Die Umfragen zu den Ergebnissen der
Europawahl in Rumänien hatten schon Tage vor der Wahl auf
Überraschungen hingedeutet. Diese Tendenz hat sich am Wahlabend
(22:00 Uhr Ortszeit, 21:00 Uhr MEZ) in den Studios einiger
Fernsehsender verstärkt. Und das alles bevor es irgendwelche
zuverlässige Hochrechnungen gab. Immerhin war diese gewollt oder
ungewollt herbeigeredete Situation der Spannung in den zahlreichen
Gesprächsrunden und implizit den Wohnzimmern landauf, landab nicht
abträglich.
Die Gäste in den Gesprächsrunden
waren namhafte Wissenschaftler & Journalisten aus politiknahen
Bereichen, was natürlich nicht zu gleichen oder nur ähnlichen
Meinungen führte. Einige glaubten den Überraschungsgeschichten,
während andere in diesen Ankündigungen (wohlgemerkt: ohne konkrete
Zahlen) überhaupt nichts Alarmierendes fanden. „Sondaj exit pol“
heißt in Rumänien die zuverlässigste Hochrechnungsumfrage. Ein
Gesprächsteilnehmer sprach sogar von 99 Prozent Genauigkeit.
Um 22:00 Uhr hatten die Rumänen
dann (approximative) Gewissheit. Die erste Hochrechnung hat für die
Europawahl folgendes Resultat ergeben: PSD/PNL – 54 %, AUR – 14%,
ADU – 11% und UDMR – 5%. Dazu muss man die Sonderheiten dieser
Wahl in Erwägung ziehen. Zwei der vier Wahlkandidaten sind
politische Koalitionen. Die Sozialdemokraten (PSD) und die
Nationalliberalen (PNL) regieren in Rumänien jetzt in dieser Form
schon im dritten Jahr. Für diese Wahl nennen sie sich CNR (Nationale
Koalition für Rumänien). Nach zwei Jahren hatten sie sogar den
Premier friedlich gewechselt, von Nicolae Ciucă
(PNL) zu Marcel Ciolacu (PSD). Die zweite Wahlliste
firmiert unter dem Kürzel ADU (Allianz der Vereinten Rechten). Hier
haben sich gleich drei politische Gruppierungen zusammengeschlossen:
USR (Union Rettet Rumänien), PMP (Partei der Volksbewegung) und FD
(Kraft der Rechten). Die zwei Einzelparteien sind AUR (Allianz für
die Vereinigung der Rumänen) und UDMR (Union der Ungarn aus
Rumänien).
Die Rumänen schicken 33 Abgeordnete
ins Europäische Parlament. Laut der bisherigen Hochrechnung
(Sonntag, 23:00) wären das in Zahlen 22 Mandate für die Koalition
CNR, 5 Mandate für AUR (eine rechtsextreme Formation), ADU 5 Mandate
und 2 Abgeordnete für die Ungarn aus Rumänien. Heute morgen sah
diese Einordnung dann so aus: CNR – 53% (21 Mandate), AUR – 15%
(6), ADU – 11% (4) und UDMR – 5% (2). Andere Parteien und
Gruppierungen mit zum Teil exotischen Namen gingen bei der
Sitzverteilung leer aus. Zumindest bis jetzt, denn ein Endergebnis
dieser Europawahl liegt noch nicht vor.
Die Rumänen haben am 9. Juni
auch ihre Gemeinde- und Stadträte sowie die Abgeordneten der
Kreisräte mit den entsprechenden Bürgermeistern und
Kreisratsvorsitzenden gewählt. Die Diskussionen in den Medien
(besonders Fernseher) haben gezeigt, dass diese rumänischen Wahlen
verständlicherweise für die Diskussionsteilnehmer ein größeres
Gewicht als die Europawahlen hatten. Auf die Rumänen wartet heuer
noch eine Parlamentswahl und die Präsidentenwahl. Dabei scheinen die
Rumänen schon jetzt an Wahlmüdigkeit zu leiden. An diesem
Wahlsonntag waren nur knapp über 50 Prozent der Wahlberechtigten an
den Urnen.
Anton Potche
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