Bettlerinnen oder Bettler waren mir
aus Jahrmarkt nicht bekannt. Und doch soll es eine Bettlerin gegeben
haben, auch wenn sie nicht in ihrem und später auch meinem
Heimatdorf zu meiner Zeit lebte. Die Polizei hat in der Nähe des
Temeswarer Hauptbahnhofs „ein altes Mütterchen, welches kaum noch
gehen konnte, aufgegriffen“. Die Frau hieß Nanette Klemencz
und war eine geborene Benneritz. Sie erzählte den erstaunten
Polizeibeamten, dass sie 102 Jahre alt sei und die letzten 70 Jahre
ihres Lebens in Gyarmatha, wie Jahrmarkt früher hieß, und in
Temeswar als Witwe gelebt habe. Allein auf der Welt war die „arme
Alte […] in sehr defektem Zustand“ laut Zeitungsbericht aber
nicht.
Sie erzählte den wahrscheinlich
verdutzten Polizisten, dass ihre 104 Jahre alte Schwester in Bessenyö
lebe und es auch noch einen Bruder gibt, der „erst 92 zählt“.
Wie auch immer, die Jahrmarkter Bettlerin war meine Landsfrau, auch
wenn sie etliche Jahre vor mir „in Gyarmatha im Jahre 1797 geboren
sei“. Um auf solche Geschichten zu treffen, muss man in alten
Zeitungen schmökern. Ich habe diesen Artikel kürzlich in der
TEMESVARER ZEITUNG vom 10. Oktober 1899 gelesen und gleich in der
Jahrmarkter Ortsmonographie nach Nanette Klemencz gesucht.
Leider ohne Erfolg. Ob die alte Dame sich noch genau erinnern konnte,
darf man natürlich bezweifeln. In unsere Jahrmarkter Geschichte
sollte sie trotzdem aufgenommen werden, denn neben den nicht
vergessenen Baronen von der Spitze der Sozialpyramide dieses Dorfes –
und nicht nur dieses - hat auch ein Stein, ein Bettlerstein, aus dem
Pyramidensockel eine Erinnerung verdient.
Anton Potche
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