Montag, 25. November 2024

Überraschung bei der Präsidentschaftswahl in Rumänien

 
Schon die Prognosen des ersten Wahlgangs für einen neuen Präsidenten in Rumänien waren überraschend. Der Sozialdemokrat Marcel Ciolacu liegt mit 25% auf dem ersten Platz. So weit so gut. Aber es ist der Gewinner des zweiten Platzes (bei 14 Kandidaten), der eigentlich als Überraschung gilt. Nicht der ehemalige Premierminister Nicolae Ciucă von der PNL ist mit seinen nur 13 Prozent Zweiter. Der ihm zugerechnete Platz wird von Elena Lasconi (USR) mit 18% besetzt. Bei diesen Prognosen von zwei Wahlforschungsinstituten, die sehr nahe beieinander liegen, fehlen vor allem die Ergebnisse aus der Diaspora. Dort leben 800.000 rumänische Wahlberechtigte. Und die könnten den zweiten Wahlgang in zwei Wochen noch sehr spannend werden lassen.

Das war der Stand am Sonntagabend. Was sich dann aber kurz vor Mitternacht bei den Hochrechnungen abzeichnete, war ein Erdrutsch ohnegleichen. Heute Morgen sah das Bild des vorläufigen Endergebnisses dann so aus: 1.) Călin Georgescu – 22,94 %, 2.) Elena-Valerica Lasconi – 19,17 % und erst auf dem dritten Platz Ion-Marcel Ciolacu mit 19,15 Prozent. Das würde heißen, dass Călin Georgescu, ein parteiloser Rechtspopulist, und Elena-Valerica Lasconi, die ein Mitte-Rechts-Bündnis (USR) anführt, in zwei Wochen um den Präsidentensitz antreten werden. Die Kandidaten der großen Parteien PSD und PNL (Nicolae-Ionel Ciucă liegt mit 8,79 Prozent abgeschlagen auf Platz 5) scheinen keinen Präsidenten zu stellen. (Über 99,9 % der Stimmen sind ausgezählt.) 

Die Gefahr ist groß, dass die EU und die NATO neben dem Ungarn Viktor Orbán, bald einen neuen rechtspopulistischen Quärulanten am Halse haben werden. Undă de șoc în România – Schockwelle in Rumänien überschreibt der Fernsehsender DIGI24 seine Wahlsendungen und sucht mit vielen Analysten im Studio nach Erklärungen. Dabei wird oft darauf hingewiesen, dass Călin Georgescu ein bisher völlig unbekannter Name in der politischen Szene war. Dem ist nicht ganz so. Man hatte den 62 Jahre alten Agronomingenieur nicht auf dem Schirm. Der Mann war sogar schon bei der UNO beschäftigt und fiel schon öfter mit markigen Sprüchen auf, die da lauteten: „Die Rettung Rumäniens liegt in der Weisheit Russlands.“ oder „Das rumänische Volk soll nie mehr in die Knie gezwungen werden.“ Das Verrückteste an der Geschichte ist, dass Călin Georgescu seinen Wahlkampf weitestgehend über die Internetplattform TICK TOCK abgewickelt hat. Politische Analysten sprechen bei ihm von einem Staatsmystiker mit faschistischen Zügen. Er soll sogar anerkennende Worte für die in Rumänien in der Zeit des Zweiten Weltkrieges mordenden Legionäre gefunden haben. Und trotzdem war er schon für das Amt des Premierministers im Gespräch. Ja, auch das. 

Das ganze Szenario hat skurrile Züge angenommen. Wenn man bedenkt, dass man den Rumänen sowieso einen Hang zu Verschwörungstheorien nachsagt, dann kann man sich leicht vorstellen, was in dem Land zurzeit vor sich geht. Und vor allem wirkt es, das Szenario, sich aus auf die schon am nächsten Sonntag stattfindenden Parlamentswahlen. Die ersten Amtsniederlegungen in den traditionellen Parteien Rumäniens (PSD & PNL) werden bereits diskutiert. Nicolae-Ionel Ciucă hat seine Demission schon angekündigt.

Die „wahrhafte Krise“ wird von Beobachtern der politischen Szene auch als „das Erbe des aktuellen Präsidenten Klaus-Werner Johannis“ apostrophiert. Der ist allerdings in den letzten Wochen völlig untergetaucht. 
Anton Potche

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