Montag, 8. März 2021

Die Berlinale und der rumänische Film

Das scheint eine geglückte Symbiose zu sein: die Berlinale und der rumänische Film. Namen von Regisseuren wie Cristi Puiu (Teilnahme 2020), Radu Jude (2020 – drei Filme), Adrian Cioflâncă (2020), Adina Pintilie (2020) zeugen von einer regen Teilnahme an einem der größten Filmfestivals der Welt. 2013 konnte Călin Peter Netzer den Goldenen Bären mit dem Filmdrama Mutter & Sohn (Originaltitel Poziția Copilului) gewinnen. Im Jahre 2018 wurde die rumänische Regisseurin Adina Pintilie für ihren halbdokumentarischen Streifen Touch Me Not ausgezeichnet. Schon 2004 hatte Cristi Puiu mit Un cartuș de Kent și un pachet de cafea (Cigarettes and Coffee) den Berlinalepreis für den besten Kurzfilm erhalten. Den gleichen Preis bekam vier Jahre später Bogdan Mustață für seinen 10-Minuten-Streifen O zi bună de plajă (Ein schöner Tag zum Schwimmen).

Auch heuer konnte bei den 71. Berliner Filmfestspielen, kurz Berlinale, 1. bis 5. März, ein rumänischer Regisseur den begehrten Goldenen Bären gewinnen: Radu Jude (*1977). Obwohl sein Film bisher nur von wenigen Menschen gesehen wurde (Juroren, Kritiker, Filmhändler), löst er Debatten aus. Handelt es sich um einen Porno, eine Satire, oder ist es gar ein sozialkritischer Streifen? Auf jeden Fall scheint es ein ungewöhnlicher Film zu sein, so ungewöhnlich wie die gesamten Filmfestspiele überhaupt waren. Es gab kein Publikum. Es gab nur Filmfachleute und das Coronavirus. Sogar in dem preisgekrönten Film. Schließlich spielt er in der wie die ganze Welt von der Pandemie heimgesuchten rumänischen Hauptstadt Bukarest. Mit Maske also. Und er beginnt „nicht zimperlich“, wie der DONAUKURIER auf seiner Kulturseite vom 6. März feststellt. „Man sieht einen Mann und eine Frau, die wild zugange sind.“ Na und, fragt sich der Leser, Pandemiezeiten sind vielleicht prädestiniert für coolen Sex. Turbulent wird die Geschichte in Radu Judes Liebesfilm – vielleicht ist er ja das, und nur das -, als einige Schüler im Internet ihre Lehrerin als die Protagonistin der heißen Liebesspiele erkennen. Ohne den Film gesehen zu haben, kann man schon ahnen, dass er in unsere Zeit passt. In der Begründung der Jury ist vermerkt: „Es ist ein kunstvoll ausgearbeiteter Film, der zugleich ausgelassen ist, intelligent und kindisch, geometrisch und lebendig, auf beste Art ungenau.“
Screenshot: Anton Potche

Das macht schon mal neugierig. Zwischen dem 9. und 20. Juni 2021 sollen Filmliebhaber in einem Festival mit Publikum die Chance bekommen, ihre Neugierde zu stillen. So Gott und Corona das wollen. Sie werden dann auch den Goldenen-Bären-Gewinner 2021 Babardeală cu bucluc sau porno balamuc (Bad Luck Banging or Loony Porn), (Pechbumsen oder: Bekloppter Porno) sehen können - mit folgenden Schauspielerinnen und Schauspielern in den tragenden Rollen Katia Pascariu – als Lehrerin Emi (Foto), Claudia Ieremia – Direktorin, Olimpia MălaiFrau Lucia, Andi Vasluianu – Herr Otopeanu, Nicodim Ungureanu – Herr Gheorghescu, Tudorel Filimon, Ilinca Manolache, Alexandru Potocean, Dana Voicu.

In einem Interview mit der WIENER ZEITUNG sprach Radu Jude über sein Kunstverständnis und den triptychonförmigen Aufbau seines preisgekrönten Films: „Das Kino ist ein Mittel, um über die Welt mit spezifischen Werkzeugen nachzudenken. Die Kamera, die Montage, die Form des Films, seine Architektur und Komposition, das sind für mich essenzielle Dinge. […] Der Anfang des Films ist sozusagen seine geografische Verortung in Bukarest. Die Stadt ist keine Abstraktion, sondern ein Spiegelbild von uns. Man sieht, wie die Menschen zueinander sind. Der zweite Teil ist wie ein Notizbuch, fast schon poetisch, wenn ich hier etwas angeberisch sein darf. Der dritte Teil ist der Dialog-Teil, ein Tribunal, bei dem die Lehrerin sich vor den Eltern verantworten muss. Das ist jetzt sehr skizzenhaft gesagt, und jeder kann darin etwas anderes sehen, aber für mich war es die bestmögliche Struktur.“

Anton Potche


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