Montag, 24. März 2025

Die Geschichte nimmt ihren Lauf


Spricht ein Bürger Ingolstadts von den Georgiern, wissen seine Mitbürger stets, von wem die Rede ist: vom GKO, dem Georgischen Kammerorchester aus der Donaustadt. Das ist aber nicht immer so. Außenstehende oder in der klassischen Musik weniger bewanderte Musikliebhaber könnten da schon mal fragen, ob es sich um ein georgisches Volksmusikorchester handelt. Da hilft auch der Zusatz Ingolstadt oder aus Ingolstadt nicht viel weiter. Und auch die Präzisierung auf der Home-Site der Orchester-Homepage, Kammerorchester der Stadt Ingolstadt, scheint den Bekanntheitsgrad der Georgier nicht wesentlich zu steigern. Das Kammerorchester wurde 1961 in Tiflis gegründet und kehrte 1990 nach einer Konzertreise in Deutschland nicht mehr in seine georgische, vom Krieg geplagte Heimat zurück.

Wirtschaftliche, finanzielle und politische Schwergewichte aus Ingolstadt haben dem Orchester zu einer neuen Heimat verholfen. Der Stadt tat das sehr gut. Hochkarätige Musiker zeigten ihr Können nicht nur in unzähligen Konzerten, sondern wirkten durch ihr außerkonzertantes Engagement auch in die Bürgerschaft. Ihre Kunst auf den kammerorchesterspezifischen Saiten fand in so mancher Familie aus Stadt und Region ihren Niederschlag. Man kann die Aktivitäten der georgischen Musiker nur als ein Segen für Ingolstadt empfinden. Und doch …

Der Geschäftsführer des Orchesters, Felix Breyer, und Chefdirigent Ariel Zuckermann wollen den Klangkörper umbenennen. Und zwar in Kammerphilharmonie Ingolstadt. Damit wird sich – zumindest namentlich – das georgische Element aus dem Orchester verabschieden. Das dürfte aber kein Unglück sein, wenn es laut Breyer (DONAUKURIER, 20. März 2025) dazu dient, „mehr Gastspiele [zu] generieren und neue Einnahmequellen [zu] erschließen.“

Betrachtet man die emotionale Seite dieses bevorstehenden Namenswechsels – der Stadtrat muss noch zustimmen -, so braucht man sich nur die Namen der Musiker anschauen. Wer die Ingolstädter Geschichte der Georgier verfolgt hat, wird schnell erkennen, dass die Zeit ihre Schuldigkeit wie überall auch hier, sprich Generationswechsel, getan hat. Nur einige Namen und Biographien, die für das sich Lösen aus dem rein Georgischen stehen: Friedemann Breuninger (Konzertmeister – deutsche Abstammung), Esther Augustí Matabosch (spanisch), Cristian Roibu (moldauisch), Alvar Ceamanos (deutsch), Raluca-Diana Bădescu (rumänisch), Vadim Makhovskiy (kasachisch) und Ariel Zuckermann (Chefdirigent - israelisch). Von 17 fest eingestellten Musikern, bleiben immerhin 10 Georgier, fast alle der mittleren Generation angehörend, also Musiker, die noch so manche Lust auf erstklassige Klassik befriedigen können. Dass der eine oder andere von ihnen die bevorstehende Umbenennung vielleicht mit etwas Wehmut betrachtet, ist verständlich.

Aber da kann ich die Betroffenen beruhigen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass ein solcher Schmerz schnell vergeht. Ich bin 1985 als Baritonist ins Audi Werkorchester (Dirigent: Bernd Maltry) eingetreten und 2010 aus der Audi Bläserphilharmonie (Dirigent: Christian Lombardi) wieder ausgetreten. Na gut, einige Phantomschmerzen waren auch mir beschert … Aber es hielt sich in Grenzen: sowohl der Namenswechsel als auch das Ende meines Musikantenlebens.

Anton Potche

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