Austragungsort
des Poetenwettstreits: Donaubühne im Klenzepark zu Ingolstadt
Zeit:
15. Juni 2019; 19:30 Uhr
Moderation:
Kevin Reichelt
Zuschauer:
ca. 1500 (laut Veranstalter)
Anzahl
der Poeten: 8
Anzahl
der Juroren: 5
Die
Reihenfolge der Auftritte wird per Los festgelegt.
Notenvergabe:
Die jeweils kleinste (1) und größte Note (10) werden gestrichen, die Summe der restlichen drei
ergibt die Bewertungsnote des Poeten. (Bei mehreren gleichen Höchst- oder
Niedrigstnoten wird nur jeweils eine gestrichen.)
Austragungsmodus:
zwei Runden mit je vier Konkurrenten. Dazwischen eine Pause. Die bestnotierten
Poeten (unabhängig von der Runde) bestreiten anschließend ein Poeten-Duell. Der
Sieger wird von der Zustimmungslautstärke des Publikums erkoren.
Eintritt
freiKevin Reichelt |
Von
Organisator und Moderator Kevin Reichelt
erklärte Spielregeln des Poetenwettstreits: „Regel Nr. 1 – selbst verfasste Texte;
Regel Nr. 2 – unser Zeitlimit, das sind 5 Minuten 30, und nach 5 Minuten 30,
die , die schon mal da waren, wissen, was dann passiert, dann komm ich und mach
ein bisschen Schmarrn und dann hat der Slamer oder die Slamerin so ungefähr
noch 30 Sekunden Zeit, um den Text zu beenden, eher 15, aber wir sind heute
bisschen faier und es ist auch okay, wenn‘s noch ‘ne halbe Minute dauert; Regel
Nr. 3 – keine Requisiten, keine Kostüme, keine Instrumente, das Einzige, was
hier zählt ist der Text, das Textblatt darf mitgenommen werden und eben der
Poet, die Poetin selbst, alles andere ist verboten; Regel 4 – die sag‘ ich
mittlerweile dazu, es ist zwar auf dieser Bühne eigentlich textmäßig alles
erlaubt, aber wenn es um Fremdenfeindlichkeit oder Menschenhass oder Rassismus
oder Sexismus geht, dann werden wir da einhacken und wer dann kommt mit das ist
Meinungsfreiheit, dem sag ich dann einfach nur, dass Menschenfeindlichkeit oder
Fremdenfeindlichkeit keine eigene Meinung ist, sondern einfach Scheiße ist. Und
Regel Nr. 5 – die müsst Ihr beachten, und die heißt nämlich respected power,
wenn hier jemand redet, sei es Poet, Poetin oder Moderator, so ungerne Ihr mich
auch möcht, ist mir egal, dann ist bitte, bitte Ruhe.“
Peter Parkster |
Peter Parkster (Ingolstadt), fränkischer Meister 2014: "Dieser Text spielt in meiner WG. Es wird schon langsam dunkel, als Thomas mit Jacke und Stiefel in die WG kommt. >Wir müssen was tun, Leute<, sagt er aufgeregt, >die Lage ist ernst<. Sofort sind Michael, Tobi und ich in Allarmstimmung und jeder geht in Gedanken die schlimmstmögliche Situation durch, die er sich vorstellen kann. Michael vermutet, seine katholische Freundin hat seine Fetischmagazine gefunden, Tobi erwartet, dass gleich ein Antidrogenkommando der Polizei die Bude stürmt und das Kokain findet, von dem er nicht einmal uns erzählt hat, und ich stelle mich auf das Schlimmste ein, das ich mir vorstellen kann, dass niemand mehr zu uns […] kommen will. Sofort entwerfe ich im Kopf Strategien, wie man einen Besucherschwund vermeiden könnte, und obwohl ich lange und angestrengt nachdenke, schafft es auf meine Liste nur ein Punkt: Kuchen." […]
Korbinian Schmid |
Für diesen Vortrag gab‘s von der
Jury 23,5 Punkte. „Applaus für Korbinian, nicht für die Wertung“.
Barbara Gerlach |
Barbara Gerlach (Nürnberg): "Ich habe einen Fehler begangen,
ich war beim Friseur. Nun gut, das
allein ist jetzt noch nicht so tragisch, aber ich habe es nicht lassen können,
mir dort einige Frauenmagazine durchzublättern. Dabei stieß ich auf ein Quiz
mit dem Titel Sind sie gut im Bett -
Welches Tier entspricht ihrem Sextrieb? Da genau diese Frage mich schon
immer beschäftigte, arbeitete ich das Quiz geflissentlich durch und zählte die
Punkte zusammen. Mein Ergebnis lautete wie folgt: Das Tier, das Ihnen am
meisten entspricht, ist der Panda. Pandas haben fast kein Sex. Sie essen
lieber. Wenn sie nicht schlafen, hocken sie fast die ganze Zeit auf ihrem
Hinterteil und stopfen laut schmatzend Blätter in sich hinein. Der Panda ist
zwar echt scheiße, aber für die selbstbewusste Frau ab … 90 ist der Sextrieb
des Pandas vollkommen ausreichend. Dieses Ergebnis war für mich so ein Schock,
dass mir fast meine Notfall-Familien-Pitza aus der Hand gefallen wäre. Scheiße,
dachte ich, wenn ich daran nicht arbeite, verlässt mich mein Freund doch
hundert prozentig. Wer will schon mit einem doofen, ständig fressenden, sexuell
desintressierten, Bambus mampfenden, langweiligen Möchtegernbären zusammen
sein?" […]
Für diesen Vortrag gab‘s von der
Jury 23,5 Punkte. „Applaus für Barbara, nicht für die Wertung."
Philipp Potthast |
Philipp Potthast (München), Bayerischer Meister 2019: "Ich bin Philipp und wenn ich nicht gerade auf Poetry-Slam-Bühnen stehe, dann
studiere ich Jura. Und was soll ich sagen zu Jura, das ist jetzt nicht unbedingt
der allersympathischste, coolste Studiengang, sag ich mal. Also es ist so, wenn
mich Elektrotechniker in der Mensa sehen, dann sagen sie: >du Opfer<. Das
ist der Coolnesgrad, den mal als Jurastudent hat, und das hat einen Grund zum
Teil, und zwar versuchen Jurastudenten,
immer die ganze Zeit so megastrukturiert rüberzukommen, so als wären sie
megaorganisiert. Also es ist so, ich habe Kommilitonen, die schicken in
WhatsApp-Gruppen, die wir haben, wirklich morgens um 8 regelmäßig ein Selfie
von sich in der menschenleeren Bütt und schreiben so drunter: Erster. Das ist
so der Style bei uns. Und bei mir ist es so: Ich bin leider nicht so
strukturiert und deswegen setzt mich das ganze sehr unter Druck, tatsächlich,
dass alle so nach außen tragen, wie strukturiert sie sind. Und deswegen hab
ich, um damit umzugehen, einen Text geschrieben, in dem ich mich in jemand, der
ein so strukturiertes, organisiertes Leben führt, hineinversetze. Und der Text
geht folgendermaßen: „Egal wohin ich mich bewege / wo ich steh, wo ich sitz, /
seh‘n mich die Leute an / mit Widerwille und Eckel im Blick. / Und wenn mich
einer von denen / aus nächster Nähe erwischt, / dann sagt er, geh mir aus dem
Weg, / du dummes Penisgesicht. / Doch ist okay, dass die mich schmähen, / ich
versteh‘, wie das ist, / denn ich hab das, was sie nicht haben, / mein Leben im
Griff / denn ich bin ordentlich und pünktlich, / immer sorgsam und vernünftig,
/ lese meine Mails regelmäßig, / aufmerksam und gründlich. / Ich bin einfach
der Shit. / Wenn ich einkaufe, dann nehm‘ ich, / statt ‘ne Tüte dort zu kaufen
von daheim eine mit. / Ich versäume keine Frist. / Hab noch nie geraucht, /
doch stets ‘ne Packung Streichhölzer dabei, / falls wer sein Feuerzeug
vergisst." […] (Vorgetragen im
Rapper-Stil.)
Für diesen Vortrag gab‘s von der
Jury 28,5 Punkte. „Applaus für Philipp, nicht für die Wertung."
Pause
mit längerem Stromausfall!
Dominik Neumayr |
Dominik Neumayr (Ingolstadt): "Man kennt das ja,
man wacht morgens nebeneinander auf und während man noch schlaftrunken kaum aus
den Augen sieht, hört man neben sich eine verführerische Stimme fragen: Möchten
wir noch gemeinsam frühstücken oder brunchen? Auf solch eine verlockende Frage
kann es natürlich nur eine Antwort geben: >Nein, will ich nicht, ich hasse
nämlich Frühstücken und Brunch, Brunch hasse ich erst recht. Was soll denn das
überhaupt sein? Ein weniger Kompromiss. Sag mir noch einmal das Brunche und ich
beiß‘ dir deinen Finger.< Meistens bin ich für diese Hasstirade morgens zu
müde und es kommt nur ein >Prr, ne<. Grundsätzlich ist mir der Sinn eines
Frühstücks ja bekannt. Nicht bekannt ist mir jedoch, warum man gemeinsam
frühstücken sollte oder noch schlimmer, warum man sich dafür extra treffen
sollte in einem dieser ekelhaften Hipster-Cafés." […]
Für diesen Vortrag gab‘s von der
Jury 22,5 Punkte. „Applaus für Dominik, nicht für die Wertung."
Bumillo |
Bumillo (München), Stand-Up-Comedian,
Kabarettist, Bayerischer Vizemeister 2014, Deutscher Teammeister 2009: "Hei,
ich hab was Krasses entdeckt im Supermarkt, es gibt jetz neies Wasser, ich woaß
net, ob des schon jemand von eich trunken hat, es gibt jetz Smartwater, weil man kennt des, man
trinkt Leitungswasser, es is super gegen den Durscht, aber es is so bisschen
dumm. Leitungswasser is so dumm, des is nicht der Lifestyle, den wir ham meechten
2019, und drum gibt’s jetz Smartwater und
des hat n‘en fantastischen Slogen vorne auf der Flaschen und zwar: Inspired by clouds. >Von Wolken
inspiriert.< Un ich han mer denkt, was hoaßt des, ja?, Wasser inspired by clouds, is des aus der
Dachrinne gefischt, hei, >Wasser inspired by clouds< is wie >Milch inspired
by cows<, oder, wenn Vater und Sohn denselben Vornahmen haben, >Klaus
inspired by Klaus<, und das allercoolste is, Smartwater gibt’s in Still und mit Sprudel, also sparkling, und damit jeder checkt, he,
was bedeutet das eigentlich, sparkling,
steht hinten auf der Flasche die Bonuszeile: Eleveted by tiny bubbles. Ingolstadt, ohne Scheiß! Eleveted by tiny bubbles! Und ich hab
mich vuil mit Sprache beschäftigt in meim Leben, ja?, und Eleveted by tiny bubbles is die coolste, ästhetischste und
poetischste Formulierung für‘n >Furz in der Badewanne ever<." […]
Für diesen Vortrag gab‘s von der
Jury 29,0 Punkte. „Applaus für Bumillo, nicht für die Wertung."
Eberhard Kleinschmidt |
Eberhard Kleinschmidt (Braunschweig), nach eigenem
Bekunden „fast 80 Jahre alt“: "Der Text, den ich jetzt vortrage, ist
überschrieben: Der Nacktmann. Leute,
ich sag‘s euch heute, / in diesen Tagen bin ich nackt. / Ist das beknackt? /
Bei dieser Hitze ich schwitze, / der Schweiß bis zum Steiß er läuft, / und da
sich häuft. / Der Nacktmann sagt’s und wagt’s, / zieht sich ganz aus, / macht
sich nichts draus. / In diesen Tagen bin ich einfach nackt. / Ist das
vertrackt, oder gar verkackt? / Ich ziehe mich jetzt nicht mehr an, / ich mag
nicht mehr, ist zu viel dran, zu warm." […]
Für diesen Vortrag gab‘s von der
Jury 23,0 Punkte. „Applaus für Eberhard, nicht für die Wertung."
Felix Kaden |
Felix Kaden (Erlangen): "Wenn Moses mich fragen
würde, Mopois, wie komm ich auf Moses, wenn Mopois mich fragen würde, hätt ich
die blaue Pille genommen, aber mich fragt ja nichts, also hab ich an Odans
Ausschlafen geschrieben: Lass mich liegen, lass mich flusen, lass mich durch
die Lacken krusen, lass mich flusen, nochmals nusen. Nur noch
einmal snusen. Geh mir weg mit deinem Kaffee, lass mich schlechtgelaunt sein,
ich zieh mir noch eine rein, eine Feinstelei von reinen, verfeinerten
Schlafsandpartikeln, welche mir zwischen Wimpern und Augenlidern kleben, vom
Sandmann mein Propheten. […] Ich träume luzide, bin der King des Hypothalamus,
bleibe gern liegen, selbst wenn ich mal Pipi muß." […]
Für diesen Vortrag gab‘s von der
Jury 27,0 Punkte. „Applaus für Felix, nicht für die Wertung."
Finale: Philipp Potthast und Bumillo treten gegeneinander an mit
jeweils anderem Text.
Philipp Potthast hat laut
Applausbarometer – wie immer subjektiv - den finalen Poetenwettstreit mit Bumillo für sich entschieden.
Fotos: Berns Toni |
Es gab
ein Gruppenfoto und der Poetry Slam am Donauufer war beendet. Eine tolle
Geschichte für ein gemischtes Publikum: pointierte Texte, verdiente Sieger und
keine Verlierer. Das nennt man einen schönen Sommerabend an der Donau in
Ingolstadt.
(Die obigen Zitate habe ich nach
Gehör niedergeschrieben, also könnte sich schon die eine oder andere Abweichung
vom Originaltext eingeschlichen haben. Dafür geht an die Poeten mein
bedauerndes Pardon!)
Anton
Potche
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