Montag, 15. Mai 2017

Seit 24 Jahren „Literarische Nacht“ in Ingolstadt

Seit 24 Jahren gibt es in der Donaustadt die Ingolstädter Literaturtage. Heuer geht das kleine, aber feine Literaturereignis vom 26. April bis zum 17. Mai 2017 über die verschiedenen Bühnen der Stadt. Und wieder geben sich mehr oder weniger bekannte Namen der deutschen Gegenwartsliteratur die Ehre: Feridun Zaimoglu, Denis Scheck, Eva Gritzmann, Dr. Heiner Geissler, Amelie Fried, Akos Doma (aus der Nachbarstadt Eichstädt), Martin Walker, Navid Kermani und Wladimir Kaminer.

Aber auch Literaturmatadore aus der lokalen Szene kommen zu Wort. Da wären zum einen die Redakteure der Lokalredaktion der Tageszeitung DONAUKURIER. Die lesen gut gelaunt aus ihrem Glossenrepertoire. Stadtgeflüster heißt ihre täglich erscheinende Glosse. Die ist meistens witzig und spitzig. Und sie gefällt schon mal dem einen oder anderen Stadtpolitiker nicht, wird aber umso genussvoller von den Zeitungslesern goutiert. Zum anderen kommt die Jugend zu Wort, und das gleich in zwei Wettbewerben: dem Schülerschreibwettbewerb und dem Poetry-Slam-Abend (das ist ja auch nicht mehr als ein Dichterwettstreit).


Fotos: Anton Potche
Tradition hat auch die Literarische Nacht. Hier kommen Autoren aus der Stadt und der Region zu Wort. In Ingolstadt gibt es einen Ingolstädter Autorenkreis, der seit einigen Jahren diese Veranstaltung organisiert und so seinen Mitgliedern einen Publikumsauftritt mehr ermöglicht. Heuer sind es acht Autoren, die aus ihren Werken lesen. Dazu kommen die drei besten Autorinnen des heurigen Schülerschreibwettbewerbs. Ort der Veranstaltung ist auch diesmal die altehrwürdige Harderbastei in der Altstadtmauer, Freitag, 12. Mai 2017, 19:00 Uhr, Eintritt frei. Was will man mehr als Literaturinteressent.


Jens Rohrer
Gelesen wird im Dreierblock. Dazwischen gibt es Musik. Und es geht ganz lustig los. Jens Rohrers Ich-Erzähler begibt sich als EU-Bürger auf die Reise in die Karpaten. Es bleibt kein Klischee aus: bekloppte Zöllner, Rumänien, Schnaps bis zum Umkippen, Bären, Dracula usw. Den Leuten scheint es zu gefallen. Sie lachen.

Isabella Mamikonian
Isabella Mamikonian ist die Jüngste im Kreis der Autoren & Autorinnen. Sie hat den Schreibwettbewerb der Altersgruppe 4. bis. 6. Klasse gewonnen. Und es geht in ihrem Text um eine Traumreise auf eine bezaubernde Insel. Wie sollte es auch anders sein, wo das Thema beim Wettbewerb doch vorgegeben war: Reisen.

Susanna Rasch
Als Nächstes liest Susanna Rasch eine Beziehungsgeschichte mit psychologischem Tiefgang vor. Was kann Karriere aus Menschen machen? Diese Geschichte ist eine mit Todesfolge. Gut dass danach Musik kommt. Gute Musik. Man kann das soeben Gehörte vergessen. Das spricht eigentlich für die Autorin.

Michael von Benkel & Klaus W. Sporer
Die zweite Leserunde wird vom Nestor der Ingolstädter Literaturszene eröffnet: Klaus W. Sporer. Der Musiker (Instrumentalist & Komponist), Maler und Dichter liest aus seinem elften Gedichtband, „der allerdings noch bei einem Verlag liegt“. Wie lang noch, wisse er aber nicht. Wie man das aus anderen Lesungen des Allroundkünstlers schon kennt, tritt er auch hier mit Michael von Benkel auf, der das Vorgelesene mit Gitarrenklängen ergänzt. Klaus W. Sporer liest mit seiner prägnanten, tiefen Stimme Aphorismen und Gedichte. Als Zuhörer kann man die zwei Gattungen nicht voneinander unterscheiden, sind Reime doch auch für Sporer kaum noch ein Lyrikmerkmal.

Fiona Dittrich
Fiona Dittrich ist die Siegerin des Schreibwettbewerbs in der Altersgruppe 7. – 9. Klasse. Sie begibt sich in ihrem Text auf eine Zeitreise. Und die führt in die Zukunft, wie es von einer so jungen Autorin wohl auch zu erwarten ist.

Michael von Benkel
Michael von Benkel ist das treibende Element in der Ingolstädter Literaturszene. Er führt auch in dieser Literarischen Nacht (die eigentlich nur ein etwas längerer Abend ist) umsichtig und zurückhaltend Regie. Aber er liest auch. Seine Protagonisten sind pubertierende Mädchen und Jungen. Lustig. Ja, so waren wir halt alle mal.

Susanne Feiner
Nach einer Pause mit Snacks, Erfrischungen und Bücherkauf geht es erst mal weiter mit Musik. Dann betritt Susanne Feiner die Bühne. Auch sie gehört zu den bekannten Literaten der Stadt. Verschwörungstheorie heißt ihr Lesestück. Wer jetzt allerdings eine Kriminalgeschichte erwartet, wird enttäuscht. Die Autorin philosophiert Rund um den Imperativsatz „Schalten sie ihr Gerät nicht aus!“ Das kennen wir doch alle: Welche verrückten Antagonismen eine solche Aufforderung (ob am Fernseher oder am Computer) hervorrufen kann. Alttag eben. Das wirkliche Leben.

Margherita Ragucci
Margherita Ragucci hat die beste Erzählung der 10- bis 12-Klässler beim Wettbewerb geschrieben und auch vorgelesen. Hier im Lesen liegt auch eine besondere Begabung der Vortragenden. Auch sie liest einen Reisetext, autobiographisch angehaucht. Aber wie sie ihn liest, das ist bemerkenswert. Eine moderatorinreife Aussprache mit dem entsprechenden Timbre dazu. Ein sprachlich wirklich einwandfreier Text. Da darf der Plot schon mal kaum bemerkt ins Hintertreffen geraten.

Gerhard Trautmannsberger
Der folgende Autor liest aus seinem Buch mit Kurzgeschichten. Gerhard Trautmannsberger hat sich für einen Start aus dem Erdendasein entschieden. 10, 9, 8, ... 1 (der Staub der eigenen Frau wird über dem Fluss ausgestreut), 0 (Abheben in die Ewigkeit). Diese Erzählung lebt aus ihrer DDR-Perspektive. Sie hat einen starken metaphorischen Unterbau.

Alexander Bálly
Vorsicht Sex! So wird der Autor mit seinem Text (eigentlich sind es zwei) angekündigt. Man schaut sich unwillkürlich im Raum nach Kindern um. Es sind keine da, wo es ja auch schon gegen 23 Uhr geht. Also kann Alexander Bálly loslegen. Wir sind auf alles gefasst. Und dann angenehm überrascht. Sex ja, aber ohne extravagante Ausreißer in eine tiefrote Milieusprache. Natürlich ist Sex ein Prozess des Werdens, des Entstehens. Und hier kommt er voll zur Geltung, und zwar in einer der (Schul)Biologie entlehnten Sprache. Literatur macht es möglich. Schön. Es gibt viel Applaus.

Dominik Neumayr
Dann betritt der letzte Lokalmatador die Bühne. Mit einem Buch in der Hand. Daraus liest Dominik Neumayr Das Kopftuchmädchen, eine Liebesgeschichte. Ohne Sex. Nur Liebe. Platonisch. Trotz Kopftuch. Zwei Kulturen. Dazwischen ein Kopftuch, das aber (hoffentlich) keine Hürdenfunktion bekommt. Wir erfahren das eigentlich nicht, denn das Ende dieser sich anbahnenden Liebesbeziehung bleibt offen. ... Möge der Leser/Zuhörer doch darüber nachdenken. Die Zeichen der Zeit sind dafür günstig.

v. l.: Paulina Urban, Anna Metko,
Klara Metko
Und somit ist auch diese Literarische Nacht in Ingolstadt vorbei - eine gelungene Veranstaltung mit qualitätsmäßig unterschiedlichen Texten und qualitätsmäßig sehr guter Musik. Pauli and the Komets nennen sich die drei jungen Damen, die sowohl instrumental als auch stimmlich, repertoiremäßig und interpretativ auf höchstem Niveau musizierten. Ihre Lieder strahlen viel Ruhe aus, sie kommen in balladeskem Gewand daher und verströmen Folkatmosphäre. Einstimmig, zweistimmig, dreistimmig, und das in beeindruckender Dynamik einstudiert: wohltuend leise, sich durch Crescendo ins Forte erhebend, ohne dabei störend laut zu werden. Und das alles notenfrei, was zusätzlich für die Musikalität der drei Musikerinnen spricht. Wenn diese Mädels zusammenbleiben, werden sie auch über die Region Ingolstadt hinaus Gehör finden. Natürlich haben sie auch eine Facebookseite.

Warum nicht alle im Programmheft der 24. Ingolstädter Literaturtage angekündigten Autoren zu Wort kamen und dafür andere auftraten, wurde von den Organisatoren nicht bekanntgegeben.
Anton Potche

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen