Abgeordnetenkammer
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Am 11.11. um 11:11 beginnt in Deutschland die närrische
Zeit. Das galt heuer auch für Rumänien. Am 11. November begann nämlich der
Wahlkampf für die Parlamentswahl am 11. Dezember 2016. Wie närrisch diese Zeit
für die Rumänen werden könnte, deutete sich schon am gleichen Tag an. Der
ehemalige Premier und jetzige Abgeordnete von Gorj, Victor Ponta (PSD), belehrte
auf seiner Facebook-Seite Präsident Klaus
Johannis, dass man auf dem Tisch des
Schweigens in Târgu Jiu, der berühmten Skulptur von Constantin Brâncuși, keine „sächsische Salami verspeise“. Der
Präsident hatte es zwei Wochen vorher tatsächlich gewagt, sich auf einen der
Steinstühle des Gesamtkunstensembles zu setzen, obwohl es klare Hinweise gibt,
die Werke nicht zu berühren. „Ich bin überzeugt, dass Sie uns mehr respektieren,
wenn Sie mehr über Rumänien lernen“, fügte der geschasste Premier noch hinzu.
Traian Băsescu
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Nur einen Tag später schickte der Vorgänger Klaus Johannis’ im Amt des
Staatspräsidenten und jetzige Chef der Volksbewegungspartei
(PMP), Traian Băsescu, eine
markige Botschaft in den Präsidentenpalais. Darin gab er Johannis zu bedenken, dass er nach der Wahl nur die Möglichkeit
haben werde, zwischen „dem besten Premier“ und „einem Affen“ den zukünftigen
Regierungschef zu bestimmen. Dass Traian
Băsescu sich schon immer für den Besten hielt und auch weiterhin hält, mag
menschlich sein, aber den jetzigen Premier Dacian
Cioloș ungeniert als Affen zu apostrophieren, dürfte Außenstehende doch
stark an Donald Trump erinnert
haben.
Man findet im rumänischen Wahlkampfgesetz viele
Einschränkungen, an die Politiker sich im Wahlkampf halten sollen. Wahlgeschenke
in Form von Kugelschreiber, Plastikeimer, diverse Veranstaltungen, Feiern oder
Feuerwerke sind verboten. Die Wahlplakate dürfen nur eine bestimmte Größe haben
und an vorgegebenen Plätzen aufgestellt oder angebracht werden. Selbst das Budget,
das ein Kandidat benutzen darf, ist reglementiert. Man ist auch wieder zur
Listenwahl zurückgekehrt, um die Zahl der 466 angestrebten Abgeordneten und
Senatoren nicht unverhältnismäßig zu überschreiten. Die letzte Personenwahl (2012)
hatte Abgeordnetenkammer und Senat auf 585 Sitze aufgebläht. Jetzt will man sich nach
dem Verhältnis „ein Abgeordneter auf 75.000 und ein Senator auf 168.000 Bürger“
halten. Weil es aber auch parteiunabhängige Kandidaten gibt, könnten es doch
einige mehr als 466 Sitze werden. 6500 Kandidaten sind im Rennen. Inwieweit das
Wahlgesetz den Damen und Herren Zügel anlegen kann, mag umstritten bleiben. Dass schon
an den ersten Tagen der Staatspräsident harsch angegangen wurde, liegt an
seiner verfassungsmäßigen Macht. Schließlich kann er den designierten
Regierungschef nach der Wahl ablehnen oder im Amt bestätigen. Und das Johannis den Technokraten Cioloș weiterhin gerne als
Regierungschef sehen würde, war eigentlich noch nie ein Geheimnis.
Dacian Cioloș
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Um diesen parteilosen Politiker Dacian Cioloș, von 2010 bis 2014 Europakommissar für Landwirtschaft
und seit dem 17. November 2015 rumänischer Premier, tobt eine wahre
Schlammschlacht. Die Parteien haben sich für oder gegen ihn positioniert.
Besonders die Nationalliberalen (PNL), die
auch Johannis den Weg ins
Präsidentenamt geebnet haben, sprechen sich klar für den Politiker mit viel
Europaerfahrung aus.
Ein anderes Thema, das die rumänische Gesellschaft seit
jeher prägt, ist die Korruption. Davon sind natürlich nicht einmal die Wahlen
selbst verschont. Am 16. November meldeten die rumänischen Medien, dass die
Vorsitzende der Permanenten Wahlautorität (AEP) – so etwas wie ein immer
existierender Wahlausschuss -, Ana Maria
Pătru, wegen Korruption verhaftet wurde. Es geht um die stolze Summe von
275.000 Euro, die sie während ihrer Tätigkeit als Vizevorsitzende dieses
Staatsorgans durch illegale Machenschaften, die Rede ist von rechtswidriger
Einflussnahme und Geldwäsche, in den Jahren 2008 bis 2011 eingeheimst haben soll.
Was sich nach den ersten Tagen als Wahlschlacht andeutete,
verlor aber schnell an Dynamik und schon nach einer Woche schrieb Dan Tăpălagă vom „Tode der
Leidenschaft“. Das Übereinanderherfallen der vergangenen Wahlkämpfe mit zum
Teil abstrusen Sendungen auf parteiischen Privatsendern und Wahlkampfveranstaltungen mit Volksfestcharakter, also
mit Würstchen und viel Bier, schien den Rumänen schon gewaltig zu fehlen. Der
Wahlkampfchronist von HotNews.ro meinte nach der ersten Woche: „Wenn wir nicht
Zeuge eines außergewöhnlichen Ereignisses werden, des Erscheinens eines
sogenannten >Schwarzen Schwans<, der Schwung in die Kampagne bringen
soll, wird der Tod der Leidenschaft die PSD
(Sozialdemokratische Partei), ALDE (Allianz der Liberalen und Demokraten) und
UDMR (Union Ungarn in Rumänien) bevorteilen. Eine schwache Wahlbeteiligung
senkt dramatisch die Chancen der PNL und USR (Union Rettet Rumänien), eine
zukünftige Mehrheit im Parlament zu erreichen. […] Wenn sie noch drei Wochen so
weitermachen, schlafen wir alle ein.“
Liviu Dragnea
Fotoquelle: machiavelli.ro
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Keine Sorge, soweit sollte es nicht kommen. Wie sagte doch Trump im Wahlkampf? „Sperrt sie ein!“
Und er meinte seine Rivalen Hillary
Clinton. Für einen rumänischen Wahlkämpfer wie Liviu Dragnea, PSD-Vorsitzender, ist das ziemlich magere Kost für
das sensationslustige Wahlvolk. Er will laut ROMÂNIA LIBERĂ vom 21. November
bei einem Wahlsieg der Sozialdemokraten Präsident Johannis, Premier Cioloș,
den Kulturminister, den Gesundheitsminister, den Landwirtschaftsminister und
den Minister für Europäische Fonds vor den Kadi zerren. Na also, da ist doch
Musik drin.
Immerhin scheint der Sozialdemokrat mit seiner lockeren
Zunge gut bei seinen Landsleuten anzukommen. Bei einer von EVENIMENTUL ZILEI am
23. November veröffentlichten Umfrage lagen die Sozialdemokraten mit 40% einsam
an der Spitze. Es folgen die Retter Rumäniens (USR) mit 19% und die
Nationalliberalen mit 18%.
Wahlkampf macht man längst nicht mehr nur im eigenen Land.
Die Zeitung GÂNDUL berichtete am 27. November von einem Besuch Traian Băsescus in der Republik Moldau.
Dabei konnte der ehemalige Präsident Rumäniens es nicht lassen, dem neu
gewählten Präsidenten des Nachbarlandes, Igor
Dodon, die richtige Richtung für sein Land vorzugeben: „spre vest“, also
„gen Westen“. Der reagierte ziemlich verschnupft und meinte: „Ich brauch weder
seine Ratschläge noch seine Erfahrungen als erfolgloser Unionist.“ Ob Băsescu so den sich anbahnenden
Zweikampf Dragnea - Cioloș (obwohl Letzterer gar nicht
kandidiert, aber von den Nationalliberalen auch weiterhin als Premier gerne
gesehen würde) noch stören kann,
darf bezweifelt werden.
Klaus Johannis
Fotoquelle: cancan.ro
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Der Traum eines „Großrumänien“ kommt in der Republik Moldau
besonders in einigen Strukturen der Macht nicht unbedingt gut an. Das ist eigentlich nicht neu. Daher mag es schon ein wenig verwundern,
dass Klaus Johannis, der rumänische
Präsident, in seiner Ansprache vor geladenen Gästen zum Nationalfeiertag
Rumäniens, 1. Dezember, eben auch von „Großrumänien“ sprach: „Wir feiern heute
gemeinsam den Nationalfeiertag Rumäniens mit Anerkennung für die Weitsicht und
Opferbereitschaft unserer Vorfahren, die Großrumänien ermöglicht haben, aber
auch mit Zuversicht und Hoffnung in die Zukunft, die wir selber, als Nation, im
Wertekontext von Demokratie und Freiheit aufbauen wollen.“ Dass damals vor 98
Jahren nicht nur Siebenbürgen und das Banat, sondern auch die Bukowina und Bessarabien zusammen mit den seit 1859 zu Rumänien vereinten Fürstentümern Moldau und Walachei (die Rumänen sprechen diesbezüglich von der Kleinen Vereinigung) das kurzlebige Staatsgebilde „România Mare – Großrumänien“ möglich machten, birgt auch
heute noch politischen Sprengstoff, unter den in Wahlzeiten immer wieder mal die ein oder andere Lunte gelegt wird. Welchen politischen Wert die Große Vereinigung vom 1. Dezember 1918 für
die Rumänen heute noch hat, zeigt die Wahl dieses Tages nach dem Sturz des
Kommunismus zum Nationalfeiertag. Für Wahlkampfrhetorik war auch am
diesjährigen 1. Dezember kein Platz. Da träumten viele Rumänen ihren großen
Traum, auch heuer mit pompösen Militärparaden. Nationalstolz hat in diesen
Regionen noch einen anderen Stellenwert als bei uns in Deutschland, auch wenn
er sich aus Traumgebilden speist.
Wenn persönliche Angriffe und Scheindebatten über bereits
Geschichte gewordene Ereignisse eine gewisse Rolle spielen, müssen sie aber
noch lange nicht wahlentscheidend sein. Das können in Rumänien durchaus auch
sachliche Themen sein, die den Alltag der Rumänen prägen. Zum Beispiel die
Gesundheitspolitik. Da ist in den letzten Tagen Gesundheitsminister Vlad Voiculescu in die Kritik der
Öffentlichkeit geraten, was den Scheinkandidaten der PNL und USR sowie amtierenden
Premier Dacian Cioloș dazu
veranlasste, sich zu einer spezifisch rumänischen Gesellschaftsproblematik zu
äußern: „Das Couvert aus den Krankenhäusern, denke ich, kann eine Form von
Korruption sein, weil es ein Entlohnungssystem der Ärzte reflektiert, das außer
Kontrolle gerät. Ich hatte keine Gelegenheit, so etwas zu machen, aber, ja, mir
nahestehende Menschen haben es getan. Was soll ich ihnen sagen? Das war die
Praxis. Wenn du kurzfristig an die Gesundheit deines Angehörigen denkst,
analysierst du in einer gewissen Weise, und wenn du die Situation aus dem
Blickwinkel eines Verantwortlichen, der das System reformieren soll,
betrachtest, analysierst du ganz anders. Das ist eindeutig keine mittelfristige
Lösung.“ (aus HOTNEWS.ro; 04.12.2016). Aber eine Bankrotterklärung für das
desaströse Gesundheitswesen Rumäniens und eine klare Angriffsfläche, für alle,
die mit den Sozialdemokraten und anderen politischen Gegnern der
Nationalliberalen sympathisieren, ist dieses Geständnis allemal.
Die politische Lage ist eine Woche vor der Wahl schlicht und
einfach verfahren. Während die Nationalliberalen und die Retter Rumäniens (USR)
ihre Option für einen Premier außerhalb ihrer Reihen klar und deutlich bekundet
haben, wissen die Sozialdemokraten noch immer nicht, wen sie sich als
zukünftigen Premier wünschen. Das ist umso unverständlicher, als sie in den
Umfragen vorne liegen, hat aber seine Erklärung in der rumänischen Verfassung.
Dort ist nämlich verankert, dass der Staatspräsident nach Konsultationen mit
den Parteien den Premier bestimmt. Und Klaus
Johannis hat öffentlich klargemacht, dass er „auf keinen Fall einen
strafrechtlich verfolgten oder verurteilten“ Politiker zum Regierungschef
ernennen wird. PSD-Chef Liviu Dragnea hat
aber diesbezüglich – wie so viele Politiker in diesem Land – keine reine Weste
mehr und erfreut sich zurzeit einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Es
zirkulieren zwar auch andere PSD-Namen, aber so richtig scheint sich keiner aus
der Deckung zu wagen. Geeignet für den kommenden Premier halten sich aber in
aller Bescheidenheit Traian Băsescu
(PMP) und Călin Popescu Tăriceanu,
der ALDE-Vorsitzende. Dass auch ihre Westen nicht makelloser als die ihrer
politischen Kontrahenten sind, gehört zur rumänischen Normalität. Tăriceanu gelüstete es in der letzten
Wahlkampfwoche sogar nach Grundsatzfragen, die wohl die wenigsten Wähler
interessieren werden. Er rief die Nationalliberalen zu einer Diskussion über
die „authentischen Werte des Liberalismus“ auf.
Alina Gorghiu
Fotoquelle: obiectiv.info
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Die Vorsitzende der PNL, Alina Gorghiu, die das Amt des Regierungschefs gar nicht anstrebt,
will hingegen lieber öffentlich über Regierungsprojekte nach der Wahl
diskutieren, aber mit Liviu Dragnea.
Doch der ziert sich, was die Chefin der Nationalliberalen auf die Palme bringt.
„Ich denke, das ist ein Zeichen von Respektlosigkeit gegenüber all jenen, die
sich mehr oder weniger im rumänischen Wahlkampf engagieren“, schimpfte sie bei
einer Wahlveranstaltung in Timișoara / Temeswar.
Senat
Foto: Mediafax
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Themen, die in westlichen EU-Staaten Wahlkämpfe prägen - wie etwa Flüchtlingskrise, Populismus oder Rechtsradikalismus -, spielten im rumänischen Wahlkampf bisher kaum eine Rolle, es sei denn, in der
letzten Woche ändert sich noch etwas. Viele Kandidaten ziehen regionale Probleme
vor. Im Kreis Timiș / Temesch etwa
wirbt Univeritätsprofessor Radu Șumălan
für eine bessere Infrastruktur. „Wir wollen im Parlament nicht nur eine
Statistenrolle spielen, sondern die Interessen der Temescher im Parlament
wirklich vertreten“, wird der Akademiker in einem auf der Homepage
BANATULMEU.RO veröffentlichten Werbetext zitiert. Dabei denkt er an den Senat. In
den will er nämlich einziehen. Die Legislative stützt sich in Rumänien auf zwei
Kammern: Abgeordnetenkammer und Senat. Und beide werden am kommenden Sonntag
neu besetzt. So gesehen, geht es doch auch gesittet im rumänischen Wahlkampf
zu. Aber nicht überall und am wenigsten an der Spitze der Politikerpyramide.
Wie auch immer, die Hauptprotagonisten dieser Wahl bleiben
zwei Politiker, die gar nicht zur Wahl stehen: Klaus Johannis und Dacian
Cioloș. Über diese Konstellation würde sich der in Berlin ruhende Ion Luca Caragiale (1852 - 1912) diebisch freuen. Klar ist, dass die Rumänen auch nach
Auszählung der Wahlzettel noch lange nicht wissen werden, wer sie in Zukunft regieren
wird. Denn Johannis kann ganz schön
stur sein und gesetzestreue Politiker sind in Rumänien schwer zu finden.
Anton Potche
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