Das
scheint eine geglückte Symbiose zu sein: die Berlinale und der
rumänische Film. Namen
von Regisseuren wie Cristi
Puiu
(Teilnahme 2020), Radu
Jude
(2020 – drei Filme), Adrian
Cioflâncă
(2020),
Adina
Pintilie
(2020) zeugen
von einer regen Teilnahme an einem der größten Filmfestivals der
Welt.
2013 konnte Călin
Peter Netzer
den
Goldenen Bären mit
dem Filmdrama
Mutter
& Sohn
(Originaltitel Poziția
Copilului)
gewinnen. Im Jahre 2018 wurde die rumänische Regisseurin Adina
Pintilie
für
ihren halbdokumentarischen Streifen Touch
Me Not
ausgezeichnet. Schon 2004 hatte Cristi Puiu
mit Un cartuș de Kent și un pachet de
cafea (Cigarettes
and Coffee) den Berlinalepreis für den
besten Kurzfilm erhalten. Den gleichen
Preis bekam vier Jahre später Bogdan
Mustață
für seinen
10-Minuten-Streifen O zi bună
de plajă
(Ein schöner Tag
zum Schwimmen).
Auch heuer konnte bei den 71. Berliner Filmfestspielen, kurz
Berlinale, 1. bis 5. März, ein rumänischer
Regisseur den begehrten Goldenen Bären gewinnen: Radu
Jude (*1977).
Obwohl sein Film
bisher nur von wenigen Menschen gesehen wurde (Juroren, Kritiker,
Filmhändler), löst er Debatten aus. Handelt es sich um einen Porno,
eine Satire, oder
ist es gar ein sozialkritischer Streifen? Auf jeden Fall scheint es
ein ungewöhnlicher Film
zu sein, so ungewöhnlich wie die gesamten Filmfestspiele überhaupt
waren. Es gab
kein Publikum. Es gab nur Filmfachleute und
das Coronavirus.
Sogar in dem preisgekrönten Film. Schließlich spielt er in der wie
die ganze Welt von der Pandemie heimgesuchten rumänischen Hauptstadt
Bukarest. Mit
Maske also. Und er beginnt „nicht
zimperlich“, wie der DONAUKURIER auf seiner Kulturseite vom 6. März
feststellt. „Man sieht einen Mann und eine Frau, die wild zugange
sind.“ Na und, fragt sich der Leser, Pandemiezeiten sind vielleicht
prädestiniert für coolen Sex. Turbulent
wird die Geschichte in Radu
Judes Liebesfilm – vielleicht ist er
ja das, und nur das -, als einige Schüler im Internet ihre Lehrerin
als die Protagonistin der heißen Liebesspiele erkennen. Ohne
den Film gesehen zu haben, kann man schon ahnen, dass er in unsere
Zeit passt. In der Begründung
der Jury ist vermerkt: „Es ist ein kunstvoll ausgearbeiteter Film, der zugleich
ausgelassen ist, intelligent und kindisch, geometrisch und lebendig,
auf beste Art ungenau.“
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Screenshot: Anton Potche |
Das macht schon mal neugierig. Zwischen dem 9. und
20. Juni 2021 sollen Filmliebhaber in einem Festival mit Publikum die
Chance bekommen, ihre Neugierde zu stillen. So Gott und Corona das
wollen. Sie werden dann auch den Goldenen-Bären-Gewinner
2021 Babardeală
cu bucluc sau porno balamuc (Bad
Luck Banging or Loony Porn),
(Pechbumsen
oder: Bekloppter Porno)
sehen
können - mit
folgenden Schauspielerinnen
und Schauspielern in den tragenden Rollen Katia
Pascariu
–
als Lehrerin Emi (Foto), Claudia
Ieremia
– Direktorin, Olimpia
Mălai
– Frau
Lucia, Andi
Vasluianu
– Herr Otopeanu, Nicodim
Ungureanu
– Herr Gheorghescu, Tudorel
Filimon,
Ilinca
Manolache,
Alexandru
Potocean,
Dana
Voicu.
In
einem Interview mit der WIENER ZEITUNG sprach Radu
Jude
über sein Kunstverständnis und
den triptychonförmigen Aufbau seines preisgekrönten Films:
„Das
Kino ist ein Mittel, um über die Welt mit spezifischen Werkzeugen
nachzudenken. Die Kamera, die Montage, die Form des Films, seine
Architektur und Komposition, das sind für mich essenzielle Dinge.
[…]
Der
Anfang des Films ist sozusagen seine geografische Verortung in
Bukarest. Die Stadt ist keine Abstraktion, sondern ein Spiegelbild
von uns. Man sieht, wie die Menschen zueinander sind. Der zweite Teil
ist wie ein Notizbuch, fast schon poetisch, wenn ich hier etwas
angeberisch sein darf. Der dritte Teil ist der Dialog-Teil, ein
Tribunal, bei dem die Lehrerin sich vor den Eltern verantworten muss.
Das ist jetzt sehr skizzenhaft gesagt, und jeder kann darin etwas
anderes sehen, aber für mich war es die bestmögliche Struktur.“
Anton Potche
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