Achim Kelschebach: Wer war
Dracula? - Biografie eines Vampirs; Thales Verlag GmbH, Essen, 1991;
ISBN3-88908-592-X, 47 Seiten (bei Online-Buchhändlern noch
erhältlich).
Eine kleine, aber feine Broschüre
(DIN A5) hat der Thales Verlag aus Essen 1991 in Umlauf gebracht.
Nicht gerade fein, aber umso aufschlussreicher ist ihr Inhalt,
handelt es sich doch um das Gruselgenre in Literatur und Film
schlechthin: Dracula.
Achim Kelschebach hat den
Text, den man als einen gelungenen Essay über den Vampir Dracula
lesen kann, verfasst. Als ein in Ingolstadt lebender Leser spricht
mich gleich der erste Satz des ersten Kapitels, Gestatten – mein
Name ist Dracula, an:
„Der Graf mit den ausgezeichneten Manieren und dem ungewöhnlichen
Gebiß ist neben Frankenstein die wohl populärste Figur in
Horror-Literatur und -Film.“ Und als ein Banater Schwabe, der in
den 1960er Jahren zu seinen Schulutensilien auch ein Lehrbuch der
rumänischen Geschichte zählte, fühlte ich mich mit dem zweiten
Satz sofort auf bekanntem Geschichtsterrain heimisch: „Sein
Erfinder, der irische Schriftsteller Bram Stocker, der die
literarische Vorlage lieferte, entlieh den Namen bei einer
historischen Gestalt: Vlad Țepeș, Fürst
der Walachei, der den Beinamen Dracula trug.”
Der
Autor der Broschüre beginnt mit einem
Blick auf die Geschichte
Südosteuropas und legt den Fokus auf den walachischen Fürsten Vlad
III.
Țepeș, geb.
1431 – gest. 1476,
(der
Verfasser benutzt in
seiner Schreibweise keine diakritische
Zeichen),
wegen seiner Grausamkeit auch „Pfahlwojwode“ oder „der Pfähler“
genannt. (Das rumänische Wort „țeapă”
bedeutet „Pfahl“.) Dieser
Herrscher der Walachei wurde nur 45 Jahre alt, regierte das
rumänische Fürstentum aber gleich dreimal; und das in einer
stürmischen Zeit des 15. Jahrhunderts, als Türken, Ungarn, Walachen
und Siebenbürger Sachsen immer wieder versuchten, ihre
geopolitischen Ziele diplomatisch oder kriegerisch zu erreichen.
Schon sein Vater, Vlad II. (ca. 1392/1394 - 1447), trug den
Beinamen „Dracul“ und war ein Sohn des 29 Jahre lang auf dem
Thron des rumänischen Fürstentums Walachei (rum. Țara
Românească) sitzenden Mircea
cel Bătrân
/ Mircea der Alte (1355 - 1418), eine der
herausragenden Persönlichkeiten der rumänischen
Geschichtsschreibung. [Rumänisch bedeutet „Dracul“ eigentlich
„der Teufel“. „Vlad Dracul“ rührt aber nicht vom Teufel her,
sondern vom christlichen Ritterorden der „Dragoner“, in den Vlad
II. im Jahre 1431 aufgenommen wurde. Die Aufnahmezeremonie fand
in Nürnberg im Beisein des ungarischen Königs Sigismund von
Luxemburg (1368 – 1437) statt.]
Dass die Figur des walachischen
Fürsten Vlad Țepeș (die
chronologische Bezeichnung III. wird nur sporadisch in
Geschichtsarbeiten benutzt) gut als Vampir-Vorbild taugt, hat
auch damit zu tun, dass „rumänische Erzählungen“ schon immer
stark vom Aberglaube geprägt waren. Die „populäre Literatur des
19. und 20. Jahrhunderts“ hat „als Herkunftsland der Vampire […]
immer wieder Transsylvanien in Rumänien, das Land hinter den
Wäldern“ ausgemacht. Aus dem Legendenschatz dieser Gegend ist auch
die Anleitung zum Töten eines Vampirs bekannt: „Hat man das
Versteck gefunden, in dem er tagsüber in seinem Sarg ruht, so muß
man einen Pfahl durch sein Herz treiben oder ihn mit einer silbernen
Kugel erschießen.“
Achim Kelschebach beschäftigt
sich nach den geschichtlichen und mythischen Hintergründen des
Vampir-Phänomens mit der Vampir-Literatur. Es gibt wie überall auch
hier bekanntere und weniger bekannte Namen. Von Bram
Stocker (1847 – 1912), Lord Byron (1788 – 1824) oder
Mary Shelley (1797 – 1851) mag man ja gelegentlich gehört
haben, aber wer kennt schon Namen wie Joseph Sheridan le Fanu
(1814 – 1873) oder gar John William Polidori (1795 –
1821). Von allen deren Verdienste erzählt dieses Büchlein.
Hintergründe und Entstehungsgeschichten einzelner Werke werden
erläutert. So etwa die Recherchen von Bram Stocker
zu seinem berühmten Roman Dracula: „Der Name Dracula
begegnete Stocker erstmals an einem Abend im Jahre 1890. Da erhielt
er Besuch von dem renommierten ungarischen Orientalisten Herman
Vanbery, der später auch in seinem Roman erwähnt wird. Vanbery
erzählte ihm unter anderem von Vlad Tepes und den Überlieferungen,
die über den Fürsten in Rumänien verbreitet wurden. […] Erst die
genaue Kenntnis des rumänischen Vampirglaubens verleiht Stockers
1897 erscheinendem Roman eine fast dokumentarische Qualität.“
Andere Quellen behaupten, dass er „die Geschichte von Fürst Vlad
wohl in einem Buch über die Walachei und Moldawien entdeckt, das er
während eines Urlaubs mit seiner Familie in einer Bibliothek in
Whitby in Nordengland ausleiht.“ (Sebastian Fischer, DONAUKURIER,
26./27. Mai 2022).
Für Dracula-Geschichten war der
Film ein sehr geeignetes Medium schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts
und ist es bis heute geblieben. Als die 1912 in Amerika von dem
deutschen Einwanderer Carl Laemmle (1867 – 1939) gegründete
Universal Picture Corporation sich des Vampir-Themas annahm, war der
Welterfolg dieses Filmgenres gesichert. Und damit auch der Ruf so
manchen Vampir-Darstellers.
Der erste „Große“ in dieser
Reihe war der Ungar Bela Lugosi, geboren 1882 in Lugoj /
Lugosch (damals Ungarn, heute Rumänien) und gestorben 1956 in Los
Angeles. In diesem Büchlein kann man über ihn auch Folgendes lesen:
„Er sprach nur gebrochen Englisch und mußte die meisten seiner
Rollen phonetisch einstudieren. Der Rolle des Dracula verlieh sein
osteuropäischer Akzent jedoch genau den gewünschten fremdartigen
und bedrohlichen Ausdruck. Bela Lugosi identifizierte sich derart mit
seiner Rolle, die er noch in weiteren Filmen verkörpern sollte, daß
er in seinem Testament verfügte, man solle ihn im schwarzen Umhang
Draculas begraben.“
Die meisten Vampirfilme wurden
Ausgang der 1950er und Anfang der 1960er Jahre gedreht. In Amerika,
England, Italien, Spanien, Frankreich, Belgien, Deutschland, Mexiko,
Japan und auf den Philippinen wurden in dieser Zeit um die 200
Vampirfilme auf Leinwand gebannt. Von 1991, dem Erscheinungsjahr von
Kelschebachs Kurzbiografie Wer war Dracula?, bis
heute sind noch einige dazugekommen - also ausreichend Stoff für
Horrorfans und Filmkritiker.
Anton Potche
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