Mittwoch, 19. April 2017

Noch keine Spur von Feststimmung

Nach der Buchmesse ist vor der Buchmesse. Heuer war Litauen das Schwerpunktland auf der Leipziger Buchmesse, vom 23. bis 26. März, wo sich wieder eine nur schwer überschaubare Zahl von Autoren und Lesern oder nur Zuhörern zum größten Lesefest der Welt trafen. 2018 soll Rumänien das Schwerpunktland dieses Festes der Literatur sein. Es wird für die rumänischen Literaten schwer sein, sich in den verbliebenen 12 Monaten in Feststimmung zu bringen, denn sie sind zerstritten wie nie zuvor.

Seit gut zwei Jahren schwelt ein offener Konflikt zwischen dem Rumänischen Schriftstellerverband (USR) und einer Gruppe abtrünniger, meist einer jüngeren Generation angehörender Schriftsteller. Der Konflikt beschäftigt seit geraumer Zeit die Gerichte und sorgt für erhebliche Unruhe in der rumänischen Literaturszene. Obwohl die Gruppe um Dan Mircea Cipariu, Cristian Teodorescu und Florin Iaru ihre angezettelten Prozesse in verschiedenen Instanzen verloren hat und auch ein Versuch, einen neuen Schriftstellerverband zu gründen, gescheitert ist (die Kläger interpretieren die Gerichtsurteile natürlich ganz anders), gibt es immer wieder Literaturschaffende, die den USR verlassen und über die Medien besonders Nicolae Manolescu, Vorsitzender des Schriftstellerverbandes und so etwas wie ein Marcel Reich-Ranicki der rumänischen Literatur, und seine Führungscrew angreifen.

Diese alte Garde greift wiederum zu ungemütlichen Entscheidungen, um ihre Macht zu konservieren. Im Januar wurden sechs Mitglieder aus dem Verband ausgeschlossen, weil sie mit den Aufmüpfigen öffentlich sympathisiert und an der aus Sicht des Verbandes illegalen Wahl teilgenommen haben. Es gibt in Rumänien keine andere professionelle Autorenvereinigung. Und der USR, laut Nicolae Manolescu eine der „ältesten und größten“ Autorenvereinigungen der Welt mit zurzeit 2600 Mitglieder, hat den Kommunismus überdauert, was Kritiker immer wieder zum Vorwurf des beibehaltenen „Stalinismus“ in den Statuten und Entscheidungen bewegt.

In der Zeitschrift ROMÂNIA LITERARĂ Nr. 4-5/2017 beklagt der 77-jährige Literaturkritiker Manolescu den Austritt mehrerer jüngerer Kritiker aus dem Verband. In einem eher konziliant klingenden Editorial ruft er die Ausgetretenen zurück und erinnert sie daran, dass die rumänische Literatur heuer den Großmeister der rumänischen Literaturkritik, Titu Liviu Maiorescu (1840 – 1917), feiern wird: „Möge uns das Maiorescu-Jahr wenn schon keine besseren Gefühle, wenigstens ein gemeinsames Interesse für die Zukunft unserer Literatur bringen.“

Ob das möglich sein wird und ein eventuell doch noch einsetzendes Hoch- und Friedensgefühl auch bis in den März nächsten Jahres anhalten kann, steht in den Sternen, ja es ist eher unwahrscheinlich.

Anton Potche

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