Diese Frage stellte ich mir kürzlich ganz spontan, als ich
in der Ingolstädter Bücherei saß und einen Artikel von Michael Braun las: «Sinn und Form»: Das literarische
Aushängeschild der DDR wurde den Machthabern schon bald suspekt. (NEUE
ZÜRCHER ZEITUNG, 29.01.2019). Als Untertitel war zu lesen: Vor siebzig Jahren wurde in der DDR die Zeitschrift «Sinn und Form»
gegründet. Sie hat allen historischen Umbrüchen getrotzt.
Der Autor dieses Beitrages hat das Erscheinen der Nr. 1/2019
von SINN UND FORM zum Anlass
genommen, etwas weiter auszuholen und über die Geschichte dieser Zeitschrift
einige Worte zu verlieren sowie die Hauptprotagonisten des „letzte[n]
Ankerpunkts einer einst überaus lebendigen Kultur der Literaturjournale, das letzte klassische Organ der literarischen Öffentlichkeit,
das den Imperativen der Digitalisierung noch widersteht“, zu würdigen. Und wir
begegnen wahrlich keinen Unbekannten: Johannes
R. Becher, Peter Huchel, Sebastian Kleinschmidt und Matthias Weichelt. SINN UND FORM war von 1949 bis 1990 eine
DDR-Literaturzeitschrift und ist seit 1991 eine gesamtdeutsche
Literaturzeitschrift – also rein geographisch gedacht. Inhaltlich ist eine gute
Literaturzeitschrift immer global, sowohl die Autoren der Beiträge betreffend
als auch ihre Themenfelder.
Von dieser Prämisse ausgehend, habe ich mich auf die Suche
nach Autoren und Themen mit rumänischem Bezug gemacht, deren Präsenz in dieser Publikation
für die jeweiligen Herausgeber einen «Sinn»
ergab. Und so sieht das Resultat einer leicht zu führenden Recherche im
Internet dank einer guten Homepage (SINN UND FORM) aus: Gabriela Adameșteanu (mit Veröffentlichungen in den Jahren 2008 und
2016), Aharon Appelfeld (2003,
2018), Tudor Arghezi (1956, 1958,
1972), Rose Ausländer (1988), Ștefan Bănulescu (1974), Eugen
Barbu (1965), Béla Bartók jun. (1983),
Ana Blandiana (1991, 1993, 2005,
2017), M. Blecher (2014), Edit Boda (2014, 2016), Geo Bogza (1953, 1974), Ion Luca Caragiale (1952), Mircea Cărtărescu (2012), Paul Celan (1962), Constantin Ciopraga (1974), Emil
M. Cioran (1999), Oskar Walter Cisek
(1957, 1965 – mit einem Beitrag über Mihail
Sadoveanu), Andrei Ion Deleanu
(1965), Ștefan Augustin Doinaș
(1974, 1989), Mircea Eliade (1996), Franz Hodjak (1990, 1995, 1998, 2001,
2013), Nora Iuga (2007, 2010, 2014),
Alexandru Ivasiuc (1978), Eugen Jebeleanu (1960), Elfriede Jelinek (1990, 2004), Sándor Kányádi (2006), Jan Koneffke (1996), György Ligeti (1993), Valentin Lupescu (1974 – Gespräch mit Nina Cassian und Alfred Kittner, 1978), Norman Manea (1996 – Gespräch mit Marta Petreu, 1997, 1998, 1999, 200,
2001, 2003, 2006, 2007 – „Saul Steinberg
- ein Dadaist?“, 2010 – „Begegnung mit Cioran“, 2017), Georg Maurer (1952, 1955, 1956, 1957, 1959, 1965, 1966, 1968, 1970,
1971, 1972, 1987, 1992), Herta Müller
(2004), Fănuș Neagu (1974), Gerhard Ortinau (2000), Miron Radu Paraschivescu (1974), Florin Constantin Pavlovici (2017), Carmina Peter (2014 – über M. Blecher),
Alexandru Philippide (1974), Dumitru Radu Popescu (1974), Marius
Daniel Popescu (2018), Petru Popescu
(1974), Dana Ranga (2009, 2010,
2018), Mihail Sadoveanu (1953), Horst
Samson (2014), Eginald Schlattner
(2010), Dieter Schlesak (1993, 1996,
1999), Gheorghe Schwartz (2008), Mihail Sebastian (1998), Werner Söllner (1991, 1997), Nicolaus Sombart (1998), Marin Sorescu (1998), Zaharia Stancu (1951, 1974), Stelian Tănase (2010 – „Cioran im Visir
der Securitate“), Vladimir Tismănianu
(1996 – „Rumäniens mystische Revolutionäre”), Tristan Tzara (1956), Vasile
Voiculescu (1974), Alexandru Vona
(2003) und Richard Wagner (2011).
Das ist schon
eine bemerkenswerte Liste. Also ist sie präsent, die rumänische Literatur, im
Alltag des deutschen Literaturbetriebs, und das nicht nur während der zwei
großen Buchmessen in Deutschland. Dabei könnte es sein, dass ich den einen oder
anderen Namen vielleicht noch übersehen habe, oder von den Beziehungen anderer
zu Rumänien nichts weiß. Nicht übersehbar ist jedenfalls, dass die Herausgeber
ihr Augenmerk sowohl auf die literarischen Produktionen von in Rumänien stets
sesshaften Schriftstellern als auch von Exilschriftstellern geworfen haben. Bei
Letzteren handelt es sich neben rumänischen auch um jüdische und
rumäniendeutsche Literaturschaffende. Nicht uninteressant sind auch jene Namen
mit oft schon dem Verblassen nahen familiären Ursprungsbande in diese
südosteuropäische Region, nicht mehr Mitteleuropa, aber auch noch nicht Balkan.
Zudem kommt in der „rumänischen“ Auslese nicht nur der Generationenproportz zum
Tragen, sondern, wie Michael Braun
treffend für die Gesamtauflage von SINN UND FORM bemerkt, auch die „unterschiedlichsten Denktraditionen und literarischen
Gegensätze – postmarxistische Ansätze ebenso wie Denkfiguren einer
konservativen Intelligenz“.
Anton Potche
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