Montag, 4. Januar 2016

Es soll ja vorkommen ...

... dass man sich zu Weihnachten etwas Gutes tut. Selber tut. Das haben wir mal wortwörtlich genommen, meine Frau und ich. In der vergangenen Weihnachtszeit. Dazu haben wir einen Tag vor Heiligabend das Theater Ingolstadt angesteuert. Wir wollten nämlich Weihnachten mit Blechschaden erleben. By Bob Ross hieß es da, und Erzähler: Christian Ude.

Während auf dem Theatervorplatz sich dicht gedrängt Jugendliche – von Massen von Jugendlichen zu sprechen, wäre gar nicht übertrieben – die letzten Zuckungen des frühlingshaften Christkindlmarktes zu Gemüte führten, füllten im Festsaal oft schon angegraute Herrschaften – trifft auf mich nicht mehr zu – die Sitzreihen. Leider nicht vollständig, was mich bei so klingenden Namen schon ein wenig irritiert hat. Vielleicht lag es auch daran, dass am Tag zuvor Enrico de Paruta mit seinem Ensemble auf der gleichen Bühne stand. Man muss in so kulturgeschwängerten Zeiten halt Prioritäten setzen. Haben wir auch getan, Frau und meine Wenigkeit. Und das hat sich voll gelohnt.

Über Blechschaden als musikalisches Aushängeschild der deutschen Bläserszene zu sprechen, wäre unnötig wie ein Kropf. Da hat sich eh nichts geändert. Große Bläserkunst auch bei einem auf Weihnachten zugeschnittenen Programm. 

Bleiben die zwei Protagonisten vor dem Bläserensemble (fünf Trompeter – davon drei Österreicher, je ein Hornist und Euphonist, zwei Posaunisten, ein Tubist und ein Schlagzeuger mit guter Gesangsstimme und -talent): Bob Ross und Christian Ude. Show total! Und trotzdem viel Tiefgang. Der Gründer und Leiter des Blechschadens hat seit jeher eine innige Beziehung zu Ingolstadt. Hier hat er als junger Student aus Schottland zusammen mit zwei schottischen Kollegen in einer Firma gearbeitet – „die dann auch bald Pleite ging“. Das war Herbergssuche, lange bevor ihm der Einstieg als Hornist bei den Münchner Philharmonikern gelang. Diese Ingolstadt-Geschichten des Bob Ross sind hierzulande wohlbekannt, aber sie rufen trotzdem immer wieder Lachsalven hervor, wenn der kleinwüchsige Schotte – „ich bin gerade mal halb so hoch wie der Horst Seehofer“ – von dieser Liebesbeziehung spricht.

Und dann saß da noch am, aus Publikumssicht, rechten Rand des Orchesters Christian Ude, Münchens Ex-OB, Kabarettist und, wie sich an diesem Abend herausstellen sollte, exzellenter Geschichtenleser. Drei Weihnachtsgeschichten durfte das mäuschenstille Publikum lauschen. Klar und deutlich jedes Wort, nachvollziehbar jedes Komma und jeder Punkt, ja, auch jeder Gedankenstrich. Dass man die Wohnungsnot in München so pointiert in eine Weihnachtsgeschichte packen kann, ist große Schreib- und Erzählkunst. Nicht weniger gut sind die Geschichten des talentlosen, aber von den Eltern angetriebenen musizierenden Sohnes und des Haushaltsmannes – eine Katastrophe - angekommen.

Als dann zum Schluss Bob Ross noch die Dirigentin der Blaskapelle Mailing-Feldkirchen (Stadtteil von Ingolstadt) – der Schotte ist Ehrendirigent dieser Kapelle -, die junge und hübsche Katharina Hofner, auf die Bühne bat und zusammen mit ihr und dem auf zwei Krücken gestützten Christian Ude (Beinbruch) ein Tänzchen vorführte, war das Publikum gefühlt genau so jung wie die Christkindlmarktbesucher auf dem Theatervorplatz. Mehr kann man von einem Weihnachtskonzert eigentlich nicht erwarten. Oder doch?

Da lag ich mit meinen Erwartungen mal wieder gründlich daneben; wo ich doch gedacht hatte, dass die geballte Kraft (in persona) der Ingolstädter SPD bei diesem Konzert anzutreffen sein müsste, habe ich kein einziges, zumindest mir bekannte, Gesicht dieser Partei gesehen.

Anlässlich dieser Tournee hat Blechschaden auch eine CD eingespielt.

Anton Potche

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