Montag, 27. Mai 2013

„Autentic“ aus Kronstadt gastiert im „Kronstadt“

„Für die Temeswarerin Iulia Ionescu gibt es zwei Sorten von Rumänen im Ausland: Es gibt diejenigen, die sich um andere Rumänen gruppieren, um eine kleine Mikrowelt aufzubauen, die an Heimat erinnert, wo man unter sich bleiben kann, und es gibt die Rumänen, die sich integrieren.“ Das schreibt der Journalist Robert Tari, in einer seiner Impressionen aus der deutschen Hauptstadt Berlin, die er wöchentlich in der BANATER ZEITUNG / Temeswar veröffentlicht.

Die Wahrnehmung der zitierten, aus Temeswar stammenden Berlinerin hat wie alles zwei Seiten. Wenn ich das Restaurant Kronstadt in Ingolstadt betrete, katapultieren mich die ersten Eindrücke sofort zurück in die kulturelle Hülle, die uns Banater Schwaben bei unserem einstigen Leben im Banat umgeben hat, und die von so manchem Dörfler erst beim Verlassen seiner Ortschaft wahrgenommen wurde. Da tut sich mir wahrlich diese „kleine Mikrowelt“ auf, komischerweise hier noch eindeutiger als damals im Banat. Die Bedienung spricht mich deutsch an, wird aber sofort um eine Spur, für sie wahrscheinlich unbewusst, für mich aber spürbar, freundlicher, wenn sie merkt, dass ich Rumänisch verstehe und sogar holprig spreche. Diese Mikrokosmoserscheinung bemerke ich immer wieder vom Inder, über den Italiener und Griechen bis zum Türken an seinem Obststand. Wäre es beim Rumänen anders, wäre das gefühlsmäßig nicht normal.

Eine „Mikrowelt, die an Heimat erinnert“, ist hier wirklich vorhanden. Man merkt es als stiller Beobachter auch an dem vertrauten Umgang vieler Gäste, die sich hier begegnen, und an den fremden Sprachfetzen die zu einem vom Nachbartisch herüberfliegen. Doch beginnt sich dieser Mikrokosmos langsam zu erweitern, wenn einem plötzlich Worte in banatschwäbischer oder siebenbürger Mundart zu Gehör kommen. Die Sprecher dieser Dialekte sind zwar keine „integrierten Rumänen“, aber immerhin längst hier heimisch gewordene ehemalige Bürger Rumäniens. Noch wähnt man sich in einem südosteuropäischen Sprachkosmos, bis die ersten hungrigen und durstigen Sportler aus der Kegelbahn, dem Turnsaal, Fußball- oder Tennisplatz in der Wirtsstube auftauchen und die Mikrowelt in einer normalen, global geprägten Welt vergessen lassen.

Die Betreiber des Restaurants Kronstadt versuchen, anscheinend mit Erfolg, diese „Mikrowelt“ für Heimatnostalgiker am Leben zu erhalten und gleichzeitig eine offene Gaststube für die hier beheimateten Amateursportler des ESV-Sportvereins zu sein. Zu ihren Bemühungen um Originalität und Weltoffenheit gehört auch das Konzept der Livemusik. Für den Tag des Kindes, am 1. Juni, wird Autentic aus Kronstadt/Braşov erwartet. Das Duo spielt eine gepflegte rumänische Volks- Tanz- und Unterhaltungsmusik. Wer also Teil der rumänischen Mikrowelt - in Ingolstadt oder anderswo (das Restaurant liegt am Hauptbahnhof) - ist oder wer bei rumänischen Speisen und Getränken eine lebensfrohe Kultur kennenlernen will, sollte sich diesen Rumänischen Abend zum Tag des Kindes im Restaurant Kronstadt nicht entgehen lassen. Autentic wird seine authentische Musik schon ab 13:00 Uhr erklingen lassen. Und weil angeblich nur wertvoll ist, was auch etwas kostet, darf man als Eintritt 7 € pro Person berappen.

Anton Potche

Das Restaurant Kronstadt wurde nach einem Brand am 2. Juli 2019 nicht mehr in Betrieb genommen. Das Gebäude in der Geisenfelderstraße wird zurzeit umgebaut und ab Herbst von den Johannitern benutzt. 

Ingolstadt, 11.Juli 2020
Anton Potche

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen