Schon der Eingangsmarsch ließ aufhorchen, wo man ja nicht
wusste, was auf einen zukommt, gastierte dieses Orchester doch zum ersten Mal
in der Donaustadt. Der Ceremonial March des
Belgiers Jan Van der Roost (*1956)
ist hervorragend dazu geeignet, ein ausgewogenes Klangerlebnis zu
gewährleisten. Das 1984 komponierte Stück startet mit einem Paukeneinsatz und entwickelt sich schnell zu einer nicht zu
verleugnenden Hommage an Sir Edward Elgar (1857 – 1934), den Autor der
inoffiziellen Hymne des Königreichs England, wie auch Peter Seufert (Klarinette & Moderation) in seiner kurzen und
informativen Moderation andeutete.
Das zweite Stück stellte schon die Vielseitigkeit und
Schwarmvirtuosität dieses Bläserensembles unter Beweis. Wer nicht hinsah,
bemerkte kaum, dass hier keine Streicher am Werk sind. Filigran in allen Lagen
und absolut auf der Höhe der eingeforderten Bläsertechnik erklang die
dargebotene Ouvertüre zur Oper Wilhelm
Tell von Gioacchino Antonio Rossini
(1792 - 1868). Das war schon ein Gänsehautgefühl, als diese Tutti-Bläsersätze
in sehr ausgewogener Lautstärke und in rasendem Tempo über die Köpfe – und wohl
durch so manches Herz – des Auditoriums flogen. Damals war es Rossinis letzte Oper (Uraufführung 1829
in Paris) und die Zeit des „schönen Gesangs“, und hier im Festsaal des
Stadttheaters Ingolstadt war es instrumentaler Belcanto in Reinkultur.
Dann war im Programmheft der Solotrompeter Martin Ehlich angekündigt. Es musste
aber leider bei der Ankündigung bleiben, denn seinen Auftritt vereitelte ihm
ein Motorradunfall. Für ein Profiorchester ist das aber nicht unbedingt ein
Beinbruch. Der Trompeter Peter Millich
verließ sein Pult an der Trompete, stellte sich neben den Dirigenten und ließ
das Publikum seine zum Teil atemberaubenden Silberfäden
von Hart Pease Danks (1834 – 1903) bewundern. Das am folgenden Tag in Bayern (bisher nur in Bayern
und auch das zum ersten Mal) Großelterntag war, dürfte ein reiner Zufall
gewesen sein. Dass Silberfäden aber
mit den ergrauten Haaren einer Oma oder eines Opas zu tun haben könnten, ist
nicht ausgeschlossen. Wie heißt es doch so schön bei Vico Torriani (1920 - 1998): „Silberfäden zart durchziehen / meiner
Mutter weiches Haar, / Silberfäden heute zieren / ihr das Haupt so wunderbar.“
Jacques Press
(1903 - 1985) ist ein in Georgien geborener Komponist, der zwar die meiste Zeit
seines Lebens in den USA verbrachte, aber mit dem Virus der südosteuropäischen
und asiatischen Musik infiziert war. Sein Weg in die USA führte über Paris und
Istanbul. Das war auch im Hochzeitstanz
aus der symphonischen Suite Hasseneh erkennbar, besonders als das Xylophon
stellenweise die Melodieführung übernahm. In der Heimatstadt des Georgischen
Kammerorchesters war das schon ein interessanter bläsermusikalischer
Einwurf. Das hat hervorragend in die Musikzeitgeschichte der Stadt an der Donau
gepasst.
Die von Prof.
Mösenbichler angestrebte Steigerung im Programm funktionierte. Garant dafür
war ein Werk in fünf Sätzen von W.
Francis McBeth (1933 - 2012), ein amerikanischer Komponist und Dirigent. Of Sailors and Whales ist eine
Programm-Suite mit betitelten Sätzen und einem Sprecher (Peter Seufert). Musikalisch erzählt wird die Geschichte von
Moby-Dick, hier unterteilt in die Musikkapitel Ishmael, Queequeg, Father Mapple, Ahab und Der weiße Wal. Dieses Werk zeigt, was
man mit einem Blasorchester alles anstellen kann – im positivsten Sinn dieses
Wortes. Von der Sehnsucht nach den endlosen Weiten der See bis zum
Existenzkampf des Menschen gegen die Natur ist alles in eine musikalische
Narration gebettet, die nicht zuletzt dank des hervorragend agierenden
Sprechers vom Publikum in einer eingesetzten Mäuschenstille (kein Husten, kein
Räuspern) regelrecht aufgesaugt wurde. Plötzlich
erklingt ein Choral, in einwandfreiem A-cappella-Gesang von den 45 Musikerinnen und Musikern (die nur
nach Qualität und nicht nach Quote im Orchester sitzen, wie der Dirigent später
in einem Gespräch mit der BR-Moderatorin Regina
Wallner präzisierte) vorgetragen. Sakrale Stimmung. Gänsehaut im Festsaal.
Pause.
Der zweite Teil beginnt zünftig. Marschmusik in bester
tschechisch-altösterreichischer Tradition. Habsburg scheint nie untergegangen zu sein. Und wer
könnte diese Nostalgie besser vermitteln, als der Österreicher Johann Mösenbichler. Unsere Helden nannte Julius Fučík (1903 – 1943) sein Opus
289. Straff, aber voller sich gegenseitig ablösender Motive klingt dieser
Marsch. Da war noch Zuversicht vorhanden. Der 1. Weltkrieg war erst in seinem
zweiten Jahr, als der tschechische Kapellmeister diesen Marsch schrieb. Da gab
es noch Helden.
Im folgenden Stück konnte ein Euphonist seine Spielkunst
unter Beweis stellen. Tobias Epp
spielte mit dem Schönklanginstrument For
a Flower von Hermann Pallhuber (*1967).
Ein schönes Stück, mit kantilenenhaft getragenen Passagen, aber auch virtuosen
Rauf- und Runterläufen. Besonders an diesen Stellen könnte man vielleicht noch
ein wenig schrauben. Zumindest ich hatte das Gefühl, dass das Stück in diesen
Allegro-Tempi etwas überinstrumentiert ist. Das kann an einer anderen Stelle
des Saals aber schon wieder ganz anders geklungen haben. Ein eher meditatives
Euphonium hat nun mal nicht die Strahlkraft einer jubelnden Trompete.
Fotos: Anton Potche |
Dafür gab es noch zwei Zugaben und eine Zuzugabe für das zahlreiche
Publikum [The Catalyst von Manfred Hechenblaickner (*1971) – 1.
Flügelhornist in diesem Orchester und Vielen
Dank für die Blumen von Udo Jürgens (1934-2014)],
auf dessen Dank auch in Scheinen man hoffte, denn der Eintritt zu dieser sehr
gelungenen und hochwertigen Konzertveranstaltung war frei. Die nach dem Konzert
eingesammelten Spenden kommen in Gänze (ohne Verwaltungskosten) den
„Sternstunden – Wir helfen Kindern“ des Bayerischen Rundfunks zugute.
Ingolstadt kann sich über einen Mangel an konzertanter
Blasmusik wahrlich nicht beklagen. Für den 25. Oktober hat die Audi
Bläserphilharmonie ein Benefizkonzert im Festsaal des Stadttheaters
angekündigt und am 26. November spielt das Musikkorps der Bundeswehr am selben
Ort für einen guten Zweck.
Anton Potche
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