Montag, 10. Oktober 2022

Dramatische Erlebnisse der Nachkriegszeit

3sat hatte den Spielfilm Wiedersehen mit einem Fremden zur besten Sendezeit am Samstagabend, dem 9. September 2022 ins Programm genommen. Eine gute Entscheidung, kann man vorneweg schon mal sagen. Der Streifen passt in die Zeit des Putin-Krieges und seiner verheerenden Folgen abseits der Kriegsschauplätze. Kriege brechen plötzlich aus, oft mit einer Unterschrift oder einer Fernsehansprache, hören aber nie genauso plötzlich auf. Ihre Folgen können noch eine ganze Generation traumatisieren, lange nachdem die Waffen schweigen. Es war bei Hitler so und ist es jetzt bei Putin.

Die dramatischen Nachkriegsfolgen der russischen Aggression in der Ukraine müssen noch geschrieben und auf die Bühnen sowie in die Kinosäle gebracht werden, während die Folgen von Hitlers Kriegsverbrechen bereits thematisiert wurden und es auch weiterhin werden. Wiedersehen mit einem Fremden ist eine solche Dramatisierung. Der Film wurde zum ersten Mal 2010 im ERSTEN DEUTSCHEN FERNSEHEN ausgestrahlt. Über sechs Millionen Zuschauer haben das Nachkriegsdrama damals am Fernseher verfolgt.

Die Handlung spielt im Schwarzwald und ist eine Verwechslungsgeschichte, die erst von der Heimkehr der letzten deutschen Kriegsgefangenen aus dem Zweiten Weltkrieg ermöglicht wird. Thomas Kirchner und Niki Stein haben das Drehbuch so geschrieben, dass der Zuschauer trotz aller Dramatik ohne unnötigen Kitsch und vor allem ohne übertriebene Rührseligkeit dem Geschehen auf dem Bildschirm folgen kann. Man sitzt zum Schluss nicht da und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht, sondern fragt sich eher, wie nahe eine solche Geschichte wohl an der Realität sein könnte. Das Motiv selber ist nicht neu. Es wurde bereits 1982 in einem französischen Film mit Gérard Departieu und dann 1993 in einem Hollywood-Streifen mit Richard Gere bearbeitet. Während die französische Produktion sich auf eine Kriegsheimkehrergeschichte aus dem 16. Jahrhundert bezieht und die amerikanische sich im amerikanischen Bürgerkrieg abspielt, ist die deutsche Bearbeitung dieses Motivs in der Ära Adenauer angesiedelt.

Die Hauptdarsteller in Wiedersehen mit einem Fremden machen ihre Sache gut. Es ist gar nicht so einfach, langsam aufkommende Zweifel und deren Verfestigung, verbunden mit allen daraus resultierenden Komplikationen, in Szene zu setzen. Silke Bodenbender als Lisbeth Steiner und Peter Davor in der Rolle des Max Steiner alias Gottfried Reincke bewältigen ihre Arbeit ohne übertriebene Theatralik, ihr Wirken spürt sich als lebensnah an. Dass Gottfried Reincke aus Siebenbürgen stammt, ist der Handlung in keiner Weise abträglich, sein Vater aber als donauschwäbischer Bauer in einem Dialog erwähnt wird, dürfte auf eine so nicht beabsichtigte Verwechslung hindeuten, die man hierzulande immer wieder feststellen kann, und zwar zwischen Siebenbürgen und dem Banat und umgekehrt.

Anton Potche

Wiedersehen mit einem Fremden; D, 2010; Regie: Niki Stein; Buch: Thomas Kirchner & Niki Stein; Kamera: Arthur W. Ahrweiler; Musik: Jacki Engelken & Ulrik Spies; Darsteller: Liesbeth - Silke Bodenbender, Margarete - Nina Kunzendorf, Max - Peter Davor, Heinrich - Mark Waschke, Georg - Robert Schupp, Regine - Elisabeth von Koch

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen