Es heißt oft, die Rumänen
hätten viel vom byzantinischen Lebensstil übernommen. Was genau damit gemeint
ist, bleibt unklar. Es könnte sich auf das autokratische Verhalten vieler
Politiker im Land beziehen oder aber auch auf den Pessimismus der Rumänen,
vielleicht auch nur auf die politischen Intrigen, die das rumänische
Erscheinungsbild seit Jahren prägen. Auch vom rumänischen Orientalismus und
Fanariotismus ist oft die Rede. Da geht es um Eigenschaften, die aus der Zeit
der Osmanen stammen, also nach dem Fall von Byzanz (1453).
Das vergangene Wochenende
in Rumänien war geprägt vom Beginn des Wahlkampfes für die Parlamentswahlen am
9. Dezember. Und es geht los im echt byzantinischen Stil, also Niedermachen des
politischen Gegners mit allen Mitteln ist angesagt. Die Osmanen haben gerne
eine Strangulierungsschnur benutzt, um dem Sultan unsympathische Herren aus den
Augen zu schaffen, sogar nahe Verwandten. In Anbetracht dieser rustikalen
Machtkampfmethoden, muss man den Rumänen von heute schon einen nicht
unbedeutenden Zivilisationssprung zugestehen. Also von Orientalismus und
Fanariotismus im geschichtlichen Sinn des Wortes kann keine Rede mehr sein. In
Bukarest erdrosselt man heute seine Gegner politisch mit dem Aufdecken von
Ungereimtheiten zum richtigen Zeitpunkt. Das ist insofern nicht besonders
schwer, weil dort jeder Butter auf dem Kopf hat.
Dass der Zeitpunkt eine
wichtige Rolle spielt, ist zwar keine rumänische Spezialität – siehe Peer Steinbrück -, hat aber an den Ufern der Dâmboviţa eine bedeutend
höheren Stellenwert als in Deutschland. Während es hierzulande meist Einzelne
trifft, sind in Rumänien oft ganze Gruppen betroffen. Rumänische
Nachrichtenkommentatoren sprechen mittlerweile so schnell, dass selbst Rumänen Mühe
haben, sie zu verstehen. Wie aber will man anders so viele Fälle von Korruption
und Inkompatibilität in einem Nachrichtenblock unterbringen?
Als erste Wahlkampfopfer
hat es jetzt Eduard Raul Hellvig, Minister für Regionale Entwicklung und
Tourismus, Ovidiu Silaghi,
Transportminister, Liviu Pop, Minister
für Sozialen Dialog, (Wahnsinn, was die alles haben!) und den stellvertretenden
Generalsekretär der Regierung Dan
Mihalache erwischt. Die Herren werden von der Nationalen Integritätsagentur
(ANI) der Unvereinbarkeit ihrer Ämter mit verschiedenen Tätigkeiten in der
Wirtschaft beschuldigt. Laut dem sogenannten Integritätsgesetz dürfen Inhaber
öffentlicher Ämter keine Funktionen in der freien Wirtschaft mehr innehaben.
Auch eigene Geschäfte, Verwaltungs- und Führungstätigkeiten in anderen Firmen
müssen eingestellt werden. ROMÂNIA LIBERĂ hält
fest, dass „ernannte oder gewählte Würdenträger (demnitari) ihre Verwandten
oder Firmen, für die sie gearbeitet haben oder an denen sie Eigentumsinteressen
haben, nicht bevorteilen dürfen.“ Wie schwer das ist, haben wir erst kürzlich in
China gesehen.
Die vier Beschuldigten
weisen natürlich jegliche Schuld weit von sich und die regierenden Parteien
unterstützen sie. Die Opposition drängt auf lückenlose Aufklärung und der in
letzter Zeit sehr zurückhaltende Staatspräsident Traian Băsescu scheint langsam in Fahrt zu kommen. Sein Kommentar
zu den Vorfällen, lässt klar erkenne, auf wessen Seite er steht: „Wenn es auf
der Welt Zweifel an der Unvereinbarkeit gibt, wird zurückgetreten. Bei uns wird
solidarisiert.“ Ob er sich auch schon auf den Korruptionsfall des
Oppositionspolitikers Alin Trăşculescu bezieht,
bleibt Spekulation. Auf jeden Fall sieht man, dass auch die Regierenden genug
über die politischen Gegner wissen, um die Gunst des richtigen Zeitpunkts zu
nutzen. Ein kleiner, aber feiner Unterschied scheint dann aber doch zwischen
den zwei politischen Lagern Rumäniens, USL (Sozial-Liberale-Union) und ARD (Allianz
Gerechtes Rumänien), zu existieren. Trăşculescu
(PDL) hat seine Funktion des PDL-Vorsitzenden im Kreis Vrancea los. Da
waren die Liberaldemokraten fix. Das muss man ihnen lassen. Die Regierung kommt
unter Zugzwang. Auch Dan Mihalache musste
heute seinen Hut nehmen. Auf ein fröhliches Wahlspektakel!
Anton Potche
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