Seit 24 Jahren gibt es in der Donaustadt die Ingolstädter
Literaturtage. Heuer geht das kleine, aber feine Literaturereignis vom
26. April bis zum 17. Mai 2017 über die verschiedenen Bühnen der Stadt. Und wieder
geben sich mehr oder weniger bekannte Namen der deutschen Gegenwartsliteratur
die Ehre: Feridun Zaimoglu, Denis Scheck, Eva Gritzmann, Dr. Heiner
Geissler, Amelie Fried, Akos Doma (aus der Nachbarstadt
Eichstädt), Martin Walker, Navid Kermani und Wladimir Kaminer.
Fotos: Anton Potche |
Jens Rohrer |
Isabella Mamikonian |
Susanna Rasch |
Als Nächstes liest Susanna Rasch eine Beziehungsgeschichte
mit psychologischem Tiefgang vor. Was kann Karriere aus Menschen machen? Diese
Geschichte ist eine mit Todesfolge. Gut dass danach Musik kommt. Gute Musik.
Man kann das soeben Gehörte vergessen. Das spricht eigentlich für die Autorin.
Michael von Benkel & Klaus W. Sporer |
Die zweite Leserunde wird vom
Nestor der Ingolstädter Literaturszene eröffnet: Klaus W. Sporer. Der Musiker (Instrumentalist & Komponist),
Maler und Dichter liest aus seinem elften Gedichtband, „der allerdings noch bei
einem Verlag liegt“. Wie lang noch, wisse er aber nicht. Wie man das aus
anderen Lesungen des Allroundkünstlers schon kennt, tritt er auch hier mit Michael von Benkel auf, der das
Vorgelesene mit Gitarrenklängen ergänzt. Klaus
W. Sporer liest mit seiner prägnanten, tiefen Stimme Aphorismen und
Gedichte. Als Zuhörer kann man die zwei Gattungen nicht voneinander
unterscheiden, sind Reime doch auch für Sporer
kaum noch ein Lyrikmerkmal.
Fiona Dittrich |
Fiona Dittrich ist die Siegerin des Schreibwettbewerbs in der Altersgruppe 7. – 9.
Klasse. Sie begibt sich in ihrem Text auf eine Zeitreise. Und die führt in die
Zukunft, wie es von einer so jungen Autorin wohl auch zu erwarten ist.
Michael von Benkel |
Michael von Benkel ist das treibende Element in der Ingolstädter Literaturszene. Er führt
auch in dieser Literarischen Nacht (die eigentlich nur ein etwas längerer Abend
ist) umsichtig und zurückhaltend Regie. Aber er liest auch. Seine Protagonisten
sind pubertierende Mädchen und Jungen. Lustig. Ja, so waren wir halt alle mal.
Susanne Feiner |
Nach einer Pause mit Snacks,
Erfrischungen und Bücherkauf geht es erst mal weiter mit Musik. Dann betritt Susanne Feiner die Bühne. Auch sie
gehört zu den bekannten Literaten der Stadt. Verschwörungstheorie heißt ihr Lesestück. Wer jetzt allerdings eine
Kriminalgeschichte erwartet, wird enttäuscht. Die Autorin philosophiert Rund um
den Imperativsatz „Schalten sie ihr Gerät nicht aus!“ Das kennen wir doch alle:
Welche verrückten Antagonismen eine solche Aufforderung (ob am Fernseher oder
am Computer) hervorrufen kann. Alttag eben. Das wirkliche Leben.
Margherita Ragucci |
Margherita Ragucci hat die beste Erzählung der 10- bis 12-Klässler beim Wettbewerb geschrieben
und auch vorgelesen. Hier im Lesen liegt auch eine besondere Begabung der
Vortragenden. Auch sie liest einen Reisetext, autobiographisch angehaucht. Aber
wie sie ihn liest, das ist bemerkenswert. Eine moderatorinreife Aussprache mit
dem entsprechenden Timbre dazu. Ein sprachlich wirklich einwandfreier Text. Da
darf der Plot schon mal kaum bemerkt ins Hintertreffen geraten.
Gerhard Trautmannsberger |
Der folgende Autor liest aus
seinem Buch mit Kurzgeschichten. Gerhard
Trautmannsberger hat sich für einen Start
aus dem Erdendasein entschieden. 10, 9, 8, ... 1 (der Staub der eigenen Frau
wird über dem Fluss ausgestreut), 0 (Abheben in die Ewigkeit). Diese Erzählung
lebt aus ihrer DDR-Perspektive. Sie hat einen starken metaphorischen Unterbau.
Alexander Bálly |
Vorsicht Sex! So wird der
Autor mit seinem Text (eigentlich sind es zwei) angekündigt. Man schaut sich
unwillkürlich im Raum nach Kindern um. Es sind keine da, wo es ja auch schon
gegen 23 Uhr geht. Also kann Alexander
Bálly loslegen. Wir sind auf alles gefasst. Und dann angenehm überrascht.
Sex ja, aber ohne extravagante Ausreißer in eine tiefrote Milieusprache.
Natürlich ist Sex ein Prozess des Werdens, des Entstehens. Und hier kommt er
voll zur Geltung, und zwar in einer der (Schul)Biologie entlehnten Sprache.
Literatur macht es möglich. Schön. Es gibt viel Applaus.
Dominik Neumayr |
Dann betritt der letzte
Lokalmatador die Bühne. Mit einem Buch in der Hand. Daraus liest Dominik Neumayr Das Kopftuchmädchen, eine Liebesgeschichte. Ohne Sex. Nur Liebe.
Platonisch. Trotz Kopftuch. Zwei Kulturen. Dazwischen ein Kopftuch, das aber
(hoffentlich) keine Hürdenfunktion bekommt. Wir erfahren das eigentlich nicht,
denn das Ende dieser sich anbahnenden Liebesbeziehung bleibt offen. ... Möge
der Leser/Zuhörer doch darüber nachdenken. Die Zeichen der Zeit sind dafür
günstig.
v. l.: Paulina Urban, Anna Metko, Klara Metko |
Und somit ist auch diese Literarische
Nacht in Ingolstadt vorbei - eine gelungene Veranstaltung mit qualitätsmäßig
unterschiedlichen Texten und qualitätsmäßig sehr guter Musik. Pauli
and the Komets nennen sich die drei jungen Damen, die sowohl
instrumental als auch stimmlich, repertoiremäßig und interpretativ auf höchstem
Niveau musizierten. Ihre Lieder strahlen viel Ruhe aus, sie kommen in
balladeskem Gewand daher und verströmen Folkatmosphäre. Einstimmig,
zweistimmig, dreistimmig, und das in beeindruckender Dynamik einstudiert:
wohltuend leise, sich durch Crescendo ins Forte erhebend, ohne dabei störend
laut zu werden. Und das alles notenfrei, was zusätzlich für die Musikalität der
drei Musikerinnen spricht. Wenn diese Mädels zusammenbleiben, werden sie auch
über die Region Ingolstadt hinaus Gehör finden. Natürlich haben sie auch eine
Facebookseite.
Warum nicht alle im Programmheft der 24. Ingolstädter Literaturtage angekündigten Autoren zu Wort kamen und dafür andere auftraten, wurde von den Organisatoren nicht bekanntgegeben.
Anton Potche
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