Was dort im Jahrmarkter Dorfpark wie
ein Bunker aus dem Weltkrieg anmutete, wurde von uns Kindern immer
nur als die Bühne apostrophiert. Es gab auf der Südseite dieses
Betonklotzes auch zwei oder gar drei Türen. Die führten aber,
soweit ich mich erinnere, nicht in ebene Räumlichkeiten, sondern in
die Tiefe, deren Sohle immer, Winter wie Sommer, mit mal mehr, mal
weniger Wasser bedeckt war, wie das bei vernachlässigten Bauten eben
so ist. Verirren konnte man sich in dem Klotz nicht, denn es gab in
ihm keine einzige Wand. Ganz mutige Zeitgenossen, zu denen ich nicht
gehörte, rutschten auf herbeigeschafften oder herumliegenden Balken
schon mal in die von immerwährendem Halbdunkel beherrschte Tiefe.
Unsere Bühne im Jahrmarkter
Dorfpark, begrenzt von einem Bach, der sein Wasser aus dem berühmten
Prinz-Eugen-Brunnen speist, und umgeben von stattlichen, sich in
Demut dem vorbeirauschenden Wasser zuneigenden Weiden, war zu meiner
Schulzeit – die Schule thronte nebenan auf der höher gelegenen
Dorfstraße – für den einen oder anderen Mitschüler ein ersehnter
Ort. Wer am Schulabschlussfest die Stiege auf den Betonklotz
hinaufsteigen durfte, gehörte zu den Prämierten, den
Ausgezeichneten, den besten Schülern des soeben beendeten
Schuljahres. Dort oben stand eine lange Reihe von mit Büchern
beladenen Tischen, den Preisen für die Besten der Besten.
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Hans Kaszner sen. dirigiert seine Blaskapelle im Jahrmarkter Dorfpark (1972)
Foto: Archiv der Kaszner-Kapelle |
Was viele (ich inklusive) in dieser Zeit (1950 - 1980) nicht wussten oder auch gar nicht neugierig waren, lag in der
Geschichtsträchtigkeit dieses Ortes. Ich surfte kürzlich mal wieder
durch alte Zeiten und fand eine Annonce vom 28. September 1902. Dort
wurde nämlich ein Pächter für das „Sommer=Gasthaus ‚Mayerling‘
sammt Bad auf 6 Jahre“ gesucht. Präzisiert wurde noch die Lage des
Gasthauses, und zwar „inmitten eines Parkes“. Das muss es also
gewesen sein, unsere Bühne – auch Platz für die Blaskapellen an
Kirchweihfesten – war kein Bunker, aber ein zubetoniertes
Schwimmbad. Und daneben irgendwann mal das Gasthaus mit dem
tragischen, ja fast mystischen Namen „Mayerling“. Die von meiner
Generation vorgefundene Tanzfläche vor der Bühne wurde
wahrscheinlich nach der Stilllegung des Bades angelegt und bis in die
80er Jahre des vorigen Jahrhunderts genutzt.
Sie haben ihren Großen-Brunnen und
sein spendendes Nass stets über alles geliebt, die Jahrmarkter. Der
Graben, also der Bach, hat sie immer zu neuen Schwimmbadideen
inspiriert. Nach dem Ende des Bades im Park hat man in den 60er
Jahren eine badähnliche Anlage in der Nähe der mittlerweile berühmt
berüchtigten IAS-Zentrale angelegt, um dann im folgenden Jahrzehnt
den weit über Jahrmarkt hinaus bekannten „Strand“ zu bauen.
Dabei rückten die Anlagen immer weiter von der Quelle weg. Heute
wissen wir: Auch dieses Projekt ist gescheitert. Und trotzdem: Auch
die jetzigen Bewohner der Gemeinde Giarmata, früher Temes=Gyarmatha
und danach Jahrmarkt sowie Johrmark, wollen es trotz aller bisher
tragisch endenden Versuche nicht aufgeben.
Vielleicht
haben schon die ersten Schwimmbadbauer
im damaligen zu Österreich-Ungarn gehörenden Dorf eine gewisse Romantik in ihrem Vorhaben gespürt: ein Ende im Glück, in der großen
Liebe. So wie das Ende Rudolfs,
Kronprinz von Österreich und Ungarn, und seiner großen Liebe
Baroness Mary
Vetsera
… auf Schloss Mayerling. Das Schloss in Niederösterreich gibt es
heute noch, das Gasthaus in Jahrmarkt wurde
vom Schicksal
seiner Bäder längst
eingeholt,
ja
ist ihnen sogar vorausgeeilt.
Anton Potche
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