„Für die Temeswarerin Iulia Ionescu gibt es zwei Sorten von
Rumänen im Ausland: Es gibt diejenigen, die sich um andere Rumänen gruppieren,
um eine kleine Mikrowelt aufzubauen, die an Heimat erinnert, wo man unter sich
bleiben kann, und es gibt die Rumänen, die sich integrieren.“ Das schreibt der
Journalist Robert Tari, in einer
seiner Impressionen aus der deutschen Hauptstadt Berlin, die er wöchentlich in
der BANATER ZEITUNG / Temeswar veröffentlicht.
Die Wahrnehmung der zitierten, aus Temeswar stammenden
Berlinerin hat wie alles zwei Seiten. Wenn ich das Restaurant Kronstadt
in Ingolstadt betrete, katapultieren mich die ersten Eindrücke sofort zurück in
die kulturelle Hülle, die uns Banater Schwaben bei unserem einstigen Leben im
Banat umgeben hat, und die von so manchem Dörfler erst beim Verlassen seiner
Ortschaft wahrgenommen wurde. Da tut sich mir wahrlich diese „kleine Mikrowelt“
auf, komischerweise hier noch eindeutiger als damals im Banat. Die Bedienung spricht
mich deutsch an, wird aber sofort um eine Spur, für sie wahrscheinlich
unbewusst, für mich aber spürbar, freundlicher, wenn sie merkt, dass ich
Rumänisch verstehe und sogar holprig spreche. Diese Mikrokosmoserscheinung
bemerke ich immer wieder vom Inder, über den Italiener und Griechen bis zum
Türken an seinem Obststand. Wäre es beim Rumänen anders, wäre das gefühlsmäßig
nicht normal.
Eine „Mikrowelt, die an Heimat erinnert“, ist hier wirklich
vorhanden. Man merkt es als stiller Beobachter auch an dem vertrauten Umgang
vieler Gäste, die sich hier begegnen, und an den fremden Sprachfetzen die zu
einem vom Nachbartisch herüberfliegen. Doch beginnt sich dieser Mikrokosmos
langsam zu erweitern, wenn einem plötzlich Worte in banatschwäbischer oder
siebenbürger Mundart zu Gehör kommen. Die Sprecher dieser Dialekte sind zwar
keine „integrierten Rumänen“, aber immerhin längst hier heimisch gewordene
ehemalige Bürger Rumäniens. Noch wähnt man sich in einem südosteuropäischen
Sprachkosmos, bis die ersten hungrigen und durstigen Sportler aus der
Kegelbahn, dem Turnsaal, Fußball- oder Tennisplatz in der Wirtsstube
auftauchen und die Mikrowelt in einer normalen, global geprägten Welt
vergessen lassen.
Die Betreiber des Restaurants Kronstadt versuchen,
anscheinend mit Erfolg, diese „Mikrowelt“ für Heimatnostalgiker am Leben zu
erhalten und gleichzeitig eine offene Gaststube für die hier beheimateten
Amateursportler des ESV-Sportvereins zu sein. Zu ihren Bemühungen um
Originalität und Weltoffenheit gehört auch das Konzept der Livemusik. Für den Tag
des Kindes, am 1. Juni, wird Autentic aus
Kronstadt/Braşov erwartet. Das Duo spielt
eine gepflegte rumänische Volks- Tanz- und Unterhaltungsmusik. Wer also
Teil der rumänischen Mikrowelt - in Ingolstadt oder anderswo (das Restaurant
liegt am Hauptbahnhof) - ist oder wer bei rumänischen Speisen und Getränken eine
lebensfrohe Kultur kennenlernen will, sollte sich diesen Rumänischen Abend zum Tag des Kindes im Restaurant Kronstadt nicht
entgehen lassen. Autentic wird seine authentische Musik schon ab 13:00
Uhr erklingen lassen. Und weil angeblich nur wertvoll ist, was auch etwas
kostet, darf man als Eintritt 7 € pro Person berappen.
Anton Potche
Das Restaurant Kronstadt wurde nach einem Brand am 2. Juli 2019 nicht mehr in Betrieb genommen. Das Gebäude in der Geisenfelderstraße wird zurzeit umgebaut und ab Herbst von den Johannitern benutzt.
Ingolstadt, 11.Juli 2020
Anton Potche
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