Montag, 22. April 2024

Wie alt sie wohl wirklich war?

Bettlerinnen oder Bettler waren mir aus Jahrmarkt nicht bekannt. Und doch soll es eine Bettlerin gegeben haben, auch wenn sie nicht in ihrem und später auch meinem Heimatdorf zu meiner Zeit lebte. Die Polizei hat in der Nähe des Temeswarer Hauptbahnhofs „ein altes Mütterchen, welches kaum noch gehen konnte, aufgegriffen“. Die Frau hieß Nanette Klemencz und war eine geborene Benneritz. Sie erzählte den erstaunten Polizeibeamten, dass sie 102 Jahre alt sei und die letzten 70 Jahre ihres Lebens in Gyarmatha, wie Jahrmarkt früher hieß, und in Temeswar als Witwe gelebt habe. Allein auf der Welt war die „arme Alte […] in sehr defektem Zustand“ laut Zeitungsbericht aber nicht.

Sie erzählte den wahrscheinlich verdutzten Polizisten, dass ihre 104 Jahre alte Schwester in Bessenyö lebe und es auch noch einen Bruder gibt, der „erst 92 zählt“. Wie auch immer, die Jahrmarkter Bettlerin war meine Landsfrau, auch wenn sie etliche Jahre vor mir „in Gyarmatha im Jahre 1797 geboren sei“. Um auf solche Geschichten zu treffen, muss man in alten Zeitungen schmökern. Ich habe diesen Artikel kürzlich in der TEMESVARER ZEITUNG vom 10. Oktober 1899 gelesen und gleich in der Jahrmarkter Ortsmonographie nach Nanette Klemencz gesucht. Leider ohne Erfolg. Ob die alte Dame sich noch genau erinnern konnte, darf man natürlich bezweifeln. In unsere Jahrmarkter Geschichte sollte sie trotzdem aufgenommen werden, denn neben den nicht vergessenen Baronen von der Spitze der Sozialpyramide dieses Dorfes – und nicht nur dieses - hat auch ein Stein, ein Bettlerstein, aus dem Pyramidensockel eine Erinnerung verdient.

Anton Potche

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen