Und das ist den Organisatoren mit dem dritten Tag des
Veranstaltungsmarathons im Rahmen von danubia
connection N° 2 gelungen. Sehr gehaltvolle Vorträge, szenische Lesungen und
Diskussionen. Eröffnet wurde dieser Tag des rumänischen Theaters mit einem
Vortrag des deutschen Diplomaten Klaus
Christian Olasz, seines Zeichens Referatsleiter an der deutschen Botschaft
in Bukarest. Sein Betätigungsfeld deckt die Bereiche Kultur, Bildung und
Probleme der deutschen Minderheit in Rumänien ab. Der Mann kennt sich aus, das
steht ganz außer Frage. Nach bester diplomatischer Gepflogenheit nahm er zwar
keine Bewertung der Kultursituation Rumäniens vor – „Das steht mir nicht zu.“
-, zeichnete aber sehr anschaulich ein Gesamtbild der kulturellen Lage.
Rumänien wird bekanntermaßen von einem technokratischen Übergangskabinett
regiert, das nur bis zu den nächsten Wahlen im Herbst im Amt sein wird.
Dementsprechend kurz- oder mittelfristig können auch die angegangenen Projekte
in der Kulturpolitik nur sein. Kulturminister Vlad Alexandrescu hat trotzdem erklärt, er versuche Projekte auf
den Weg zu bringen, die eine nachhaltige Komponente enthalten und so von seinem
Nachfolger fortgesetzt oder erfolgreich beendet werden können. Ein Blick in die
Theaterszene zeigt, dass die Intendanten in der Regel sehr lange im Amt sind,
was natürlich nicht zu einem flexiblen und für neue Wege offenen Apparat führt.
Die Theater in staatlicher Trägerschaft werden großzügig gefördert, was
logischerweise zu einer gewissen Abhängigkeit führt und es den unabhängigen
Theatermachern umso schwerer macht. Der Referent streifte auch kurz das Thema
der deutschen Minderheit. Die Minderheitenpolitik Rumäniens sei einzigartig in
Europa und durchaus nachahmenswert. Es gibt noch immer zwei deutsche Theater,
in Temeswar/Timişoara und
Hermannstadt/Sibiu, und mehrere deutsche Zeitungen. Die Interessen der laut
Volkszählung von 2011 noch rund 37.000 Deutschen, die auch einen Abgeordneten im Parlament haben, werden vom Demokratischen
Forum der Deutschen vertreten. Dieses Forum ist aber keine politische Partei, sondern eine reine
Interessenvertretung. Klaus Christian
Olasz hielt kein steifes Schulreferat, sondern erzählte frei und locker von
seiner Arbeit, den positiven Seiten, aber auch von den Unwegbarkeiten, denen
man im Kulturalltag Rumäniens so begegnet. Das war nach ca. 45 Minuten ein sehr
guter Auftakt zum dritten Akt der rumänischen Theatertage in Ingolstadt.
Irina Wolf & Elise Wilk
Foto: Anton Potche
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Wenn Hotelzimmer erzählen könnten! Elise Wilk, die rumänisch schreibende, deutsche
Theaterschriftstellerin aus Siebenbürgen, hat vier voneinander unabhängige
Geschichten ins Zimmer 701
geschrieben (Deutsch: Daria Hainz).
Drei dieser merkwürdigen, skurrilen, lächerlichen, aber zutiefst menschlichen
Szenen wurden im weiteren Verlauf des Theatertages von Donald Berkenhoff, Dramaturg und stellvertretender Intendant am
Stadttheater Ingolstadt, als szenische Lesung auf die Bühne gebracht. Ob als
Stripper, Selbstmörderin, Fotograf, Braut mit schwulem Bräutigam usw., das
erfahrene Ingolstädter Trio Ingrid
Cannonier, Jan Gebauer und Ulrich Kielhorn brachte das Publikum
immer wieder zum Lachen – auch wenn es manchmal gar nichts zu lachen gab. Ich
allerdings hatte den (natürlich subjektiven) Eindruck, dass die drei erfahrenen
Bühnendarsteller ihre Sache nicht ganz ernst nahmen. Wie das auf den jeweils
einzelnen Zuschauer wirkte, war dann eine rein individuelle
Rezeptionsangelegenheit. Im Publikumsgespräch – diesmal konnte man Daria Hainz eine wohlverdiente Pause
gönnen - erzählte Elise Wilk über
die Entstehungsgeschichte dieses Stückes und es stellte sich heraus, dass die
Autorin auch hierzulande kein unbeschriebenes Blatt ist. Eine Zuschauerin
zeigte sich begeistert von ihren Arbeiten, die sie bisher gelesen habe.
von links: Daria Hainz, Alexandra Badea, Irina Wolf
Foto: Anton Potche
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Gleiches Haus aber ein anderer Saal –
Theaterschuppen wäre nicht unangebracht. Die letzte szenische Lesung des
Festivals war angesagt: Zersplittert
von Alexandra Badea, deutsche
Fassung Frank Weigand. Vier
erschöpfte Gestalten lagen mehr als sie saßen auf ihren Stühlen, als die
Zuschauer den Raum betraten. Zwei Manager (gespielt von Jörn Kolpe und Matthias
Zajgier), eine Managerin (Sandra
Schreiber) und eine chinesische Bandarbeiterin (Mara Amrita). Vier junge, gehetzte, Menschen. Opfer des unbedingten
Profits und einer Rastlosigkeit, deren Folgen nicht nur die Protagonisten
selbst, sondern auch ihr soziales und vor allem familiäres Umfeld zu spüren
bekommt. Getriebene unserer bis in die letzten Winkel vernetzten Zeit. Für
diese Inszenierung – es war tatsächlich viel Theaterspiel dabei, und das war
sehr, sehr gut – zeichnete Boris
Brandner. Die Autorin dieses zeitgenössischen Theaterdokuments lebt in
Frankreich und schreibt „nur in Französisch“, wie sie nach der
Lesung/Aufführung dem Publikum erzählte. Ihre Stücke werden zwar auch in
Rumänien gespielt, müssen aber zu diesem Zweck in ihre Muttersprache übersetzt
werden. Das ist eigentlich bei Elise
Wilk nicht anders, nur heißt es bei ihr von der Landessprache in die
Muttersprache und nicht von einer Fremdsprache in die Muttersprache. Wie auch immer, das
Resultat dieses Sprachenzickzacks kann
sich sehen lassen. Und sie, diese sprachgewandten Autorinnen, wandeln ja auf
den Spuren großer Vorgänger: Cioran,
Eliade, Ionescu u. a.
von links: Irina Wolf, Elise Wilk, Ramona Olasz, Klaus Christian Olasz
Foto: Anton Potche
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Zum Ausklang des sehr abwechslungsreichen Theaterfestivals danubia connection N° 2 – Junge rumänische
Autorinnen im Scheinwerferlicht trafen sich alle in Ingolstadt vorstellig
gewordenen Protagonisten noch einmal zu einer Podiumsdiskussion. Und da ging es
dann im wahrsten Sinne des Wortes lebhaft und für das Publikum spannend und
lehrreich hin und her. Erörtert wurde vor allem die finanzielle, personelle und
perspektivische Situation des unabhängigen, privaten Theaters in Rumänien. Ramona Olasz, die mit ihrem Mann Klaus Christian Olasz das Theaterlaboratorium
Bukarest (TLB) gegründet hat,
war wahrlich nicht zum Beschönigen aufgelegt: „In Rumänien ist es wahnsinnig
schwierig Theater zu machen.“ Das TLB haben sie in Bukarest gegründet, weil sie
dort immerhin eine Gemeinschaft von „um die sieben-, achttausend“ Menschen
vorfanden: meist Schüler, die Deutsch lernen, und kein deutsches Theaterangebot
haben. Die Familie Olasz beschäftigt
in ihrem TLB sieben Schauspieler. Einer wird sich jetzt aber verabschieden,
weil „man vom Theater nicht wirklich leben kann“. Die kleine Bühne finanziert
sich ohne jegliche Zuschüsse, während das staatliche „Nationaltheater jährlich
8 Millionen Euro nur Betriebskosten zur Verfügung hat“. Und doch zahlt TLB
seine Schauspieler besser als die staatlichen Theater. Das liegt auch daran, „dass
sie einfach mehr spielen“. Trotzdem ist es schwierig, in Bukarest gute
deutschsprechende Schauspieler und besonders geeignete Spielstätten zu finden .
Es gibt in der rumänischen Hauptstadt auch Versuche, in kleinem Rahmen
Boulevardkomödien zu spielen. Wenn diese aber „anecken“, verschwinden sie
schnell von der Bühne.
Gianina Cărbunariu konnte von
diesen Schwierigkeiten ein eigenes Lied singen, hatte sie doch selber zehn
Jahre lang eine eigene Theatertruppe in Bukarest. Nach ihrer Auffassung gibt es
aber einen klaren Unterschied zwischen unabhängigem (independent) und
komerziellem (comercial) Theater. Die Wirklichkeit widerspiegelt diesen
Unterschied aber nicht, dort vermischen sich die zwei Arten. Es wurde schnell
klar, dass die engagierte Autorin und Regisseurin einen klaren Strich zwischen
ernstem und nur der Unterhaltung dienendem Theater zieht - wie beim oft bemühten
Unterschied zwischen E- und U-Musik. Dabei beklagte sie, dass sich immer mehr
Gruppen als seriös ausgeben, aber nur ökonomische Interessen verfolgen.
Trotzdem will sie in naher Zukunft erneut einen Start mit einem unabhängigen
Theaterprojekt wagen. Angebote von sogenannten Staatstheatern hat sie schon
gleich nach ihrem Studium abgelehnt. „Ich war keine Arbeitslose, sondern habe
die Unabhängigkeit gewählt.“ Koproduktionen mit ausländischen Produzenten
gewährleisten ihr eine gewisse, auch finanzielle, Unabhängigkeit und
Sicherheit. Abschließend hielt auch sie fest, dass „es sehr schwierig ist, in
diesem System [A.d.V.: dem rumänischen] Theater zu machen“.
von links: Ioana Păun, Alexandra Badea, Daria Hainz, Gianina Cărbunariu, Irina Wolf
Foto: Anton Potche
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Die Regisseurin Ioana Păun, angesprochen auf die Eröffnungsvorstellung des
Festivals, Domestic Products,
erzählte, dass dieses Stück eigentlich als Höhrspiel angedacht war und sich
erst während der Arbeit zum Schauspiel entwickelt hat. Es gibt einen
rumänischen Theaterfond, aus dem Theaterstücke angekauft werden. Wenn dieser
aber erschöpft ist, haben eingereichte Projekte eben Pech gehabt. So erging es
auch diesem Stück. Es gibt eigentlich keinen Produzenten, der es in seinem Repertoire
hat, so dass es dem Zufall überlassen ist, wann es in Rumänien mal auf eine
Bühne kommt. Heuer ist es allerdings so, dass überraschend viele Projekte
gefördert werden sollen, so dass sich viele Künstler zurzeit um diesen Topf
versammelt haben. Es stellt sich dabei allerdings auch die Frage „wie viel
projektbezogene Fastfood-Kunst“ dabei herausschaut. Man weiß noch nicht, wie
diese eingetretene Förderfreundlichkeit des Kulturministeriums sich auf die
alternative unabhängige Kulturszene auswirken wird.
Klaus Christian Olasz als Konsul in Temeswar (2009 - 2013)
Fotoquelle: Opina Timişoarei
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Klaus Christian Olasz
unterstrich im Wesentlichen das Gesagte und fügte hinzu, dass es für
Diplomaten immer „ein schwieriger Lernprozess sei“, die Gegebenheiten eines
Landes zu erfassen. Dazu „braucht man
schätzungsweise immer die Hälfte der Zeit, die man in einem Land verbringt.“
Und man macht dann natürlich seine Erfahrungen, die in diesem Fall den
Ausführungen der jungen rumänischen Protagonisten auf dem Podium inhaltlich durchaus
entgegenkommen. Als Beispiel führte er an, dass die deutsche Botschaft in
Rumänien das Deutsche Staatstheater in Temeswar jahrelang finanziell
unterstützt hat, um dann bei einer Prüfung festzustellen, dass dieses Haus von
kommunaler Seite finanziell so gut gepolstert ist, dass es auf die Förderung
seitens der Botschaft gar nicht angewiesen war und auch heute nicht ist. Die
Deutsche Botschaft bemüht sich daher, „nur freie Gruppen zu unterstützen“. Dass
so etwas dann in der Praxis nicht immer reibungsfrei abläuft, liegt in der
Natur der Sache. Denn als „sogenannter Diplomat“ ist man eher von „Intendanten
und Generaldirektoren der üppig finanzierten staatlichen Institutionen
umschmeichelt“ als von Künstlern aus dem freien Sektor.
Nach so viel Kulturpolitik kam die Moderatorin Irina Wolf dann doch noch auf reine
Theateraspekte zu sprechen. Und erntete sofort energischen Widerspruch. Sie
meinte nämlich, dass zu ihrer Rechten drei Autorinnen & Regisseurinnen
säßen und zu ihrer Linken eine „klassische Dramatikerin“. Und das könnte
vielleicht auch das Verhältnis dieser neuen Tendenz, als Regisseur seine Stücke
selber zu schreiben, widerspiegeln. Angesprochen war als „klassische
Dramatikerin“ Elise Wilk. Die wollte aber von diesem Verhältnis nichts wissen. Sie war der Meinung, dass „es
genug Leute gibt, die für das Theater nur schreiben, ohne ihre Texte zu inszenieren“.
Man könne von einer Halb-Halb-Situation sprechen, aber keineswegs von einem
Trend, denn das Phänomen sei nicht neu, auch ältere Kollegen würden schreiben
und inszenieren. Daraus entwickelte sich ein lebhaftes Hin und Her, das wie bei
solchen Podiumsdiskussionen üblich kein Licht ins Dunkel brachte. Elise Wilk plädierte für ein besseres Einbeziehen
des Autors in die Inszenierungsarbeit. „Das kann nur gut sein.“
Alexandra Badea ist
natürlich die richtige Ansprechpartnerin, wenn es um das französische Theater
geht. Irina Wolf wollte von ihr aber
wissen, wie man in Frankreich das rumänische Theater sieht. Und da gab es dann
überraschende Antworten. Man kennt es nämlich gar nicht. In Frankreich werden
nur einzelne Personen der rumänischen Theaterszene wahrgenommen: Schauspieler,
Regisseure oder auch Autoren. Was Alexandra
Badea dann weiter zum Besten gab, war nicht nur anekdotenhaft, sondern
hatte auch eine Dosis schwarzen Humors. Vor etwa zehn Jahren fuhren
französische „scouts“ nach Rumänien, um Ausschau nach Talenten zu halten. Dort
wendeten sie sich aber ans Kulturministerium in dem Irrglauben, ein ähnliches
System wie in Frankreich vorzufinden. Man zeigte diesen „Kulturscouts“ dann aber
„ziemlich verstaubte Stücke“, so dass sie nicht wiederkehrten. Auf das
rumänische Theater wurde man erst wieder aufmerksam, als Texte der jungen
Autorengeneration in Frankreich zu zirkulieren begannen. In Frankreich ist der
rumänische Film viel präsenter als das Theater.
Man kann den darauffolgenden Einwurf von Ramona Olasz als essenziellen Schlussmonolog werten. Sie als Theaterproduzentin muss letztendlich einen Bezug zum Publikum haben, und den in der „zersplitterten“ Szene herzustellen, ist sehr schwer. Das Publikum in Rumänien kann nicht zu einer Entität heranwachsen, es fühlt sich nicht an eine Theaterinstitution gebunden. Man weiß von rumänischen Künstlern, „die im Ausland ein größeres Publikum als zu Hause haben".
Man kann den darauffolgenden Einwurf von Ramona Olasz als essenziellen Schlussmonolog werten. Sie als Theaterproduzentin muss letztendlich einen Bezug zum Publikum haben, und den in der „zersplitterten“ Szene herzustellen, ist sehr schwer. Das Publikum in Rumänien kann nicht zu einer Entität heranwachsen, es fühlt sich nicht an eine Theaterinstitution gebunden. Man weiß von rumänischen Künstlern, „die im Ausland ein größeres Publikum als zu Hause haben".
Als sich eine Stunde angeregter Podiumsdiskussion dem Ende
näherte, es fehlten wirklich nur wenige Minuten, meldete sich Gastgeber Knut Weber noch einmal zu Wort. Er
erwiderte den von Irina Wolf im
Namen der Gäste ausgesprochenen Dank und bekundete, dass er „viel gelernt
[habe] über die Autorinnen- und die Theaterszene.“ Für ihn waren das spannende
Tage, und er meinte, dass sich doch viele der diskutierten Probleme denen in
Deutschland ähneln, „gerade was so das Verhältnis von freier Szene und
etabliertem Theater betrifft“, um dann mit einem Ratschlag für die Gäste aus
Rumänien aufzuwarten: „Ich glaube, dass Rumänien jetzt vielleicht die Schritte
nachholen muss, für die in Deutschland länger Zeit war. [...] Es gibt in
Deutschland die Bundeskulturstiftung und die könnte möglicherweise auch für
Rumänien eine interessante Institution sein, weil sie mit relativ viel Geld die
etablierte Szene mit der freien Szene verbindet.“ Und dann zum Schluss gab es
noch einen kleinen Hoffnungsschimmer (keine Zusage) als Zuckerl vom
Intendanten. Er hält es nämlich für durchaus möglich, dass in Zukunft das eine
oder andere Stück der anwesenden und anderer junger rumänischer Autoren und
Autorinnen Eingang ins Repertoire des Ingolstädter Stadttheaters finden könnte.
Dann war aber wirklich Schluss ... mit dem Reden. Es begann
die letzte Szene des dritten Akts. Und die war der Musik vorbehalten:
Balkanmusik, Klezmer, irische, russische und südamerikanische Weisen gespielt
von der Vier-Mann-Band Gitanes Blondes.
Was diesem Festival fehlte, war das Publikum. Dessen Zahl stand alle drei Tage im umgekehrten Verhältnis zur Quantität und Qualität der Darbietungen. Schade!
Was diesem Festival fehlte, war das Publikum. Dessen Zahl stand alle drei Tage im umgekehrten Verhältnis zur Quantität und Qualität der Darbietungen. Schade!
Anton Potche
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