Montag, 17. November 2025

Grund für eine etwas längere Einschlafphase

 
Der deutsch-amerikanische Schriftsteller Oskar Maria Graf (1894 – 1967) hat im Jahre 1947 in seinem Exil in New York City den Roman Unruhe um einen Friedfertigen geschrieben. Bei WIKIPEDIA kann man nachlesen, dass er „sich selbst als Provinzschriftsteller und mitunter als Bauerndichter bezeichnete“. Als Banater Schwabe fällt mir da spontan die Benennung Heimatdichter für Dialektschriftsteller aus der südosteuropäischen Region Banat, heute zu Rumänien gehörend, ein. Der kleine Unterschied liegt nur darin, dass die deutschen Banater Mundartautoren ein gebietsmäßig eng begrenztes Territorium mit einem kleinen Leserkreis als schöpferische Heimat betrachten konnten, während Oskar Maria Graf zu den zahlreichen deutschen Exilliteraten gezählt wird, auch wenn seine Werke zum Teil auf ländlichen Räumen (wie das der Banater Heimatschriftsteller) fußen.

Wie bodenständig solche Literatur sein kann, zeigt der Rückgriff heutiger Medien auf einige dieser literarischen Werke, obwohl Jahrzehnte seit ihrer Entstehung vergangen sind. Ein solches Beispiel hat das ZDF am 10. November dieses Jahres in seinem Abendprogramm ausgestrahlt. Sturm kommt auf heißt der aus Unruhe um einen Friedfertigen inspirierte Zweiteiler, der nur kurz von einem HEUTE JOURNAL unterbrochen wurde. Dass dieser Film mich von 20:15 Uhr bis 23:30 Uhr vor dem Bildschirm hielt, kann man ruhig als Qualitätsmerkmal betrachten. Ja, ich kann mir vorstellen, dass es auch anderen Filmliebhabern so ergangen ist. Und so mancher wird vielleicht an die Trilogie Heimat von Edgar Reitz oder an den Streifen Wiedersehen mit einem Fremden von Niki Stein oder Club der singenden Metzger von Uli Edel oder ... gedacht haben.

Schuster Julius Kraus (Josef Hader) 

ZDF Fabio Eppensteiner [M] 
Claussen+Putz Filmproduktion 
Screenshot: Anton Delagiarmata
Sturm kommt auf wird als deutsch-österreichische Koproduktion des Regisseurs Matti Geschonneck im Programm angekündigt. Als Hauptdarsteller fungiert Josef Hader. Und die Gattung wird nicht als Heimatfilm sondern als Historienfilm benannt. Natürlich ist es beides. Denn wir werden als Zuschauer sowohl von den Bildern der oberbayerischen Heimat, als auch von der politischen Entwicklung der Zwischenkriegszeit gefesselt. Die Hauptfigur des Dramas - ja, auch das ist der Film - ist der Schuster Julius Kraus (J. H.), ein zurückgezogen lebender Single, dessen Wurzeln im fernen Galizien liegen. Sein jüdischer Glaube bleibt unentdeckt bis im Dorf langsam, aber erbarmungslos die Nazis die Herrschaft übernehmen. Das wird ihm zum Verhängnis … und verschuldet vielleicht bei so manchem Zuschauer eine etwas längere Einschlafphase als an gewöhnlichen Fernsehabenden. 

Anton Potche


Sturm kommt auf (Film, 2 x 90 Minuten); Regie: Matti Geschonneck; Drehbuch: Hannah Hollinger; Musik: Boris Bojadzhiev; Besetzung: Josef Hader als Jiulius Kraus, Sigi Zimmerschied als Silvan Heingeiger sen., Frederic Linkemann als Silvan Heingeiger jun., Verena Altenberger als Elies Heingeiger, Sebastian Bezzel als Ludwig Allberger u. a.

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