Montag, 19. Oktober 2020

Eleonore Schilha sagt leise Servus

„20.15 Uhr, sagt Eleonore Schilha ins Mikro. Der Arbeitsplatz der Inspizientin ist nur über eine Leiter zu erreichen. Hier, neben dem Fenster, hat sie einen guten Überblick. Beim Freilicht, sagt sie, ist die Nervosität groß. Schon morgens hört sie im Halbstundentakt die Wettervorhersagen auf B5.“ (DONAUKURIER, 23. Juli 2001). Es ist ein unstetes Leben, das Leben der Theaterleute, vergleichbar mit dem der Zirkusleute. Spielstättenwechsel gehören zu einer Theaterbiographie. Wie auch das ewige Spiel in Gedanken, es beginnt beim Öffnen der Augen und endet mit dem Sinken in den Schlaf. Selbst der garantiert keine absolute Ruhe, Erholung, Abstand vom Spiel vor und hinter den Kulissen.
FotoQuelle: FLUGSCHRIFT Sept./Okt. 2020
Stadttheater Ingolstadt

Das war auch das Theaterleben der Inspizientin am Stadttheater Ingolstadt, Eleonore Schilha. Begonnen hat es am Deutschen Staatstheater Temeswar. Damals machte die junge Schauspielerin Lore Grün ihre ersten Gehversuche auf den berühmten Brettern, die die Welt bedeuten. Aber sie sollte eine eher unspezifische Repräsentantin dieses Metiers werden. Der Schriftsteller Thomas Stangl schrieb kürzlich in VOLLTEXT (2 / 2020) über den Schriftsteller Georges Perros: „Schon als junger Schauspieler (drei Jahre an der Comédie-Française, bevor er diesen Beruf aufgab) war Perros, wie er öfter erzählt, mehr an den Kulissen interessiert – daran, das Theater von dieser anderen Seite her kennenzulernen – als an der Bühne oder dem Publikum; dort wäre vielleicht das Geheimnis, das Wunder verborgen, allerdings sollte man sich scheuen, es aus dieser Verborgenheit grob ans Licht zu ziehen. Und wirklich findet er (wie er im Nachhinein sagt) hinter den Kulissen nichts.“ So ähnlich, aber doch ganz anders muss Eleonore Schilha irgendwann empfunden und gehandelt haben.

Auch sie wechselte die Perspektive – vielleicht aus den gleichen Beweggründen -, hat aber anscheinend, zum Unterschied von Perros, hinter den Kulissen einiges, wenn nicht gar sehr viel gefunden. Denn sie ist geblieben, nicht nur auf dem Inspizientenposten, sondern, auch das ein Unterschied zu vielen anderen Theatermenschen, viele Jahre lang am gleichen Theater, und sogar an einem der besten in Bayern. Sie war in der Spielzeit 1993/1994 über die Bühnen in Münster und Kaiserslautern mit ihrem Mann, dem Schauspieler und Regisseur Friedrich Schilha, auch ein Deutscher aus Rumänien, nach Ingolstadt gekommen.

1998 hat sie einem Zeitungsmenschen offenbart: „Wenn ich nicht in Rumänien geboren wäre, wäre ich Managerin geworden.“ Mit Management hat tatsächlich auch die Arbeit einer Inspizientin zu tun. Und dazu gehört noch eine gesunde Portion technischer Sachverstand. Ein Stück wird zwar von Regisseuren und Choreographen mit einem Theaterensemble einstudiert. Ihnen gehört die Probezeit. Aber wenn die Aufführung mit Publikum im Saal beginnt, schlägt die Stunde der Inspizienz, damit alle für die Zuschauer unsichtbaren Fäden zu einem gelungenen Theaterstück zusammenlaufen. 27 Spielzeiten lang hielt Eleonore Schilha so manches zum Davongaloppieren neigende Ensemble in Zaum. Ein bewegtes Theaterleben ohne Rampenlicht. „Das wollte ich so“, wird sie in einem Zeitungsartikel zitiert.

Ein Theatermensch durch und durch, der beide Seiten der Kulissen mit all ihren Facetten kennt: das ist Eleonore Schilha. Jetzt sagt sie leise Servus und verabschiedet sich in den wohlverdienten Ruhestand. Das Publikum – ausgenommen eingefleischter Theaterinsider - hat sie nie gekannt und wird sie, nach seiner Rückkehr aus der Coronaverbannung auch nicht vermissen. Umso mehr aber die Schauspieler und Techniker am Stadttheater Ingolstadt.

Anton Potche

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