Montag, 17. August 2020

Kein schöner Film

Nein, das ist kein schöner Film. Und trotzdem bereue ich es nicht, bis zu seinem Ende aufgeblieben zu sein: 0:45 Uhr, in der Nacht vom Donnerstag, 16. Juli 2020, auf den Freitag.Glück ist was für Weicheier, Komödie (D 2018), mit E. Frey, Martin Wuttke, Emilia Bernsdorf.“ So stand es im ZDF-Programm. Und ich hätte mir bestimmt nicht die Nacht um die Ohren gehauen, wenn meine Frau im Laufe des Tages nicht zufällig auf den Namen der Regisseurin gestoßen wäre: Anca Miruna Lăzărescu – geschrieben in deutschen Medien wie so oft ohne diakritische Zeichen. Das hat mich neugierig gemacht - den Film leider nicht schöner. Aber ich habe durchgehalten bis zum bitteren Ende. Und das hatte nur einen Grund: Der Streifen ist gut, verdammt gut.

Das wiederum hat bei mir schon während des Filmablaufs und erst recht an den Tagen danach die Frage aufgeworfen: Was an diesem Film macht ihn zu einer Komödie? Nichts! Das ist keine Komödie, sondern ein todernster Film über Leben und Tod, ja, wesentlich mehr über den Tod als über das Leben. Wer kann sich schon ausmalen, was es heißt, als alleinstehender Vater mit zwei pubertierenden Mädchen, von denen eines Tag für Tag einem unabwendbaren Tod durch eine schweren Krankheit entgegen schlittert, zurechtzukommen? Dieser Film gibt Aufschluss darüber. Die Regisseurin hat hier zusammen mit der Drehbuchautorin Silvia Wolkan nicht das große Drama, das Sich-an-den-Haaren-Reißen (nur ganz wenige Szenen gehen in diese Richtung) auf die Leinwand gebannt, sondern den stillen, unausweichlichen Weg des Schicksals erzählt - in oft sehr ergreifenden Bildern ohne übertriebenen Pathos, und ohne sich in Klischees zu verirren.

Besonders die kleinere der zwei Schwestern, Jessica, mit Charme und - trotz aller Rückschläge in den ersten Liebeswünschen - stets spitzbübischem Lächeln unterwegs, wird überzeugend von Ella Frey gespielt. Auch die anderen zwei Akteure der Familie Gabriel werden glaubwürdig dargestellt. Während Sabrina, obwohl sich alles um ihren Tod dreht, eine Art Gleichgewicht zwischen einer Haupt- und gleichzeitigen Nebenrolle herstellt (verkörpert von Emilia Bernsdorf), hat Martin Wuttke es mit seiner Vaterrolle wesentlich schwerer. Verzweiflung so zu spielen, dass sie nicht ins Larmoyante abdriftet, hat etwas mit Schauspielkunst zu tun. Hier kommt diese Kunst hervorragend zum Tragen.

Anca Miruna Lăzărescu gehört zur jungen Staffel der deutschen Filmregisseurinnen und -regisseure. Sie wurde 1979 in Temeswar / Rumänien geboren und lebt seit 1990 in Deutschland. Ihre Filmstudien absolvierte sie in München an der Hochschule für Fernsehen und Film und in Los Angeles an der University of California. Sie debütierte 2004 und hat seither 11 Spiel und Dokumentarfilme gedreht. 2019 wurde ihr für den Zweiteiler Hackerville der Grimmepreis verliehen.

Für Glück ist was für Weicheier hat Anca Miruna Lăzărescu nicht nur gute Kritiken bekommen. Es ist nun mal kein schöner Film. Ach ja: Da gibt es auch noch diesen kurzen Auftritt der Regisseurin höchst persönlich in dem Film, nämlich als Ärztin mit einem südosteuropäischen, sagen wir mal, rumänischen Akzent. Sympathisch!

Anton Potche

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