Montag, 22. August 2022

Im Angesicht der Apokalypse

Untergang hat immer etwas mit dem Bösen zu tun, mit dem Sieg des Bösen. Katastrophen geben sich die Hand und lenken unser Denken, vorwiegend unsere Angst, in apokalyptische Bahnen. Wo kommt es her, dieses Böse? Aus Peking - ein Virus, aus Moskau – ein durchgeknallter Diktator und seine Kamarilla, aus Nordkorea etc., etc.? Das sind nur drei von vielen weiteren Beispielen in der Welt. Und wenn wir keine Erklärungen für all das Böse, Unbegreifliche haben – es könnte doch so ruhig und friedlich auf unserer Erde sein! -, dann greifen wir, oder zumindest einige von uns, zu Erklärungsversuchen, die etwas mit einem Ende der Geschichte oder einem Gericht Gottes und anderen mythisch überhöhten Suchbegriffen zu tun haben. Stars dieser Symbole des Bösen sind seit der Offenbarung des Johannes die vier apokalyptischen Reiter.

Eine Grafik des Albrecht Dürer aus dem Jahre 1498 zeigt sie uns. Furchterregend. Die Inspiration zu diesem Kunstwerk entsprang dem Wort. Dem Bibelwort. Eine geistige Übertragung, die bis heute Bestand hat: Wort & Bild mit Hilfe der Grafik. Auch andere Grafiken gibt es zurzeit zu sehen in der Dürerstadt Nürnberg. Und zwar in der Stadtbibliothek. Kreiert von Sieglinde Bottesch, der in Hermannstadt geborenen und in Ingolstadt lebenden Malerin, Grafikerin und Objektkünstlerin. 

Mythologie und Historie heißt die Ausstellung, bestehend aus 14 Grafiken, die von der Thematik her genauso betroffen machen können wie Dürers apokalyptische Visionen. Auch Sieglinde Bottesch schöpft ihre Themen aus dem Wort, doch nicht nur aus dem Bibelwort, sondern vorwiegend aus der reichen Sagen- und Historienwelt der Siebenbürger Sachsen. Schwarz & Weiß, sie dominieren den ausgestellten Hexenzyklus, und sie geben Anlass zu Gänsehaut. Einige der Grafiken sind mit Erläuterungen aus dem Werk Strafrechtliche Verfolgung der Hexerei von Wolfgang Schild (Rechtshistoriker) versehen. 

Zur ersten Grafik der Reihe kann man zum Beispiel lesen: „Bei einem öffentlichen GERÜCHT, das eine Übeltat betraf und jemanden in Verdacht brachte, bedurfte es keines Klägers. Der RICHTER durfte und sollte von sich aus diesen Verdacht überprüfen, Ermittlungen anstellen und eine Untersuchung („inquisito“) durchführen […]. Es war die Aufgabe des Richters, die Wahrheit herauszufinden.“

Fotos: Anton Potche
Und zur letzten: „Die als schärfste angesehene Strafe war die VERBRENNUNG, nicht nur wegen der Schmerzen, sondern weil sie mit der Vernichtung des Leichnams verbunden war. Dadurch war ein Begräbnis in geweihter Erde ausgeschlossen, was manche als Hindernis für die Auferstehung sahen.“ 

Nun wird der geneigte Leser dieser Zeilen vielleicht schlussfolgern, dass dem künstlerischen Antrieb zu diesem grafischen Werk eine wissenschaftliche Arbeit zugrunde liegt. Dem ist aber nicht so. Es ist ein künstlerisches Wortwerk, das Sieglinde Bottesch tief berührt hat und die Impulse für diese Grafikserie ausgelöst hat. Die vielseitige Künstlerin schreibt zu diesem Zyklus: „Als mir dieser Text vor Jahren in die Hände fiel, war ich zutiefst erschüttert über die Grausamkeit der Hexenprozesse in meiner Heimatstadt, die ich für diese Gräueltaten, auch in der Vergangenheit, für unfähig gehalten hätte.“ 

Mit dem Text meint Sieglinde Bottesch ein Romanmanuskript von Ricarda Terschak mit dem Titel Kleine Hexe kleine Hexe. Sie, Bottesch, hat die Apokalypse ihrer siebenbürgischen Heimatstadt gedanklich mit in die Fremde genommen. In ihrer bayerischen Heimat musste sie erfahren, dass Apokalypse ein universelles Phänomen war und geblieben ist. Die letzte Hexenverbrennung fand in Ingolstadt im Jahre 1629 statt. Auch ihr hat Sieglinde Bottesch
durch diesen Zyklus ein künstlerisches und vor allem mahnendes Denkmal – Monotypie (ein seit dem 17. Jahrhundetr bekanntes Verfahren der Bildenden Kunst) auf Transparentpapier - gesetzt, das bis zum 10. September 2022 in der Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg Stadtbibliothek Zentrum, Ebene L2, am Gewerbemuseumsplatz 4, 90403 Nürnberg, zu den Öffnungszeiten Mo.-Fr. 11-19 Uhr und Sa. 11-16 Uhr besichtigt werden kann. 

Ich war bei einem kürzlichen Besuch dieser Ausstellung tief beeindruckt und habe Besucher beobachtet, die das anscheinend auch waren. 

Anton Potche

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