Montag, 10. Juli 2023

Was will man mehr?

Edi Graf (Hg.): Kannst du Knödel kochen? - Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten servieren kulinarische Spezialitäten; Silberburg-Verlag GmbH, Tübingen, 2015; ISBN 978-3-8425-1415-7; 128 Seiten; 14,00 €.

Dieses Buch zu machen, war bestimmt keine alltägliche Idee. Aber eine sehr gute. Sie verbindet in wahrlich ingeniöser Art und Weise die hohe Kunst der Blasmusik mit der nicht minder hohen Kunst des Kochens. Und sie, diese Idee, verführt die Mitglieder eines der bekanntesten Blasorchester der Welt dazu, sich genauer mit den jeweils eigenen Lieblingsspeisen auseinanderzusetzen. Was dabei herauskam, ist mehr als regionale Vielfalt. Man kann dem Unterfangen , oder besser gesagt, dem Ergebnis sogar einen interessanten historischen Aspekt abgewinnen.

Da steht nämlich auf Seite 103 dieses hervorragend von Edi Graf redigierten und hochwertig illustrierten Buches der Satz: „Bei selbst eingelegten Krautspezialitäten von Gourmet-Klarinettist Rudi König, den Leckereien von Sängerin Katharina Praher und den zahlreich angelieferten Wurst- und Schinkenspezialitäten der Banater Kollegen entstand auch die Idee zu diesem Kochbuch.“ Schon dieser Satz zeigt uns, dass wir es nicht nur mit Gourmands zu tun haben, sondern auch mit durchaus geschichtsbewussten Kennern von Alltagsspeisen. Und diese Kenner sind keine andren als Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten – das Original.

Die Geschichte dieses Orchesters ist ein deutsches Musikmärchen, dass 1956 seinen Anfang nahm und (hoffentlich) noch lange nicht beendet ist. Sein Geist ist aber ein zutiefst europäischer und keineswegs frei von nostalgisch verklärten Reminiszenzen. Der Klarinettist Rudi König kann viel mehr als Krautspezialitäten zubereiten, er stellt in diesem Buch den Egerländer-Fans, und nicht nur ihnen, auch „Königlich-kaiserliche Knödel-Köstlichkeiten“ in Rezeptform zur Verfügung. Wir sind kulinarisch zurückgekehrt in die altehrwürdige Zeit der Habsburger. Dazu passt auch die Tatsache, dass Rudi König der letzte waschechte „Egerländer“ in den Reihen dieses weltberühmten Ensembles ist.

Könige und Kaiser sind gegangen … mit ihrer Zeit, aber ohne die kulinarischen Errungenschaften ihrer Völker. Die leben auch heute weiter dank unzähliger Mütter, Großmütter, Urgroßmütter und vieler Kochbücher, auch sehr origineller wie das der Egerländer Musikanten. Der geografische Raum, den sie abdecken ist immens und vor allem grenzüberschreitend. Vom Elsas (Thomas Backhaus) und dem Hunsrück (Carsten Ebbinghaus) bis ins südosteuropäische Banat (Anton Hollich, Franz Tröster, Helmut Kassner, Oswald Windrich, Hans Kaszner, Nick Loris) stammen die Rezepte von Ernst Hutters Mannen und ihrer Sängerin aus einem Raum, der noch größer ist als das musikalisch bespielte Gebiet dieses Orchesters, und das ist weiß Gott nicht klein.

33 Musiker, Moderator Edi Graf und sieben Personen aus dem Organisationsbereich des Orchesters kommen zu Wort. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn neben einer Kurzvita und den Rezepten schildern die Protagonisten in wenigen, aber oft mit emotionalen und auch historische Hintergründe freilegenden Worten (man muss nur zwischen den Reihen lesen) über ihre ganz persönlichen Verhältnisse zu ihren vorgestellten Speisen. So etwa erzählt Nick Loris von der Knödel aus der Pfanne: „Dieses Gericht kenne ich aus meiner Kinder- und Jugendzeit, als meine Oma noch eigenes Brot gebacken hat. Wenn vom Brotteig noch etwas übrig blieb, gab es diesen als Brotknödel. Es eignet sich gut als Alternative zur Pizza am Abend.“

Kannst du Knödel Kochen? Wer es nicht kann, sollte sich dieses Buch zulegen. Was für die eingeschworene Egerländer-Fangemeinde selbstverständlich ist, könnte für neugierige Musikfans (unabhängig vom Genre) ein Erlebnis werden. Sie lernen die Bläser & Sänger der Egerländer Musikanten von Angesicht zu (Foto)Angesicht kennen an einem langen Tisch, gedeckt mit Speisen und Getränken. (Die grafische Gestaltung dieses Buches ist von einer außerordentlichen Güte.) Im Banat gab es vor langer Zeit die sogenannten Brotzeitbälle. Das hieß, jeder Besucher brachte sich Essen von zu Hause mit zu der Tanzveranstaltung. Hier bringen die Musikanten ihre Leibspeisen für die Tanzlustigen mit. Was will man mehr?

Anton Potche

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