Mir ist kürzlich ein Satz von
Marcus Axt, das ist der Intendant der Bamberger Symphoniker,
unter die Augen gekommen: „Es geht um das Heimatgefühl, die
böhmische, die mitteleuropäische Tradition. Wir spielen die Werke
von Brahms, Dvořák
und Bruckner auf einzigartige Weise.“
Das Wesen der Musik liegt in
seiner Universalität und gleichermaßen in seiner Einzigartigkeit.
Klingt nach Widerspruch – ist es aber nicht. Seit paar Wochen liegt
in meinem CD-Ständer eine Scheibe mit dem Titel Meine
schönsten Lieder. Zu den Komponisten, die diese Lieder
geschrieben haben, zählen Josef Augustin,
Jaroslav Jankovek,
Vaclav Kautsky und
einige mehr. Alle
Stücke vermitteln ein„Heimatgefühl, [und teilweise
auch] die böhmische, die mitteleuropäische Tradition“. So wie das
„Heimatgefühl“ der Symphoniker aus Bamberg ihrer
Vertreibungsgeschichte aus der Tschechei geschuldet ist, so ist das
„Heimatgefühl“ der Adressaten dieser CD der
Aussiedlungsgeschichte ihrer Volksgruppe zu verdanken. Oder anders
gesagt: Der Alleinunterhalter Horst
Reiter hat auf
dieser CD Stücke eingespielt, die
seine Kundschaft – wie er selber sagt, im Alter zwischen 50 und 90
Jahren – als seelisches Auswanderungsgut aus dem Banat nach
Deutschland mitgebracht hat.
Der
aus Großjetscha stammende Musiklehrer ist
wohl der bekannteste
Alleinunterhalter der Banater Schwaben in
Deutschland. Er ist besonders im
süddeutschen Raum überall dort unterwegs, wo Landsleute aus dem
Banat sich treffen und das Tanzbein schwingen. Und das schon seit
vielen Jahren. Natürlich kennt er den Musikgeschmack dieser Menschen
und hat sein Repertoire danach ausgerichtet. Wie war doch diese
Reihenfolge der Tänze damals im
Banat? Ach ja: Walzer,
Polka, Tango und Foxtrott. Mit
anderen Worten hieß das böhmische Blasmusikmelodien und deutsche
Schlager. So ähnlich klingen auch die musikalischen Reminiszenzen
des Horst Reiter:
Rauschende Birken,
Wir sind Kinder von
der Eger, Amore
Romantica, Komm
auf das Schiff meiner Träume,
Donauschwaben-Walzer,
Urlaubsschein
u.s.w. bis zum 25. Titel, der bekannten Resi-Polka.
Reiter
sagt, jetzt, wo die CD im Umlauf ist, er wäre eigentlich gar
nicht auf die Idee gekommen, seine
schönsten Lieder
einzuspielen, wenn er bei seinen Engagements nicht
schon oft nach einer solchen gefragt worden wäre. Und das kann man
ihm ruhig abnehmen, denn von solchen Anstößen sprechen bedeutend
prominentere Künstler als unser „schwowischer Alleinunterhalter“
Horst Reiter.
Kürzlich hat der im deutschen Sprachraum sehr bekannte Rockmusiker
Wolfgang Niedecken
im DAS APOTHEKEN
MAGAZIN erzählt, dass sein neuestes Album Dylanreise
(mit Mike Herting
am Piano) nicht entstanden wäre, hätten auf
einer Deutschlandtour „Fans
nicht immer wieder nach einer
Aufnahme“ der gespielten „eigenen“
Songs gefragt.
Gut,
Reiter
spielt keine eigenen Songs, aber er spielt und singt Lieder,
die
für Apotheken-Zeitschriften-Leser
mit Banater Wurzeln schon etwas bedeuten.
Der Alleinunterhalter aus dem Breisgau
ist nämlich ein vielseitiger Musiker. Er beherrscht das
unverzichtbare
Keyboard, die Klarinette, das Saxophon und nicht zuletzt das
Akkordeon, das er in Trossingen im Hauptfach studiert hat. (Ob
vielleicht sogar bei Bernd
Maltry – Vater
aus Jahrmarkt – ist mir nicht bekannt.) Wer dazu noch gut singen
kann, dem darf man ein solches Unterfangen wie Meine
schönsten Lieder
durchaus
zutrauen.
Diese
CD ist gelungen. Musik von anno dazumal. Melodien, die Erinnerungen wachrufen können. An andere Räume und andere
Zeiten. Und das für ganze 15 Euro (Versand inklusive). Wer Horst
Reiters
Telefonnummer wählt, kann sich diese CD beim Produzenten
höchstpersönlich bestellen: 07666-5866.
Anton
Potche
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