschen Landsleuten – er ist Siebenbürger Sachse – angenommen und versucht, sie in ein Verhältnis zur Weimarer Republik zu stellen. Was im Buchtitel allerdings mit Die Deutschen in Rumänien und die Weimarer Republik angekündigt wird, hält nicht, was es verspricht – die angedeuteten und dann doch eher sporadischen Beziehungen betreffend. Lediglich im dritten Kapitel geht der Autor auf die Förderung der Deutschen in Rumänien durch deutsche Schutzbünde und Volkstumsinstitutionen ein.

Böhm schreibt dazu: „Die Beschäftigung mit den Auslandsdeutschen wurde erst in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts, also im Wilhelminischen Deutschland, auf die Tagesordnung deutscher Politik gesetzt, zuerst jedoch nur als Angelegenheit einiger weniger Liebhaber- und Spezialistenkreise. Zu diesem Zeitpunkt überdeckte die folkloristische Neugier eine bewußte nationale Anteilnahme oder außenpolitische Kalkulation.“ Es wäre natürlich gut gewesen, wenn es auch dabei geblieben wäre. Das sollte sich nach dem Ende der Weimarer Republik grundlegend ändern, als man frisches Kanonenfutter im Dritten Reich dringend benötigte. Aber das gehört nicht mehr zur in diesem Buch behandelten Thematik.

Die Deutschen in Rumänien hatten nach ihrer Eingliederung in den neuen Staat auch genug mit sich selbst zu tun. Und es ging nicht immer friedlich und gesittet zu. Dabei hatten die unterschiedlichen (geschichtlich und regional bedingt) deutschen Volksgruppen oft konträre Interessen und selbst innerhalb der Ethnien brodelte es zeitweise gewaltig. Aufs Banat bezogen heißt es: „Diese innervölkischen Entwicklungen brachten es mit sich, daß sich die verschiedenen politischen Lager der schwäbischen Bevölkerung auf die bitterste Weise bekämpften. Die kleinliche und schikanöse Art, in welcher der Bruderzwist ausgetragen wurde, der eruptive Charakter in seinen emotionalen Begleiterscheinungen hatte nur wenig gemein mit einer machtvollen Disziplinierung einer unbequemen Minderheit durch eine lavierende Volksgemeinschaft.“

Das allerdings sind durchaus Gemeinsamkeiten mit der Weimarer Republik. Dort gingen die Gegner auch nicht mit Samthandschuhen aufeinander los. Es war also da wie dort spannend – wie eben überall dort, wo politische Kräfte sich frei entfalten können. Damit war leider irgendwann da wie dort Schluss: in Deutschland nach 1933 und in Rumänien nach 1945.

Das Buch enthält neben den geschichtlichen Fakten und Analysen auch einen reichen Anhang mit Tabellen, Dokumenten und einem hilfreichen Personenregister. Nicht unerwähnt sollte bei einer Besprechung dieses Buches der Essay Die deutschsprachige Literatur in Rumänien 1918 – 1933 von Wolfgang Knopp (*1946), der eine auflockernde Ergänzung zu den eher doch spröden geschichtlichen Daten ist, bleiben. Man darf raten, welche thematische Gemeinsamkeit alle so unterschiedlichen deutschen Regionalliteraturen Rumäniens (Banat, Siebenbürgen, Buchenland) haben ... Genau: Heimat. Oder „Dorfrealismus“, wie Wolfgang Knopp das nennt. Durch diesen Beitrag ist dieses Buch mehr als ein Nachschlagewerk. Es verströmt auch den Hauch eines Lesebuchs über die Deutschen in Rumänien zur Zeit der Weimarer Republik in Deutschland. Mir hat es schon öfter Daten und Fakten geliefert. Aber erst jetzt habe ich es (2018) von A bis Z durchgelesen. Mit Nutzen.

Anton Potche

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