Arthur Ehrhardt: Der Junker und
der deutsche Traum – Die Wiedergründung des Reiches durch Otto von
Bismarck; Druffel-Verlag, Leoni am Starnberger See, 1959, 163 Seiten
(mit zwei Fotos von Bismarck und Zeichnungen aus dem
„Kladderadatsch“).
Was kann man von einem
Sturmbannführer der Waffen-SS eigentlich mehr erwarten als eine
kriegsverherrlichende Einstellung zum Militär und eventuell
hinterlassene Schriften, die dieser menschenverachtenden
Weltanschauung dienen. Der deutsche Offizier Arthur Ehrhardt
(1896 – 1971) war einer dieser „Militärschriftsteller,
Übersetzer und politischen Publizisten“ (Wikipedia), die die trübe
Brühe des Militarismus auch nach dem Krieg am Köcheln hielten. Und
unterschwellig natürlich auch nationalsozialistisches Gedankengut.
Als Historiker setzte er sich aber auch mit Themen auseinander, die
zeitlich weit vor dem Dritten Reich liegen. 1959 erschien im
Druffel-Verlag die umfangreiche Erzählung Der Junker und der
deutsche Traum – Die Wiedergründung des Reiches durch Otto von
Bismarck.
Also von einem historischen Werk aus
rein wissenschaftlicher Sicht kann hier nicht die Rede sein. Es ist
eher eine chronologische Schilderung der Ereignisse, die 1870 / 1871
zur Wiedergründung des Deutschen Reichs führten und die der Autor
als „Erzählung“ deklariert. Was aber in Anbetracht der Vita des
Autors überrascht, ist, dass er den kriegerischen
Auseinandersetzungen zwischen Preußen und Frankreich kaum Beachtung
schenkt. Sein Augenmerk ist fast ausschließlich auf den
diplomatischen Kampf vor und hinter den Kulissen gerichtet. Und das
ist stellenweise schon interessant. Obwohl der Erzählstil vorwiegend
belletristische Elemente enthält, greift der Autor auch auf Zitate
aus zeitgenössischen Medien zurück, was dem Buch dann doch einen
Hauch von Historie verleiht. Zur besseren Veranschaulichung gewisser
Situationen wiedergibt der Autor auch längere Schilderungen von an
den Ereignissen beteiligten Personen.
So erfährt man dann auch etwas über
den Ausgang des Krieges mit Frankreich. Ein Vertrauter Kaiser
Napoleons III., Colonel Prinz Georges Bibesco (Gheorghe
Bibescu, von 1843 bis 1848 Fürst der Walachei), hat im Jahre
1870, schon in deutscher Gefangenschaft, die Stimmung auf der
französischen Seite festgehalten: „Es war am 1. September 3 Uhr;
die 3. und 4. Deutsche Armee hatte soeben ihre Vereinigung bei Illy
bewerkstelligt. Als wir dem traurigen Rückzug der letzten
Verteidiger dieses Abschnittes beiwohnten, gelangte das Gerücht zu
uns, man habe in Sedan die weiße Fahne aufgepflanzt. […] ‘Wir
können uns doch nicht fangen lassen!‘ rief der General Ducrot.
‘Ich führ meinen Teil‘, antwortete General Douay ruhig, ‘weiß
absolut nichts weiter zu tun; am wenigsten möchte ich zu einem
Schützengefecht raten, das zwecklos weitere Tausende opfern würde.
Wenn Sie mir etwas Besseres vorzuschlagen haben, bin ich bereit,
Ihnen zu folgen.‘“
Die Vereinigung der deutschen
Staaten war schon lange vor der Reichsgründung (1870) ein Politikum
mit europäischen Ausmaßen. Man kann das auch in diesem Buch
nachlesen. „Im Juli 1861 kann Bismarck dem König Wilhelm auf einer
Urlaubsreise in Baden-Baden darlegen, daß von Rußland aus ein
Widerstand gegen eine deutsche Einigung, falls sie unter preußischer
Führung vollzogen werde, wohl nicht mehr zu erwarten sei.“ Und sie
blieb ein jahrzehntelanges Politikum bis zur nächsten Vereinigung
Deutschlands, fast 120 Jahre später (1989) und diesmal ganz ohne
Blutvergießen. Welch ein zivilisatorischer Fortschritt!
Anton Potche
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