Montag, 13. Dezember 2021

Banater Stimmungsbilder nach dem I. Weltkrieg

Walter Engel & Walter Tonța (Hg.): Die Banater Schwaben nach dem Ersten Weltkrieg – Kulturelle Kontinuität und neuer Aufbruch – Beiträge der 50. Kulturtagung in Sindelfingen – 8./9. November 2014; Landsmannschaft der Banater Schwaben – Landesverband Baden-Württemberg, Schlossstr. 92, 70176 Stuttgart; 2015; ISBN 978-3-00-050801-1; 112 Seiten; 10 EURO.

Kulturelle Kontinuität und neue[n] Aufbruch hatten wie viele Völker und Volksgruppen auch die Banater Schwaben nach dem Ersten Weltkrieg (übrigens auch nach dem Zweiten) dringend nötig. Mit diesem Untertitel umreißen die Herausgeber der Broschüre zur Kulturtagung 2014 Sindelfingen ein nicht unerhebliches Problemfeld, mit dem sich diese deutsche Volksgruppe im Südosten Europas während und nach dem Krieg konfrontiert sah. Kontinuität und Aufbruch fußen eigentlich auf gegensätzlichen Ansprüchen und generieren daher auch Konfliktsituationen. Die Stimmung jener Zeit im Banat ist aus sechs hier veröffentlichten Beiträgen nachvollziehbar.

Hans-Heinrich Rieser (*1953) schildert in einem mit Tabellen und Landkarten bereicherten Referat die Folgen der Teilung des Banats für Wirtschaft, Infrastruktur und Bevölkerung. Dabei hält er fest, dass „die geschilderten Umbrüche und Verwerfungen durch die Zerschlagung des Banats sich kaum mit exakten statistischen Daten untermauern“ lassen. Also kein leichtes Terrain für Historiker: die Geschichte des Banats.

Einen anderen Forschungsweg schlägt Luzian Geier (*1948) ein. Er durchforstet als begnadeter Heimatkundler (ohne Berufung ist diese Art der Forschung nicht möglich) schriftliche Überlieferungen und schenkt sein Ohr den Nachkommen der damals betroffenen Generation. Sein Augenmerk gilt der Weltkriegszeit und [den] Daheimgebliebenen im Banat. Die menschlichen Probleme überwiegen und ermöglichen es dem Leser, sich mit etwas Fantasie leichter in den Alltag jener Zeit zu versetzen.

Mit der Banater Gemeinde Hatzfeld im Spannungsfeld der neuen Grenzziehungen nach dem Ersten Weltkrieg beschäftigt sich Walter Tonța (*1959). Die bereits 1919 vorgenommene Teilung des Banats war für die Hatzfelder ein jahrelanger Schwebezustand. „Fünfeihalb Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs erhielten die Ortsbewohner nun nach Ungarn und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen mit Rumänien ihr drittes Vaterland“, schreibt Tonța. Und trotzdem (oder vielleicht gerade darum) führte nach 1918 „die beschleunigte nationalpolitische Identitätsfindung der Banater Deutschen auch in Hatzfeld zu einer Intensivierung des kulturellen Lebens“.

Eduard Schneider (*1944) schreibt über diese Identitätsfindung, indem er einen „legendären Namen“ ins Spielfeld bringt und damit so manchen Leser aus den Reihen der Banater Schwaben aufhorchen lässt. Es gab schon vor Alexander Ternovits (*1929) einen Josefstädter Franzi, und zwar in der Person des Journalisten Heinrich Büchelbauer (1877 – 1933). Wir Jüngeren (so um die 60 bis 80) kennen Ternovits alias Josefstädter Franzi als den stets zu Späßen aufgelegten Schauspieler. Wenn unsere Groß- und Urgroßväter vom Josefstädter Franzi sprachen, meinten sie Heinrich Büchelbauer, der sich die mit „eigentümlichem Witz und Ulk“ reichlich beschenkte Temeswarer Vorstadtfigur auf den Leib geschrieben hatte. Eduard Schneider würdigt in seinem Essay sowohl den Journalisten Heinrich Büchelbauer mit seiner erkennbaren „Versiertheit in der Zeitungsarbeit“ und seinem an Roda Roda (1872 – 1945) erinnernden Humor als auch das Sprachtalent des auch „Temeswarerisch“ sprechenden und schreibenden Josefstädter Franzi der 1920er Jahre.

Gekrönt wird diese interessante Textserie mit einem Auszug aus dem Roman Kriegerdenkmal. 1914 – Hundert Jahre später von Franz Heinz (*1929). Walter Engel (*1942) schreibt in einer kurzen Einführung in den Roman:“Franz Heinz bezieht in sein Schreiben, so auch in diesem Roman, Landschaften und Kulturen ein, die er aus eigener Anschauung kennt, über Geschichte, die er studiert hat, und über Menschen, deren Gedanken- und Gefühlswelt, deren gewachsene Mentalität ihm vertraut ist aus eigenem Erleben.“ Als Banater Schwabe kann ich diese Vertrautheit der in dem kurzen Romanauszug geschilderten Bilder und Szenen nur bestätigen. Und als ein Potche kann ich mir jetzt auch leicht vorstellen, dass ich mich als Leser dieses Romans auf die Spuren des Bäckermeisters und Honvéds Franz Potichen begeben werde. Natürlich mit dem entsprechenden Kartenmaterial ausgestattet.

In einem weiteren Beitrag in diesem Buch nimmt sich Walter Engel der Gegenwart an. Und die ist durchaus erfreulich (Stand 2014). Mosaiksteine einer Kulturgeschichte der Banater Deutschen – Rückschau und Ausblick anlässlich der 50. Kulturtagung des Landesverbandes Baden-Württemberg nennt er seinen Rückblick auf ein halbes Jahrhundert erfolgreicher Kulturarbeit. Sein Fazit klingt realistisch: „Wir sind zwar ein kleines Völkchen im Übergang in die deutsche Kulturnation. Und die nächsten Generationen werden vieles über unsere in drei Jahrhunderten gewachsene eigenständige Kultur nur aus den Geschichtsbüchern erfahren. Die Zeugnisse dieser Kulturleistung sollten wir deshalb als Erlebnisgeneration nach Kräften vermitteln und als Teil des gesamten deutschen Kulturgutes bewahren.“

Ein Vorwort der Herausgeber, eine Eröffnung und Begrüßung von Josef Prunkl (Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg der Landsmannschaft der Banater Schwaben), ein Grußwort von Heribert Rech (MdL, Vorsitzender des Vereins Haus der Donauschwaben), das Programm des die Kulturtagung begleitenden Konzertes (mit Rotraut Arnold – Schauspielerin und Sängerin, Wilfried Michl – Bariton, Hermina Szabo – Violine, und Dr. Franz Metz, Klavier und Präsentation) sowie zahlreiche Schwarzweißfotos und Kurzvitas der Autoren (Referenten) ergänzen den Inhalt dieser Veröffentlichung.

Anton Potche

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