Montag, 8. Oktober 2018

Die richtige Wahl … mit einer Macke

Ich hatte an jenem letzten Mittwochabend des Septembers die Wahl: Söder kontra Hartmann auf BR oder Kruse auf ARD. Nach einigem Zögern habe ich mich für Kruse entschieden. Und ich sage es gleich vornweg, es war – mit einigen Abstrichen - die richtige Wahl vor der Wahl in Bayern am 14. Oktober. Es war eine Entscheidung für die fiktionalisierte Vergangenheit gegen einen von abgedroschenen Sprüchen geprägten Wahlkampf. Nur zur Präzisierung: Markus Söder ist der Spitzenkandidat der CSU und Ludwig Hartmann jener der Grünen. Und Kruso ist Alexander Krusowitsch, einer der zwei Hauptfiguren des Filmdramas Kruso (Drehbuch: Thomas Kirchner, Regie: Thomas Stuber).

Sie sind nicht arm an Zahl und auch nicht an Inhalt, die Filme, die das Leben in der verblichenen DDR zum Thema haben. Es sind nicht alle auf dem Niveau eines Streifens wie  Das Leben der Anderen. Aber Filmstoffwahrnehmungen sind ebenso vielfältig wie unsere Wahrnehmungsunterschiede im wirklichen Leben. Und so mancher Kinobesucher oder Fernsehzuschauer wird sich mit guten Gefühlen an die Film- oder Serientitel Der Turm, Bornholmer Straße, Weissensee, Good Bye, Lenin! oder Jenseits der Mauer erinnern. Die neuesten Ergänzungen dieser (unvollständigen) Auflistung sind Der Ballon, Werk ohne Autor und eben Kruso.

Ort der Handlung: Hiddensee, die kleine Ostseeinsel neben der großen Insel Rügen. Man sollte wirklich schon mal dort gewesen sein, kann ich aus eigenem Erleben sagen. Vielleicht hat mich auch darum Kruso so angesprochen. Vordergründig die Landschaft und tiefer schürfend die Schicksale der Protagonisten und das Aussteigermilieu der DDR. Und das hat es tatsächlich nicht nur in den Kulturnischen der großen Städte (Berlin, Leipzig, Dresden u.a.) gegeben, sondern auch in der Abgeschiedenheit der kleinen Insel am nördlichen Ende der DDR. Natürlich ist dieser Film Fiktion, aber der Schriftsteller Lutz Seiler, nach dessen gleichnamigem Roman der Film entstanden ist, wird in einer Besprechung des Streifens mit den Worten zitiert: „Im Sommer 1989 war ich Abwäscher im ‚Klausner’, man braucht diese authentischen Ausgangspunkte, die das Erfinden beglaubigen.“


Kruso (re.) und Ed halten Ausschau
FotoQuelle: ARD-Video
„Zum Klausner“ ist ein Ausflugslokal in einer Villa, die vor DDR-Zeiten wahrscheinlich schon bessere Tage erlebt hat. Und dort spielen sich die meisten der Szenen dieses Films ab. Keines der großen Themen der Menschheit fehlt: Liebe, Freundschaft, Verrat, Sehnsucht nach Freiheit und nicht zuletzt auch Gewalt. Dabei gibt es keine ausgeglichene Gewichtung. Die Freundschaft zwischen Kruso und Edgar, den alle nur Ed nennen, steht eindeutig im Vordergrund. Aber die gesamte Handlung spielt vor dem Hintergrund des Zerfalls der DDR. Der Zerfall des ostdeutschen Staatsgebildes findet für die Aussteiger im Radio statt. Und die hören genau hin und einer nach dem anderen wird vom Sog der Freiheit erfasst.

Nicht nur der „Klausner“ wird leer und leerer. Auch ganz Hiddensee. Die vielen Fluchtgedanken übers Meer finden ihre Verwirklichung im Abwandern übers Festland. Nur eine Freundschaft hält. Kruso (Albrecht Schuch) und Ed (Jonathan Berlin) bleiben ..., bis der sterbende Kruso auf einem russischen Patrouillenboot in der Weite der Ostsee verschwindet. Der Letzte macht das Licht aus. Es ist Ed. Er war als Letzter im „Klausner“ beschäftigt worden und geht jetzt als Letzter.

Dieser Film lebt nicht von einer Spannung, die auf eine Aufklärung oder eine Überraschung hinsteuert, sondern eher mit einem „ruhigen Erzählfluss, poetischem Ton und literarischen und philosophischen Anspielungen und Exkursen überzeugt“, wie Volker Bergmeister im DONAUKURIER schreibt. Und doch hat mich persönlich – und wenn ich ins Internet schaue, nicht nur mich – etwas geärgert. Ich kann zwar nachvollziehen, dass man während eines Fluchtversuchs aus der DDR eher geflüstert, als laut und verständlich geredet hat. In Kruso wird aber eindeutig zu oft zu leise gesprochen. Ich saß mit der Fernbedienung in der Hand und versuchte mit der Lautstärkentaste, mir so viel Dialog wie möglich zu retten. Mit mehr Unmut als Erfolg. Eigentlich Schade, für ein ansonsten ansprechendes Kinoprodukt der ARD. Kulturauftrag erfüllt, würde ich als Fernsehzuschauer sagen, nur halt mit einer Macke.


Anton Potche

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