Daniel Glattauer: Darum –
Roman; Wilhelm Goldmann Verlag, München, 2008 (Taschenbuchausgabe);
ISBN: 978-3-442-46761-7; 316 Seiten; € 7,95 [D], € 8,20 [A].
„Darum“ ist ein affirmatives und doch
nichtssagendes Adverb. Mehr als „Warum“ kann man ihm wohl kaum voranstellen. Und diese Frage drängt sich beim Lesen regelrecht
auf. Warum will ein Mensch unbedingt ins Gefängnis? Und noch
schlimmer: Warum begeht er sogar einen Mord, um sein Ziel zu
erreichen?
Darum. Mehr kann man auf diese und
andere sich im Roman ergebende Fragen auch nicht antworten. Darum. Es
kann gar keine kriminalistisch klare (geklärte) Antwort auf die
Frage nach dem Warum dieser Mordtat des Journalisten und ehemaligen
Lektors Jan Rufus Haigerer geben, insofern sein ganzes von Freunden,
Justizbeamten und einer ihm gutgesinnten Gerichtsbarkeit umgebene
Umfeld an nichts anderes als an seine Unschuld glaubt.
Und so bleibt weiter nichts anderes
übrig, als dass diese Geschichte genau so verworren
ausgeht, wie sie begonnen hat. 31 kurzatmige Kapitel hat Daniel
Glattauer dazu verwendet, um zu erzählen, wie verrückt die Welt
eigentlich sein kann. Das hat im Taschenbuchformat immerhin 317
schnell lesbare Buchseiten ergeben.
Diese Lesbarkeit verdanken wir kurzen, kaum mehr als ein Komma benötigenden Sätzen. Die Spannung
des Romans entwickelt sich aus einem Leitfaden mit Fragezeichen: Welche
Verrücktheit erwartet den Leser spätestens im nächsten Kapitel?
Und trotzdem: Was der 1960 in Wien
geborene Daniel Glattauer hier geschrieben hat, ist viel mehr
als nur ein Kalauer. Da geht der Blick auch tief in eine
Gesellschaftsschicht, von deren Existenz alle wissen, aber nur wenige
eine klare Vorstellung haben: die Welt hinter den Mauern mit
Stacheldraht und Fenstergittern. In dieser Welt ist für geistreichen
Wortwitz wahrlich auch kaum Platz. Es geht einem schon an die
Kandare, wenn er von vorne und von hinten vergewaltigt wird.
Dann wiederum muss man nicht
todernst bleiben, wenn man Selbstanklagen liest wie: „Tatsächlich
beschreibe ich nur mich selbst. Tatsächlich beschreiben Journalisten
immer nur ihre eigenen Gefühle, beugen die Fakten immer hin zu ihren
eigenen Wahrheiten, an denen sie schließlich brechen. Ich bin einer
davon.“ Das sagt der Hauptprotagonist Haigerer. Und Glattauer
wird wohl mit einem Schmunzeln auf den Lippen ein Auge zudrücken.
Warum auch nicht, als erfolgreicher Kolumnist …, der er nun mal
jahrelang einer war. Da war Hinschauen, Analysieren und Berichten der
Job schlechthin.
Daher sollte es niemand überraschen,
wenn er gegen Ende des Romans auf das Ethikproblem „Töten auf
Verlangen“ stößt. Und dass alles bisher Erlebte als Inhalt eines
schlechten Manuskripts zum Schluss herhalten muss, ist ein weiterer
Hinweis auf schwarz angehauchten Humor. Man muss ihn nur verstehen.
Daniel Glattauer spielt mit
seinen Lesern. Überraschungen gehören zu seinem Arsenal. Das
gefällt nicht nur dem Lesepublikum, sondern auch Kunstschaffenden
anderer Sparten. Besonders Filmregisseure wurden auf ihn aufmerksam
und verfilmten seine Romane. Auch Darum wurde für die
Leinwand verarbeitet. Der Regisseur Harald Sicheritz hat sich
im Jahre 2007 des Themas angenommen.
Anton Potche
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