Untergang hat immer etwas mit dem
Bösen zu tun, mit dem Sieg des Bösen. Katastrophen geben sich die
Hand und lenken unser Denken, vorwiegend unsere Angst, in
apokalyptische Bahnen. Wo kommt es her, dieses Böse? Aus Peking -
ein Virus, aus Moskau – ein durchgeknallter Diktator und seine
Kamarilla, aus Nordkorea etc., etc.? Das sind nur drei von vielen
weiteren Beispielen in der Welt. Und wenn wir keine Erklärungen für
all das Böse, Unbegreifliche haben – es könnte doch so ruhig und
friedlich auf unserer Erde sein! -, dann greifen wir, oder zumindest
einige von uns, zu Erklärungsversuchen, die etwas mit einem Ende der
Geschichte oder einem Gericht Gottes und anderen mythisch überhöhten
Suchbegriffen zu tun haben. Stars dieser Symbole des Bösen sind seit
der Offenbarung des Johannes die vier apokalyptischen Reiter.
Eine Grafik des Albrecht Dürer
aus dem Jahre 1498 zeigt sie uns. Furchterregend. Die Inspiration zu
diesem Kunstwerk entsprang dem Wort. Dem Bibelwort. Eine geistige
Übertragung, die bis heute Bestand hat: Wort & Bild mit Hilfe
der Grafik. Auch andere Grafiken gibt es zurzeit zu sehen in der
Dürerstadt Nürnberg. Und zwar in der Stadtbibliothek. Kreiert von
Sieglinde Bottesch, der in Hermannstadt geborenen und in
Ingolstadt lebenden Malerin, Grafikerin und Objektkünstlerin.
Mythologie und Historie
heißt die Ausstellung, bestehend aus 14 Grafiken, die von der
Thematik her genauso betroffen machen können wie Dürers
apokalyptische Visionen. Auch Sieglinde Bottesch schöpft ihre
Themen aus dem Wort, doch nicht nur aus dem Bibelwort, sondern
vorwiegend aus der reichen Sagen- und Historienwelt der Siebenbürger
Sachsen. Schwarz & Weiß, sie dominieren den
ausgestellten Hexenzyklus,
und sie geben Anlass zu
Gänsehaut. Einige
der Grafiken sind mit
Erläuterungen aus dem Werk
Strafrechtliche Verfolgung der Hexerei
von Wolfgang Schild
(Rechtshistoriker)
versehen.
Zur
ersten Grafik der Reihe kann man zum Beispiel lesen: „Bei
einem öffentlichen GERÜCHT, das eine Übeltat betraf und jemanden
in Verdacht brachte, bedurfte es keines Klägers. Der RICHTER durfte
und sollte von sich aus diesen Verdacht überprüfen, Ermittlungen
anstellen und eine Untersuchung („inquisito“) durchführen
[…]. Es war die Aufgabe des Richters, die Wahrheit herauszufinden.“
Fotos: Anton Potche |
Nun wird der
geneigte Leser dieser Zeilen vielleicht schlussfolgern, dass dem
künstlerischen Antrieb zu diesem grafischen Werk eine
wissenschaftliche Arbeit zugrunde liegt. Dem ist aber nicht so. Es
ist ein künstlerisches Wortwerk, das Sieglinde Bottesch tief
berührt hat und die Impulse für diese Grafikserie ausgelöst hat.
Die vielseitige Künstlerin schreibt zu diesem Zyklus: „Als mir
dieser Text vor Jahren in die Hände fiel, war ich zutiefst
erschüttert über die Grausamkeit der Hexenprozesse in meiner
Heimatstadt, die ich für diese Gräueltaten, auch in der
Vergangenheit, für unfähig gehalten hätte.“
Mit dem Text
meint Sieglinde Bottesch ein Romanmanuskript von Ricarda
Terschak mit dem Titel Kleine Hexe kleine Hexe.
Sie, Bottesch, hat die Apokalypse ihrer siebenbürgischen
Heimatstadt gedanklich mit in die Fremde genommen. In ihrer
bayerischen Heimat musste sie erfahren, dass Apokalypse ein
universelles Phänomen war und geblieben ist. Die letzte
Hexenverbrennung fand in Ingolstadt im Jahre 1629 statt. Auch ihr hat
Sieglinde Bottesch durch diesen Zyklus ein künstlerisches und
vor allem mahnendes Denkmal – Monotypie (ein seit dem 17.
Jahrhundetr bekanntes Verfahren der Bildenden Kunst) auf
Transparentpapier - gesetzt, das bis zum 10. September 2022 in der
Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg Stadtbibliothek Zentrum,
Ebene L2, am Gewerbemuseumsplatz 4, 90403 Nürnberg, zu den
Öffnungszeiten Mo.-Fr. 11-19 Uhr und Sa. 11-16 Uhr besichtigt werden
kann.
Ich war bei
einem kürzlichen Besuch dieser Ausstellung tief beeindruckt und habe
Besucher beobachtet, die das anscheinend auch waren.
Anton
Potche
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