Géza von Cziffra: Kauf dir einen bunten Luftballon – Erinnerungen an Götter und Halbgötter; F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung, München, Berlin, 1975; ISBN 3-7766-0708-4; Seiten 400; (bei verschiedenen Händlern noch online bestellbar von 4,17 € bis 185,89 € - Stand: 16. Januar 2022, 20:42 Uhr)
Am 30. Dezember 1974 beendete Géza
von Cziffra seine Erinnerungen an Götter und Halbgötter mit dem
Geständnis: “Sieglinde ist meine fünfte Frau. Sie bringt seit
siebzehn Jahren Ruhe, Zufriedenheit und Glück in mein Leben. Ich
schrieb dieses Buch für sie, damit sie endlich sieht, wen sie
geheiratet hat.“
Anerkennung und Dankbarkeit für die Liebe einer Frau, begleitet von einem Mea culpa, wo es doch in all den Jahren davor nicht immer so brav und reibungslos über die Bühne ging, das Leben des am 19. Dezember 1900 in Arad geborenen Journalisten, Theaterautors, Romanciers, Filmregisseurs, Drehbuchautors, Filmproduzenten, Dichters und nicht zuletzt Frauenhelden Géza von Cziffra. Auf seine unzähligen Affären mit Sternchen der deutschen und österreichischen Filmszenen der 20er und 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts war er anscheinend recht stolz, denn er wies immer wieder direkt oder in oft amüsanten Anspielungen darauf hin: „In vielen Betten lag ich zwischen einem nackten Mädchen, das Helga, Hilde, Ingrid oder sonstwie hieß, und Victoria, Hamsuns meistverschlungenem Roman, der griffbereit auf dem Nachttisch wartete.“ Oder zu einem im Berliner Hotel Adlon vereinbarten Treffen mit dem weltberühmten schwedischen Weltreisenden Sven Hedin: „Er reiste dann auch ab, ohne das Vergnügen gehabt zu haben, mich zu treffen, denn ich verschlief das Rendezvous. Natürlich nicht allein.“ So klingt gesundes (arrogantes?) Selbstbewusstsein, obzwar diese „Halbgötter“ natürlich nur die Nebenschauplätze in Géza von Cziffras bewegtem Leben bevölkerten.
Wichtig waren ihm eigentlich die
Begegnungen und die Zusammenarbeit mit weiblichen werdenden Stars wie
Elisabeth Bergner, Marlene Dietrich, Greta Garbo,
Marika Rökk u.a. Die Männer der Szene – dazu gehörten
nicht nur Filmmenschen – trafen sich an Stammtischen in Wien,
Berlin, Prag, Budapest oder Hamburg. Und ihre Namen sind nicht
weniger klangvoll: Bertolt Brecht, Ödön von Horváth
– auf seine ungarischen Landsleute war von Cziffra besonders
stolz – Erich Kästner, Max Reinhardt, Hans
Albers, Arnold Schönberg u.v.a.
Géza von Cziffras Art zu
erzählen ähnelt einem lockeren Parlieren. Daten seiner eigenen
Biografie kommen nicht im Tagebuchstil daher, sondern sind an
Begebenheiten gebunden, die keinen Anspruch auf fixe Datums erheben.
So zum Beispiel die Schilderung seiner ersten Begegnung mit dem
damals schon europaweit bekannten Journalisten Egon Erwin Kisch:
„Und nun saß ich im Romanischen Café , gleich am Tag meiner
Ankunft in Berlin, ihm gegenüber und himmelte ihn an. […] Ich
mußte ihm meinen Werdegang erzählen. Daß ich in Siebenbürgen, in
Arad, geboren bin, seit meinem fünfzehnten Lebensjahr schrieb und
mit siebzehn und achtzehn Jahren in Ungarn mit meinen Gedichten
einige Literaturpreise gewonnen hatte. […] Ich erzählte ihm, daß
meine Geburtsstadt 1918, am Ende des Krieges, von den Franzosen und
Rumänen besetzt worden war, daß mich der französische General
Maxim Weygand wegen eines politischen Leitartikels hatte verhaften
lassen, daß ich aus dem Gefängnis geflohen war, den breiten
Maros-Fluß durchschwommen hatte und so nach Ungarn entkommen war.“
Diesen Mut, ja oft Abenteuerlust,
hat sich von Cziffra ein Leben lang bewahrt. Gepaart mit zum
Teil unverschämtem Glück, allerlei von Zufällen und nicht zuletzt
mit einem sehr breiten Netz von Beziehungen hat er diese Courage
besonders in der Zeit der Nazidiktatur gebraucht, um weiter kreativ
bleiben zu können. Es gab auch für ihn Momente, da schien es ihm an
den Kragen zu gehen: „ Ich wurde auf Grund anonymer Anzeigen
vierzehnmal von der Gestapo vorgeladen.“
Natürlich schreibt Géza von
Cziffra auch über sein Filmschaffen: „Ich habe etwa hundert
Drehbücher geschrieben und circa fünfzig Filme inszeniert.“
Einige auch in ungarischer Sprache, soll hier nicht unerwähnt
bleiben. Zu den Produktionen, die er in seinen Erinnerungen erwähnt,
gehören zum Beispiel Das singende Hotel, Nachtschwester
Ingeborg, Banditen der Autobahn, Zwei Engel im
Pullover, Musikparade und noch einige andere.
Zu Musikparade zitiert der Autobiograph den auch noch in unsere Zeit hinein wirkenden (ich denke an die heute 60-
bis 100-Jährigen) Peter Alexander aus der Zeitschrift FRAU IM
SPIEGEL: „Schon mein nächster Film, Musikparade, brachte
mir die Bekanntschaft mit einem Regisseur, dem ich sehr viel verdanke
und der zu den faszinierendsten Persönlichkeiten des deutschen
Showbusiness zählt: Géza von Cziffra. Dieser gebürtige Ungar ist
sozusagen einer der Väter des deutschen Revue-, Tanz- und
Operettenfilms überhaupt.“
von Cziffra hat sich mit
diesem Buch nicht nur seiner fünften Frau vorgestellt, sondern auch
ein zwar leicht verwischtes, aber doch stimmiges Gemälde der deutschsprachigen Filmlandschaft gemalt.
Informativ und unterhaltsam. Und man hat das Gefühl, dass Géza
von Cziffra nicht nur mit den anderen, sondern auch mit sich
selber ehrlich umgegangen ist: „Ich bin ein ziemlich cholerischer
Mensch ...“ Ihn und seine vielen Freunde, Bekannte und Mitarbeiter
kennengelernt zu haben (auch auf vielen Fotos), war mir eine Freude.
Der gebürtige Arader ist am 28. April 1989 in Dießen am Ammersee
gestorben.
(Kauf dir einen bunten Luftballon
ist der Titel einer deutsch-österreichischen
Verwechslungsfilmkomödie aus dem Jahre 1961. Regie und Drehbuch:
Géza von Cziffra, Musik: Michael Jary, Kamera: Willy
Winterstein; Darsteller: Toni Sailer, Ina Bauer,
Heinz Erhard, Paul Hörbiger, Gunther Philipp,
Fritz Muliar, Ralf Wolter u.a.)
Ach ja, solltest du, verehrter Leser, auf einem Spaziergang durch die deutsche und österreichische Literatur- und Filmlandschaft zufällig den Herren Peter Trenk, Richard Anden oder Albert Anthony begegnen, so wisse, es ist immer derselbe Géza von Cziffra.
Anton Potche
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