Zum Glück sendet BR-Klassik täglich um 11:55 Uhr einen
Terminkalender mit Hinweisen auf an diesem Tag stattfindende „Konzerte, Ballettabende, Musicals, Opernaufführungen,
Kinder- und Jugendkonzerte, Recitals und dergleichen mehr“, wie es auf der
BR-Homepage zu diesem „täglichen Klassikplaner“ heißt. Und zum Glück lief am
Samstag kurz vor Mittag in meinem Radio eine BR-Klassik-Sendung ab. Sonst hätte
ich von dem Stelldichein der zwei Bläserphilharmonien in Ingolstadt erst
nachträglich in einer eventuellen Konzertbesprechung aus der Zeitung erfahren.
Der Moderator von BR-Klassik kündigte in erwähntem „Klassikplaner“ nämlich auch
das Gemeinschaftskonzert des Stadtorchesters Ravensburg und der Audi
Bläserphilharmonie auf der Festsaalbühne des Stadttheaters Ingolstadt
an. Etwas verwundert über die, gelinde gesagt, lasche Werbung der Ingolstädter
für dieses „Frühjahrskonzert“ begann ich, die sich an jedem Wochenende in
meinem Postkasten anstauenden Veranstaltungsblätter zu studieren, und fand tatsächlich
irgendwo einen kleingedruckten Hinweis auf dieses Konzert.
Der Saal war dann am Abend (19 Uhr)
zwar nicht ausverkauft, aber trotz dieser verbesserungsbedürftigen Werbung gut
besucht. Und die Gekommenen hatten nichts zu bereuen. Das Konzert war ein
Gemeinschaftsprojekt der zwei Klangkörper und beinhaltete zwei Konzerte: am 2.
April im Konzerthaus Ravensburg und eben am 8. April im Festsaal Ingolstadt.
Stadtorchester Ravensburg
Fotos: Anton Potche
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Die Gäste hatten in der Donaustadt den
Vortritt und präsentierten sich erstmals als ein voluminöses Bläserensemble mit
reichlicher Perkussionsunterstützung und einem Kontrabass, der sich in letzter
Zeit einen festen Platz in den sinfonischen Blasorchestern errungen hat. Die
Ouvertüre The Cowboys von John Williams (*1932) offenbarte dann
auch sofort, dass die Ravensburger mit einer so großen Bühne nicht vertraut
sind. Die Temposchwankungen zwischen Links und Rechts waren einige Takte
spürbar, wurden aber von dem erfahrenen Dirigenten und Träger des Titels
„Städtischer Musikdirektor“, Harald
Hepner, schnell aufgefangen und in eine gemeinsame Rhythmik gelenkt. Als
Organisationsform ist das Stadtorchesters Ravensburg ein
Verein und seine 1. Vorsitzende, Myriam
Gompper (Klarinette), die zwischen den Stücken moderierte, wies auf die wichtige
Anpassungsfähigkeit eines so großen Orchesters (ca. 70 Musiker) hin: „Unser
Konzertsaal zu Hause ist viel kleiner als hier dieser moderne Saal.“
Und wie schnell und gut sich das
Orchester den neuen Raumbedingungen anpasste, zeigte auch das nächste Stück: Ein Amerikaner in Paris von George Gershwin (1898 – 1937). Dieser
Klassiker eignet sich sehr gut dazu, um Höchststufe-Orchester ihre Qualität
unter Beweis stellen zu lassen; auch wenn das längst zum Ohrwurm gewordenen
Hauptmotiv dem Solotrompeter schon mal die Röte ins Gesicht treibt. Das ist
Arbeit, harte Arbeit, aber letztendlich auch gute Arbeit. Dazu gehört natürlich
das Dirigat. Metrisch sehr präzise, besonders mit der rechten Hand, steuert Harald Hepner das sinfonische Orchester
durch alle Unwegbarkeiten der Partitur. „Du, die sind gut“, flüsterte mir ein
bekannter Sitznachbar zu – übrigens ein Audi-Musiker.
Recht hat er. Das war auch in dem
folgenden Drei-Sätze-Werk East Coast
Pictures von Nigel Hess (*1953)
zu spüren. Wunderschöne Harmonieübergaben und –weiterleitungen von Holz zu
Blech und zurück suggerieren dem Zuhörer eine vom Lärm verschonte Natur. In
diesen in sich ruhenden Harmonien fühlt sich eine Trompetenballade sichtlich
wohl. Wer sich dem Träumen hingegeben hat, wird aber dann spätesten nach dem zweiten
(einige klatschten immer zwischen den Sätzen) Satz in das wirkliche Leben
zurückgenommen. Aber nicht zu seinem Bedauern, denn das Orchester musizierte im
dritten Satz mit viel Spielfreude und -witz. Sehr angenehm. Leider waren schon
wieder 45 Minuten dahin und das Programm der Gäste aus Ravensburg zu Ende.
Lange anhaltender Applaus. Und eine Zugabe gehört sich nun mal: Conga Del Fuego Nuevo von Arturo Marquez (*1950).
Audi Bläserphilharmonie |
Nach der Pause präsentierten die Bläserphilharmoniker von
Audi sich gewohnt sicher und qualitativ gut agierend auf heimischer Bühne. Was
sie spielten war für die meisten der Konzertbesucher wahrscheinlich nicht neu.
Aber weil Livemusik immer auch ein neues Hörerlebnis bedeutet, war der Auftritt
der Audi Bläserphilharmonie auch dieses Mal ein Genusserlebnis.
Mit Alfred Reeds
(1921 – 2005) The Hounds of Spring
stand gleich ein Klassiker der sinfonischen Blasmusikliteratur auf dem Programm
der Ingolstädter. Christian Lombardi zeigte sich an
diesem Abend (auch das wie gehabt) nicht nur als sicher agierender Dirigent,
sondern auch als das Publikum schnell für sich und sein Orchester einnehmender
Moderator.
Im Programmheft für dieses Konzert wird der Komponist des
zweiten Stückes, Bert Appermont
(*1973), wie folgt zitiert: „Ich hoffe, dass die Nachwelt sagen wird, dass ich
Musik geschaffen habe, die etwas ausdrückt und die jemanden bewegt. Für mich
hat Musik die unerklärliche Möglichkeit, das Herz der Menschen zu erreichen und
das Unaussprechliche auszusprechen.“ Dazu gehört leider nicht nur ausgelassene
Freude sondern auch bedrückende Trauer. So eine Gefühlswallung vermittelt die
Orchestersuite Saga Candida. Da ist
dieser Trauermarsch mit dem Hauptmotiv für die Posaunen – sechs an der Zahl und
mit Dämpfer. Kann Trauer schön sein? Hier kommt man wirklich auf diese
verrückte Gegensätzlichkeit zwischen Subjekt und Adjektiv. Wie auch immer,
zumindest mir ging das unter die Haut.
Beim dritten Programmpunkt ließ Christian Lombardi in seiner Anmoderation das Motiv des folgenden
Stückes am Xylophon anklingen. Viele Zuhörer werden es erkannt haben, denn es ging ein
zustimmendes Raunen durch den Saal: Harry Potter. Zum zweiten Mal erklang an
diesem Abend ein Werk von John Williams:
Harry Potter (Symphonic Suite – Der
Stern der Weisen). Filmmusik. Das ist eine Kunstart, die sich oft wegen der
Bilder, die sie untermalt, nicht im Bewusstsein und schon gar nicht in der
Erinnerung der Menschen festsetzt. Sie gelangt erst bei ihrer konzertanten
Aufführung voll zur Geltung. Der stürmische Applaus war auch bei diesem Konzert
eine Bestätigung dieser Tatsache.
Natürlich ließ Christian
Lombardi die Besucher nicht ohne Zugaben nach Hause gehen. Und er machte
bei dieser Gelegenheit gleich Werbung in eigener Sache und dirigierte „zum
Reinhören“ schon mal zwei Stücke, die beim nächsten Open Air im Rahmen der Audi
Sommerkonzerte zur Aufführung gelangen. Freunde der Rock- und Popmusik können
sich schon vorfreuen. Diese zwei Gattungen werden das Konzertprogramm der Audi Bläserphilharmonie für den Klenzepark (21. Juli 2017) bestimmen.
Anton Potche
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