Gabriela Firea
Fotoquelle: ADEVĂRUL
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Jetzt wird er aber von einer Dame aus den eigenen Reihen
scharf angegriffen: Gabriela Firea,
Oberbürgermeisterin von Bukarest und Mitglied im Vorstand der PSD. Beim besonders von den
Auslandsrumänen gesehenen Fernsehsender TVRinternational hat sie Liviu Dragnea vorgeworfen, sich von
Schleimern und Nepoten umgeben zu haben, auf die falschen Berater – oft
außerhalb der Partei – zu hören und einen klandestinen Krieg gegen sie, Firea, zu führen. Zwischen seinen
Worten und Taten gebe es überhaupt keine Kohärenz. So schade er dem
Führungsgremium der Partei, der Partei im Allgemeinen, dem Land und dem Volk.
Die Sozialdemokraten in Rumänien haben über 500.000
Mitglieder und so mancher im Land fragt sich, wie es möglich war, dass ein
Strafverfolgter mit Hilfe einer Handvoll devoter Emporkömmlinge nicht nur eine
so große Partei, sondern ein Parlament und die Regierung eines ganzen Landes in
die Knie zwingen und die Justiz derart beeinflussen konnte, dass er eines Tages
nicht im Gefängnis, sondern im Präsidentenpalast landen könnte. Beim letzten
Parteitag der PSD schrie er im Stile eines
„Wollt Ihr den totalen Krieg?“ in den Saal: „Wollt Ihr, dass ich Euer
Vorsitzender bleibe?“ Was folgte, erinnert doch sehr stark an die
Ovationsorgien für den Nationalkommunisten Nicolae
Ceaușescu.
Übrigens hat die ganze Politik in Bukarest etwas Burleskes
an sich. Es geht in allem, was beschlossen und nicht beschlossen wird, nur um
den Machtkampf zwischen Regierung und Präsidialamt. Wenn zum Beispiel der
Präsident, also Klaus Johannis, laut
Verfassung noch immer der Träger des höchsten Amtes im Staat und mit vielen
Vollmachten ausgestattet (nicht vergleichbar mit den meistens repräsentativen
Aufgaben des deutschen Bundespräsidenten), die Regierungschefin Viorica Dăncilă ins Präsidentenpalais
zu wichtigen Haushaltsgesprächen bittet, schwänzt die Chefin der Exekutive das
Treffen und begibt sich zu einem geplanten Regierungsbesuch nach Spanien. Klaus Johannis reagiert, wo er doch
wusste, dass es sich um eine lange geplante Reise handelt (mit Gesprächen auf
Regierungsebene und einem Besuch beim spanischen König), wie eine beleidigte
Leberwurst und kommt selber nicht zu seinem eigenen Treffen mit den zwei von Viorica Dăncilă delegierten Ministern,
sondern lässt sich von zwei Präsidentialräten
vertreten. Rumänische Journalisten sprechen offen von Buffas. Caragiale hätte mit Sicherheit seine
helle Freude an den gegenwärtigen politischen Zuständen in der rumänischen
Hauptstadt gehabt. Da muss einem beherzten Rumänen ja Angst und Bange vor der
bevorstehenden EU-Ratspräsidentschaft Rumäniens werden. Mehr als lächerlich auf
der europäischen Bühne kann man sich in der jetzigen politischen Konstellation
ja wohl kaum machen.
In dem anderen Politspektakel geht Gabriela Firea in ihren Angriffen auf Dragnea sogar soweit, dass sie ihren Parteivorsitzenden der
Spionage bezichtigt. Das Bukarester Rathaus wird auf Geheiß des PSD-Chefs von
Mitarbeitern eines rumänischen Geheimdienstes beobachtet, sagt die streitbare
Dame. Dragnea dementiert und
behauptet in seiner demütigen Art, er habe überhaupt nichts gegen die Oberbürgermeisterin
(in Rumänien trägt sie den Titel „Generalbürgermeister“ – für Berufe und Ämter
gibt es in diesem Land kein weibliches Pendant), und verlangt Beweise für diese
Anschuldigung. Da fehlt wirklich nicht viel, dass er ihr sogar eine
Liebeserklärung macht. Warum auch nicht, hat seine Kontrahentin doch in einem offenen
Brief an die PSD-Mitglieder beteuert, dass sie weder Parteichefin noch
Staatspräsidentin werden will, sondern nur im Interesse der Partei und der
Bukarester Bürger handle. Das klingt von beiden Seiten so, als würde es wirklich nur
und nur um die Sache und in keiner Weise um Sympathien und Antipathien gehen. Also
wäre da auch kein Machtkampf im Gange, sondern … Ja, was denn?
Liest man diesen offenen Brief Gabriela Fireas (ADEVĂRUL, 7. September 2018), dann fragt man sich,
ob das jetzt ein Rückrudern oder ein Werben für die eigene Sache sein soll. Auf
jeden Fall gibt es schon Stimmen, die vom politischen Selbstmord der Bukarester
Oberbürgermeisterin reden. Der rumänische Kulturphilosoph Andrei Pleșu scheint ob der politischen Landschaft in seinem Land schlicht zu
resignieren. In einem Beitrag der Zeitschrift DILEMA VECHE (Nr. 759, 6.
– 12. September 2018) schreibt er: „Ich habe es auch in der vergangenen Woche
gesagt: Ich kann die heutige politische Szene Rumäniens nicht mehr weiter
kommentieren, traurig, verzweifelt oder ironisch. Ich will mich nicht mehr
vereinnahmen lassen von verwirrenden Situationen und der unverantwortlich
dilettantischen Choreografie einiger Personen zweiter und dritter Güte mit
lärmenden Schlauberger-Strategien und napoleonischen Ambitionen. Ich ziehe es
vor, mich in andere Epochen zurückzuziehen, zwischen andere Politiker, um so
den Lesern und Potentaten von heute dienlicher zu sein. Ich glaube nicht, dass
Letztere die Gewohnheit haben (falls sie sie überhaupt je hatten) zu lesen.
Aber ich werde ihnen kurze Texte aus den Werken ihrer Vorgänger in Erinnerung
rufen, hoffend, dass ihre eingeschlafenen Seelen sich zu ein bisschen Anstand,
ein klein wenig Verantwortung aufraffen können. Ich habe drei Auszüge aus einer
Rede Titu Maiorescus vor der Kammer vom 12. November 1882 ausgesucht. […]“
Bleibt die Flucht aus der Realität der einzige Weg, um den
Verhältnissen an der Dâmbovița zu entrinnen? Mag sein. Sicher ist, dass einer
es nicht lange auf diesem Weg aushält: Andrei
Pleșu. Und das ist gut
so, würde Klaus Wowereit sagen.
Da es an
Peinlichkeiten im rumänischen Politschauspiel anscheinend nie genug sein kann,
bezichtigen Mitglieder der zwei Regierungsparteien, PSD und ihr Juniorpartner ALDE
(Allianz der Liberalen und Demokraten), das Demokratische
Forum der Deutschen in Rumänien des Nazismus. Man hat es in diesen Parteien
nie verkraftet, dass der Siebenbürger Sachse Klaus Johannis Staatspräsident wurde (und jetzt sogar noch die
Chuzpe hat, für eine zweite Amtszeit zu kandidieren) und der Banater Schwabe Ovidiu Ganț im Parlament ab und zu auch
gegen die Gesetzesvorlagen der zwei Fraktionen stimmt, und das sogar gegen das
Abstimmungsverhalten seiner eigenen Fraktion
der Minderheiten.
Auf jeden Fall
scheint der Herbst im politischen Bukarest noch heißer als der eben zu Ende
gehende Jahrhundertsommer zu werden.
Anton Potche
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