Montag, 11. November 2019

Klaus oder Viorica

Mit dieser Befürchtung, dass es da einem wirklich gelingen könnte, ihre PSD-Burg zu erstürmen und ihr beträchtlichen Schaden zuzufügen, lebten die rumänischen Sozialdemokraten schon seit dem Jahre 2014, als Klaus Werner Johannis (*1959), ein Siebenbürger Sachse, der nicht mit der Ausreisewelle seiner Landsleute mitgerissen worden war, Präsident Rumäniens wurde. Obwohl die PSD zusammen mit den Nationalliberalen (PNL) ihn fünf Jahre vorher (2009) sogar als Prämier vorgeschlagen hatten, wurde das Verhältnis zwischen den Altkommunisten, wie viele die PSD in Rumänien heute noch sehen, und dem liberal gesinnten Johannis (die Rumänen schreiben Iohannis) nie richtig warm. Frostig  wurde es aber besonders nach der Machtergreifung in der PSD durch den jetzt im Gefängnis sitzenden Liviu Dragnea. Das war 2015.

Johannes ante portas. Das wiederum war in den letzten Jahren aber alles andere als ein lustiges Papa-ante-portas-Durcheinander, sondern ein Kampf um die Macht im Lande, in der sich die Widersacher nichts schenkten. Schon wegen der Verbissenheit des „Deutschen“ war das stets eine ausweglose Situation. Der in seiner Physis und seinen Prinzipien standfeste Johannis war nie zu Konzessionen bereit und hat dort, wo die Verfassung es ihm ermöglichte, versucht Fehler der Regierungen zu verhindern oder zu korrigieren. Mit einer Ausnahme, als von 2015 bis 2017 ein Technokratenkabinett unter Dacian Cioloș regierte, hatte Rumänien in der Amtszeit Klaus Johannis’ vier PSD-Regierungen (allein oder mit Partner). Das bisher letzte PSD-dominierte Kabinett mit Premierministerin Viorica Dăncilă wurde am vergangenen Montag, dem 4. November, durch ein Misstrauensvotum im Parlament gestürzt. Die Nationalliberalen haben die Regierungsverantwortung  übernommen, regieren aber mit einer politischen Minderheit im Zwei-Kammern-Parlament, in dem zurzeit acht Gruppierungen vertreten sind. Der neue Regierungschef  heißt Ludovic Orban und ist weder verwandt noch verschwägert mit dem ungarischen Regierungschef  Viktor Orbán. (Ob sich durch diese Namensvetternschaft das stets angespannte Verhältnis zwischen Rumänien und Ungarn verbessern wird, darf ruhig angezweifelt werden.)

Johannis wird auf jeden Fall alles daransetzen, die aktuelle Regierung zu unterstützen, zumindest bis zur nächsten Parlamentswahl im kommenden Jahr. Er selber versucht sein Mandat durch die gestern abgehaltene Präsidentschaftswahl um weitere fünf Jahre zu verlängern. 13 Bewerber um das höchste politische Amt in Rumänien wollen ihm das Amt streitig machen. Bei der letzten Wahl konnte Johannis im zweiten Wahlgang 54,43 Prozent der abgegebenen Stimmen gewinnen.

Der diesjährige Wahlkampf hat gezeigt, dass von Anfang an Johannis in den Umfragen weit vorne lag. Die Analysten und Journalisten in Rumänien fragten immer nur nach dem eventuellen Herausforderer oder der Herausforderin Johannis' im zweiten Wahlgang. Auch die bisherige Prämierministerin und PSD-Vorsitzende (nach dem Abgang Dragneas), Viorica Dăncilă, war im Rennen. Denn, dass es zu einer Stichwahl kommen würde, war allen klar. (2014 lag Johannis im ersten Wahlgang mit 30,37 Prozent noch klar hinter seinem stärksten Konkurenten Victor Ponta mit 40,44 %).

Wie so oft bei Wahlkämpfen und Wahlen, nicht nur in Rumnien, gibt es auch hier Kurioses zu berichten. Der von der Partei Neamul Românesc (Rumänisches Volk) nominierte Kandidat Ninel Peia ist in der Nacht vom vergangenen Mittwoch auf Donnerstag aus einem Hotel in der siebenbürgischen Stadt Klausenburg (Cluj) verschwunden. Aufgefunden wurde er einen Tag später im Kloster Putna – betend. Also wenn alle gläubigen Orthodoxen Rumäniens ihn für diesen Vertrauensbeweis in Gott gewählt hätten, wäre er jetzt der neue Präsident Rumäniens.

Eine andere Schildbürgergeschichte: Bereits am Freitag vor dem ersten Wahlgang haben 2000 Briefwahlwähler aus der rumänischen Diaspora (Auslandsrumänen) ihre Wahlzettel für den zweiten Wahlgang ans Wahlbüro geschickt. Entweder sind das alles Hellseher oder Rumänen, die ihre Muttersprache schon vergessen haben. Oder ... die rumänische Amtssprache ist nicht unbedingt verständlicher als die deutsche.

Nun liegt das Ergebnis des ersten Wahlgangs von gestern vor. Und die Überraschung ist faustdick. Nicht weil Klaus Johannis nur mit 36,91 Prozent als Gewinner aus diesem Urnengang hervorging, sondern weil Viorica Dăncilă als Zweite in die Stichwahl gehen wird. Diese Frau hatten doch alle abgeschrieben. Man hat ihr besonders nach dem Sturz ihrer Regierung eventuell den fünften Platz zugetraut – den sie in der rumänischen Diaspora auch erreicht hat. Und jetzt hat sie 23,45 Prozent bekommen und liegt weit vor den hoch gehandelten Dan Barna (14,19%) und Mircea Diaconu (9,17). Und Ninel Peia? Der belegt mit 0,33% den vorletzten Platz der Kandidatenliste. Er wurde nicht erhört. Es muss wohl an der Inbrunst gelegen haben. Erfolgreich beten ist gar nicht so leicht. Auch in der Politik nicht.


Klaus Johannis
(als Bürgermeister von Sibiu/Hermannstadt)
&  seine Herausforderin Viorica Dăncilă
FotoMontage: Anton Potche
Und jetzt gehtʼs in die zweite Runde. Am 24. November findet die Stichwahl statt. Und wenn man die Wahlgeschichte von 2014 heranzieht, übertreibt man bestimmt nicht, wenn man  annimmt, dass Johannis sein zweites Mandat noch nicht in der Tasche hat. Dăncilă scheint ein gutes Gespür für Wahlkämpfe zu haben. Sie geht aufs Land, dort wo die meisten Rumänen noch leben … und nicht wenige von ihnen in alten, zwar brotlosen, aber immerhin nostalgisch verklärten Zeiten. Auch scheint ihre PSD noch immer stark zu sein. Man sollte diese Partei nicht unterschätzen. Klar – den Rumänen stehen zwei Wochen spannender Wahlkampf bevor. Im Kloster in sich gehen hilft nicht. Raus auf die Straße und unters Volk – das könnte Stimmen bringen. Für Klaus oder Viorica
Anton Potche

P.S.: Laut hotnews.ro hat Klaus Johannis die Stichwahl zum Präsidentenamt mit 66,10 % zu 33,89 % der Stimmen gegen seine Herausforderin Viorica Dăncilă gewonnen. Somit beginnt für den Präsidenten Rumäniens seine zweite Amtszeit. Eine Legislaturperiode dauert 5 Jahre.

Ingolstadt, 25.11.2019
Anton Potche

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