Mittwoch, 7. Juli 2021

Ungeliebte Namensgeber

Wir Ingolstädter sind anständige Leute. Und wir leiden keine Nazis in unseren Reihen. Mehr noch, wir wollen überhaupt keine Erinnerungen in unserer Stadt, die nur ansatzweise etwas Böses in sich tragen könnten. Wir wollen vergessen und nicht von Straßennamen in Albträume versetzt werden. Dabei geht es nicht nur um Nazinamen oder solche, die mit dem braunen Regime in irgendeiner Weise in Verbindung gebracht werden könnten, sondern um Heerführer mit Glorienschein, bei denen man sich unausweichlich die Frage stellen muss: Wie konnten die nur so viele Schlachten schlagen, ohne zu töten?

„Die Erkenntnis, dass jemand mit einem Straßennamen zu Unrecht geehrt wird, muss Folgen haben“, zitiert der DONAUKURIER die Grüne-Politikerin Agnes Krumwiede. Sie wird in ihrer imperativen Feststellung von ihrer Partei, der SPD und den Linken unterstützt. Mit diesem Thema schafft man es auf jeden Fall auf die Tagesordnung des Stadtrat-Kulturausschusses. Übrigens nicht nur in Ingolstadt.

Natürlich hat auch diese Medaille zwei Seiten. Stadtheimatpfleger Matthias Schickel (CSU) wird von der Tageszeitung wie folgt zitiert: „Die Langobarden waren auch keine wandernde Volkstanzgruppe.“ Man kann sich auch zusätzlich fragen, warum Straßennamen nur als Ehrung und nicht auch als Mahnung dienen sollten. Und das bitteschön nicht nur bezogen aufs Dritte Reich, sondern auf die Geschichte schlechthin. Gerade für die Jüngeren könnte das von Nutzen sein – falls sie sich überhaupt für den einen oder anderen Namen interessieren. In den Diskussionen tauchen immer wieder Namen auf wie Johann T‘Serclaes von Tilly (1559 – 1632) – Graf, Heerführer im Dreißigjährigen Krieg; Ernst Udet (1896 – 1941) – Jagdflieger im Ersten Weltkrieg; Helmut Paul Emil Wick (1915 - 1940) – Jagdflieger im Zweiten Weltkrieg; Werner Mölders (1913 - 1941) – Jagdflieger während der NS-Herrschaft; Paul von Hindenburg (1847 - 1934) – Generalfeldmarschall und Politiker.

Foto: Anton Potche
Für eine Stadt wie Ingolstadt dürfte das Potential an ehrenrührigen Namen aber noch nicht ausgeschöpft sein, dachte ich mir und erinnerte mich auch sofort an zwei Straßennamen in meiner unmittelbaren Nachbarschaft: Odilo- und Tassilostraße. Der Bajuvarenherzog Odilo (vor 700 – 748) war nicht besser als andere Herren seiner Zunft: Er führte Krieg. Was sollte man in jener langweiligen Zeit auch anderes tun. Gestorben sind dabei andere, nicht die Kriegführenden.

Foto: Anton Potche
Und sein Sohn Tassilo III (um 1741 – um 796)? Obwohl der nach einem sehr bewegten Leben als Mönch endete, führte auch er in seinen guten Jahren als letzter bairischer Herzog einen Eroberungskrieg gegen Karantanien, ein slawisches Fürstentum auf dem Gebiet des heutigen Kärnten. Also weg damit. Ich meine die Straßennamen in meiner Nachbarschaft.

Der aus dem Banater Dorf Jahrmarkt stammende Wahlingolstädter Franz Pless meinte schon Anfang Mai im DONAUKURIER zu diesem Thema: „Offensichtlich haben Politiker und/oder Zuständige zurzeit viel Zeit, um quasi mal aufzuräumen mit der Vergangenheit, wollen päpstlicher sein als der Papst.“ Vielleicht hat er dabei auch an den Namensgeber des Dorfbrunnens seiner Heimat gedacht: Eugen Franz, Prinz von Savojen-Carignan (1663 - 1736), bekannt als Prinz Eugen. Auch die Kanonen dieses habsburgischen Feldherrn haben bei der Eroberung des Banats nicht mit „Safladi“, wie alte Jahrmarkter nach bewährter österreichischer Tradition ihre selbstgemachte Bratwurst (Brotworscht) nannten, geschossen.

Anton Potche

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