Schon die Prognosen des ersten
Wahlgangs für einen neuen Präsidenten in Rumänien waren
überraschend. Der Sozialdemokrat Marcel Ciolacu liegt mit 25%
auf dem ersten Platz. So weit so gut. Aber es ist der Gewinner des
zweiten Platzes (bei 14 Kandidaten), der eigentlich als Überraschung
gilt. Nicht der ehemalige Premierminister Nicolae
Ciucă von
der PNL ist mit
seinen nur 13 Prozent Zweiter. Der ihm zugerechnete Platz wird
von Elena Lasconi (USR) mit 18% besetzt. Bei diesen Prognosen
von zwei Wahlforschungsinstituten, die sehr nahe beieinander liegen,
fehlen vor allem die Ergebnisse aus der Diaspora. Dort leben 800.000
rumänische Wahlberechtigte. Und die könnten den zweiten Wahlgang in
zwei Wochen noch sehr spannend werden lassen.
Das war der Stand am Sonntagabend.
Was sich dann aber kurz vor Mitternacht bei den Hochrechnungen
abzeichnete, war ein Erdrutsch ohnegleichen. Heute Morgen sah das
Bild des vorläufigen Endergebnisses dann so aus: 1.) Călin
Georgescu
– 22,94 %, 2.) Elena-Valerica Lasconi – 19,17 % und
erst auf dem dritten Platz Ion-Marcel Ciolacu mit 19,15
Prozent. Das würde heißen, dass Călin
Georgescu,
ein parteiloser Rechtspopulist, und Elena-Valerica
Lasconi, die ein Mitte-Rechts-Bündnis (USR) anführt, in zwei
Wochen um den Präsidentensitz antreten werden. Die Kandidaten der
großen Parteien PSD und PNL (Nicolae-Ionel
Ciucă liegt
mit 8,79 Prozent abgeschlagen auf Platz 5) scheinen keinen
Präsidenten zu stellen. (Über 99,9 % der Stimmen sind ausgezählt.)
Die Gefahr ist groß, dass die EU
und die NATO neben dem Ungarn Viktor Orbán, bald einen
neuen rechtspopulistischen Quärulanten am Halse haben werden. Undă
de șoc în România – Schockwelle in Rumänien
überschreibt der Fernsehsender DIGI24 seine Wahlsendungen und sucht
mit vielen Analysten im Studio nach Erklärungen. Dabei wird oft
darauf hingewiesen, dass Călin
Georgescu ein bisher völlig
unbekannter Name in der politischen Szene war. Dem ist nicht ganz so.
Man hatte den 62 Jahre alten Agronomingenieur nicht auf dem Schirm.
Der Mann war sogar schon bei der UNO beschäftigt und fiel schon
öfter mit markigen Sprüchen auf, die da lauteten: „Die Rettung
Rumäniens liegt in der Weisheit Russlands.“ oder „Das rumänische
Volk soll nie mehr in die Knie gezwungen werden.“ Das Verrückteste
an der Geschichte ist, dass Călin
Georgescu seinen Wahlkampf
weitestgehend über die Internetplattform TICK TOCK abgewickelt hat.
Politische Analysten sprechen bei ihm von einem Staatsmystiker mit
faschistischen Zügen. Er soll sogar anerkennende Worte für die in
Rumänien in der Zeit des Zweiten Weltkrieges mordenden Legionäre
gefunden haben. Und trotzdem war er schon für das Amt des
Premierministers im Gespräch. Ja, auch das.
Das ganze Szenario hat skurrile Züge
angenommen. Wenn man bedenkt, dass man den Rumänen sowieso einen
Hang zu Verschwörungstheorien nachsagt, dann kann man sich leicht
vorstellen, was in dem Land zurzeit vor sich geht. Und vor allem
wirkt es, das Szenario, sich aus auf die schon am nächsten Sonntag
stattfindenden Parlamentswahlen. Die ersten Amtsniederlegungen in den
traditionellen Parteien Rumäniens (PSD & PNL) werden bereits
diskutiert. Nicolae-Ionel
Ciucă hat seine Demission schon
angekündigt.
Die „wahrhafte Krise“ wird von
Beobachtern der politischen Szene auch als „das Erbe des aktuellen
Präsidenten Klaus-Werner Johannis“ apostrophiert. Der ist
allerdings in den letzten Wochen völlig untergetaucht.
Anton Potche
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