Martha; Profesor Hübner; N-ai de gând, domnule, să laşi garda jos? (Gedenkst du nicht, dich endlich wehrhaft zu zeigen?); Nu-l blamaţi pe ambiţios! (Blamiert nicht den Ambitionierten!) und Cu hora nainte (Mit der Hora vorwärts).
Martha wurde in
der Novemberausgabe 2008 der Temeswarer Literaturzeitschrift ORIZONT
ausführlich von Veronica-Alina Constănceanu besprochen.
Die Rezensentin spricht von einem „massiven Roman, der nur der erste aus einem
wahrhaften Epos, das die Geschichte der Banater Schwaben wiedergeben soll,
ist“. Der Roman handelt von der Deportation in die sowjetischen Arbeitslager am
Donbas und der Autor hat seine eigene Familiengeschichte literarisch
verarbeitet, sind doch sowohl sein Vater als auch seine Schwester im
Arbeitslager gestorben.
In
der Zeitschrift ORIZONT wird in der Novemberausgabe 2010 auch sein zweiter
Roman, Profesor Hübner,
in einer Rezensionsfolge mehrerer rumänischer Neuerscheinungen besprochen. Hier
erfahren wir, dass Ştefan Ehling am 4. November 1940 in Mănăştur
im Kreis Arad geboren wurde und an der Universität Temeswar Philologie studiert
hat.
Es handelt sich bei diesem Buch, Profesor Hübner, das eigentlich Teil einer Trilogie ist, eindeutig um
Erinnerungsliteratur, ohne dass es „in Gänze die Eigenschaften der
Memoirenbände aufweist“, schreibt Rezensent Alexandru Ruja und
unterlegt seine These mit einem ausführlichen Zitat aus dem Roman: „Der Gedanke, meine Memoiren zu schreiben, begann mich nach dem Tode Lenis zu beschäftigen, meine
zweite Frau und die Mutter von Stefan und Robert, unsere Söhne. Fünfunddreißig
Jahre habe ich glücklich (könnte ich sagen) im Kreise der Familie, die ich in
der österreichischen Stadt Graz nach meiner Ausreise aus Rumänien gegründet
habe, gelebt. Als Banater Schwabe aus Jahrmarkt (Giarmata), ein großes und
reiches Dorf aus der Nähe von Temeswar, wurde ich im Januar 1945 in die
Sowjetunion zur «Wiederaufbauarbeit» deportiert. Nach vier Jahren Deportation,
konnten wir, die die Knechtschaft, im Jargon der Zeit «das große Freundesland
aus dem Osten» genannt, überlebt haben, nach Rumänien zurückkehren. Und dann
hat Onkel Stefan, seit mehr als einem viertel Jahrhundert in Graz zu Hause, es
geschafft, Vater zu überzeugen, meiner endgültigen Ausreise nach Österreich
zuzustimmen.“
Natürlich wurde ein 1940 geborener Junge nicht
1945 deportiert. (Die jüngsten deportierten Jungen waren die 17-Jährigen.) Der
Memoirenton des Romans gliedert sich aber anstandslos in ein in Rumänien noch
immer sehr beliebtes Literaturgenre ein: die Erinnerungsliteratur (literatura
de jurnal), die besonders nach dem Sturz des Kommunismus einen Höhenflug
erlebte. Gute Literatur war schon immer auch gut getarnte Fiktion. Und das
scheint auch Ştefan Ehling stellenweise hervorragend
gelungen zu sein, denn anders würden die Rezensenten nicht so ausdrücklich auf
den autobiographischen Charakter seiner Romane hinweisen. Plot und Gestalten
sind Fiktion, aber die Botschaft, die sie transportieren, entstammen dem Wesen
des Autors, seiner Kindheit und Jugend und späteren Lebenserfahrungen im
kommunistischen und postkommunistischen Rumänien
Im März 2011
nimmt sich Eugen Bunaru in ORIZONT ausführlicher
des Romans Profesor Hübner (Verlag
Marineasa) an. Hier erfährt man, dass dieses Buch, 407 Seiten, zeitlich
eigentlich vor Martha angesiedelt
ist. Der Ich-Erzähler heißt Hansi Jung, ein Musiker mit ehemaliger Aktivität im
Grazer Symphonieorchester. Seine Kindheit und Jugend verbringt er in Jahrmarkt
(Giarmata) und Temeswar. Der Rezensent scheut selbst Vergleiche mit Thomas Mann und Robert Musil nicht, wenn er von Ştefan
Ehlings Schreibweise spricht. Man
habe es hier mit einem Roman der Multikulturalität, aber auch mit einem
Antikriegsbuch zu tun. Auch als „sehr guter Porträtist“ gäbe der Autor sich zu
erkennen. Eugen Bunaru schlussfolgert, dass dieser Roman „eine Meditation
über Geschichte und die Verheerungen des Krieges sind, eine mögliche Mahnung
gegen das Vergessen.“
Im Jahre 2012 ist
dann der dritte Band dieser Romantrilogie bei ArtPress erschienen: N-ai de gând, domnule, să laşi garda jos?
(Gedenkst du nicht, dich endlich wehrhaft
zu zeigen?). Lucia Jucu-Atanasiu
hat das Buch im Mai 2013 in der Zeitschrift ORIZONT besprochen. Die Autorin
betont den autobiographischen Charakter des Romans und zählt die Ştefan Ehling nahestehenden Personen auf, deren Schicksale die Handlungsstränge
des Romans beeinflusst haben. Wortwörtlich schreibt sie: „Zu den Unglücklichen,
die auf sowjetischem Boden verstorben sind, gehörten auch Mitglieder der
Familie Ehling: der Vater des Autors, Johann Ehling, gestorben im Donbas im
Jahre 1947, seine Schwester Anna, Onkel Anton, Tante Barbara und Vetter
Nikolaus. Dazu kommt der an der Front gefallene Bruder des Schriftstellers. Das
Leben des Autors steht unter dem Zeichen dieses tragischen Ereignisses im Leben
der Deutschen aus dem Banat und sein literarisches Werk ist die Erfüllung einer
familiären Pflicht des Siebzigers von heute.“
In diesem dritten Band kehrt der
in Graz lebende Hansi Jung (eindeutig das Alter Ego des Autors) nach Jahrmarkt
zurück. Man schreibt das Jahr 1978 und Jungs Vater ist in seinem
Heimatdorf im Alter von 86 Jahren
verstorben. Das sind jene Augenblicke der Rückbesinnung, ohne die wohl kein
Mensch auskommt. Auch Lucia
Jucu-Atanasiu zeigt sich beeindruckt, denn sie zitiert umfangreich aus
Jungs Seelenleben und erwähnt den „lyrischen“ Ton dieser Textstelle: „Seit ich
in Österreich in einer schönen und reichen Stadt wohne, erlebte ich das in der
Literatur als Entwurzelung apostrophierte Gefühl nicht. Manchmal aber denke ich
an mein Dorf, an die Menschen, die ich in der Kindheit und Jugendzeit kannte,
und dann strömt mir eine schmerzhafte Woge wie ein elektrischer Strom durch
Gehirn und Herz. Besonders seit Leni gestorben ist, bewegt mich das Gefühl der
Einsamkeit, das mich immer öfter heimsucht, dazu, in Gedanken bei den Lieben zu
weilen, die es nicht mehr gibt, und an den Orten, die mir mit einer goldenen
Aura in der Erinnerung erhalten geblieben sind.“ Als Fazit hält die Rezensentin
fest: „Historischer Roman, Gesellschaftsroman, Familienroman, Liebesroman - Gedenkst du nicht, dich endlich wehrhaft zu
zeigen? verdient es, von einem breiteren Publikum gelesen zu werden.“
Ştefan Ehling hat so manchen Literaturkritiker in Rumänien
beeindruckt. Marian Odangiu sieht
den pensionierten deutschen Rumänischlehrer in einer Reihe mit Mikkel Birkegaard, Alasdair Gray, Paulo Coelho,
Orhan Pamuk, Ioan Petru Culianu, Constantin Ţoiu oder Marin Preda (ORIZONT, 2/2015) und Simona-Grazia
Dima schrieb schon nach dem Erscheinen seines
ersten Romans in ROMÂNIA LITERARĂ, 37/2008 von einer „Zivilisationslektion mit
überlegener Moral, die, glauben wir, das größte Verdienst dieses Dokumentars
darstellt.“
Und warum spielt gerade Jahrmarkt
(Giarmata) als Heimat des Ich-Erzälers Hansi Jung eine Rolle in dieser
Romantrilogie? Auf diese Frage habe ich leider keine Antwort gefunden - weder in
Franz Jungingers Ortssippenbuch der katholischen
Pfarrgemeinde Jahrmarkt / Banat (obwohl der Name Ehling einmal vorkommt) noch in Luzian Geiers Deportationslisten in dem Jahrmarkter Heimatblatt Deportation 1945. Diese Frage kann der
Autor nur selber beantworten. In der in Reschitza erscheinenden Zeitschrift împreună, miteinander, együttesen (Nr. 32 / November 2010) kommt der Autor zwar sehr
ausführlich zu Wort, seine Beziehung zu Jahrmarkt (falls es überhaupt eine gibt)
bleibt aber im Dunkeln.
Ștefan Ehling
Fotoquelle: USR, filiala Timișoara
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In einer Kurzvita des Rumänischen Schriftstellerverbandes
heißt es, dass Ştefan Ehling nach dem Besuch der Grundschule
„im Heimatort“ – ob damit allerdings Mănăștur oder Grabatz, wie es in anderen
Quellen heißt, gemeint ist, wird nicht präzisiert – von 1952 bis 1959 die
Pädagogische Schule (Școala pedagogică din Timișoara) besucht hat
und auf der Philologiefakultät der Universität Temeswar die Studienfächer
Deutsch und Rumänisch belegt hat (1959 – 1964). Danach war er Rumänischlehrer
in Grabatz (nach anderen Quellen hat er auch Deutsch unterrichtet) und
anschließend von 1968 bis 2006 unterrichtete er an mehreren Schulen in Drobeta
Turnu-Severin. In den Jahren 1968 und 1969 sowie von 1990 bis 1994 war er auch
Schulinspektor. Ştefan Ehling ist Mitglied des
Rumänischen Schriftstellerverbandes
(USR). Seine Frau Maria
Ecaterina Ehling unterrichtet die Fächer Rumänisch und Französisch.
Als
ehemalige Jahrmarkter dürfen wir auf jeden Fall stolz sein, im wohl
umfangreichsten belletristischen Werk in rumänischer Sprache, das sich
ausführlich mit der Deportation der Banater Schwaben in sowjetische
Arbeitslager befasst, als Kulisse eine nicht unwesentliche Rolle spielen zu
dürfen. Und sollte sich eines Tages herausstellen, dass Ştefan Ehlings Wurzeln doch auch nach Jahrmarkt führen, dann
hätten wir neben Adam Müller-Guttenbrunn
schon den zweiten bedeutenden Romancier, dessen Abstammungsgemälde auch einen
Jahrmarkter Farbtupfer trägt. Nebenbei könnte so langsam aus dem Musikantendorf
auch noch ein Literatendorf werden. Zu spät ist es eigentlich nie - solange
sich noch ein Altjahrmarkter zu seiner Abstammung bekennt.
Anton Potche
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