Montag, 20. Juni 2022

Zu Besuch bei den Künstlern

Natürlich hätte ich auch schreiben können Zu Besuch bei den Künstlerinnen und Künstlern. Weil ich aber von diesem schwachsinnigen Gendern nichts halte, habe ich die Überschrift so formuliert, wie sie mir in diesem Augenblick gerade zugeflogen ist. Kurz sei dazu nur noch angemerkt: Beim Betrachten der ausgestellten Werke konnte man beim besten Willen nicht feststellen, ob deren Schöpfer männlich oder weiblich waren. (Und VW-Mitarbeiter Alexander B., der partout kein oder keine „Audianer_in“ sein will, ist für mich ein Held.)

Es war Kunstmesse in Ingolstadt. Natürlich nicht zum ersten Mal. Aber auch nicht minder interessant als die vorangegangenen fünf Messen. Nun ist die kleine Großstadt Ingolstadt beileibe keine Messestadt. Aber sie hat einen Verein, der da heißt: Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Oberbayern Nord und Ingolstadt e.V. - kurz BBK. Und der ist eine Bereicherung für den örtlichen Kunstbetrieb und natürlich auch Kunstmarkt. (Diese Messe ist nur eine von zahlreichen anderen Kunstpräsentationen in der Stadt an der Donau.)

Im Messekatalog kann man unter anderem auch lesen, dass „das Publikum an dieser qualitätsvollen Kunstausstellung das breit gefächerte Kunstangebot aus der Region, vor allem aber den unmittelbaren Austausch mit den Künstler/-innen und die entspannte Atmosphäre im Klenzepark“ schätzt. Das scheint zu stimmen, denn obwohl nicht jeder Spaziergänger im Park auch ein potentieller Messegast ist – vielleicht sind 8 Euro für Kunstschauen dem ein oder anderen auch zu viel -, ist die Exerzierhalle doch ganz gut besucht, als wir, meine Frau und ich, sie am Samstagnachmittag, dem 11. Juni betreten. Draußen heiß, drinnen erträglich. Eigentlich die richtige Atmosphäre für einen Kulturtrip.

Ein Korridor durch die Halle lädt zum Schlendern ein. Links und rechts wird er von den Kunstboxen gesäumt. Man hat auch von außen einen Rundumblick in den jeweiligen Ausstellungsbereich. Es gibt Besucher, die nur betrachtend durchschlendern, und andere, die größeres Interesse an der einen oder anderen Kunstform zeigen, die Boxen betreten, betrachtend verweilen und vielleicht auch ein Gespräch – fachsimpelnd oder nur um Information bittend – mit dem Künstler suchen. 46 Kunstboxen heißt ebenso viele Künstler, ebenso viele Kunstgenres, ebenso viele Stile der bildenden Kunst. Man muss kein Kunstliebhaber sein und auch kein ausgewiesener Kunstkenner, um seine Blicke unvoreingenommen, ganz auf den eigenen Geschmack konzentriert, schweifen zu lassen.

Fotos: Anton Potche
Da stehen wir dann vor der großflächigen Landschaft und fragen uns, was das wohl sei, ein Gemälde oder eine Fotografie. Die Schilder an den Ausstellungsstücken bringen uns schließlich Gewissheit: Große Welle, 130x180 cm, Öl auf Leinwand, 2019 oder Sonnenuntergang am Meer, 150x100 cm, Öl auf Leinwand, 2021 u.a.. Roman Schmelter heißt der in Ingolstadt beheimatete Maler dieser Meergemälde. Wer präsentiert die schöneren Akte, Heinz Stoewer aus Bad Tölz oder Stefanie von Quast aus Gauting? Wie so oft sind wir uns auch diesmal nicht einig, meine bessere Hälfte und ich. Aber darin, ja, genau darin liegt der Reiz eines Kunstmessebesuchs. „Schau, die Frau häkelt mit feinem Draht“, macht meine Frau mich aufmerksam. Die Künstlerin, Julia Smirnova aus München, unterhält sich mit einer Dame. Ihre Hände arbeiten – ganz automatisch. Die Frucht ihrer Kunst hängt an der Wand: Prelude, Objekt, gehäkelt mit Kupferdraht, Acrylglas, 35x20x20 cm, 2021 oder Primeval Embrace, Wandobjekt, gehäkelt mit Kupferdraht, Kunstharz, 42x32x10cm, 2021.

Jeder und jede der Kunstschaffenden in diesem Raum hat es verdient erwähnt zu werden. Und dafür ist auch gesorgt, und zwar mit dem hundertseitigen Katalog, der mit der Eintrittskarte schon abgegolten ist. Es macht Spaß in ihm zu schmökern. Und sich dabei sogar überraschen zu lassen. Wieso ist mir das in der Exerzierhalle entgangen? Also eine Katastrophe ist das nicht, denn Kunstmessen wird es geben, solange das Bedürfnis nach Phantasie, Kreation und Teilen mit dem Publikum besteht. Und dieses Bedürfnis hat etwas mit Ewigkeit zu tun. Daran können weder Pandemien noch Kriege rütteln.

Anton Potche

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